Reiche Ernte: Bananen, Papayas und Kokosnüsse auf dem Markt in Victoria. Foto: Molitor

Paradies für arabische Royals, verwöhnte Jetset-Sterne und übergewichtige Mittelstandsmillionäre - das ist das Klischee, mit dem das Inselreich Seychellen lebt. Immerhin nicht schlecht.

La Digue - Ruck, zuck ist die Banane verputzt. Nur ein wenig Brei klebt noch an der Schildkröten-Oberlippe - wie so oft in über 130 Schildkröten-Jahren. Der riesige Panzer trägt die Nummer 55, und Gelli, die sich mit anderen Naturpark-Rangern auf der Seychellen-Insel Curieuse um die uralten Reptilien kümmert, verkündet stolz: „Nummer 55 ist die älteste unter den rund 350 Riesenschildkröten auf Curieuse.“ Träge Schönheiten. Ein Kopfsprung vom Luxus-Katamaran - und nach wenigen Schwimmzügen durchs warme Wasser taucht man in einer anderen Welt auf. Seychellen-Feeling. Behäbig schieben sich Riesenschildkröten übers harte Gras. Handtellergroße Krabben suchen im Mangrovenwald Schutz.

Knallrote Blüte des Flamboyant-Baumes unter gleißender Sonne. Gelli zeigt zwei Wochen junge Schildkröten. „Ihre Eier haben wir irgendwo auf der Insel gefunden“, sagt sie. Auch wenn die Ranger über viele Hundert Meter Entfernung hören können, wo sich die Riesenpanzer grunzend paaren - die Funde sind Glückssache. Rund 3500 Euro pro Tag kostet der Ausflug auf dem Katamaran „Nkalindau“ von Gareth Dovey. „350 Quadratmeter Segelfläche“, sagt der Skipper lässig. Zehn Personen finden mit der dreiköpfigen Crew auf dem „Brüllenden Löwen“ Platz. Trotzdem: ein teurer Spaß. Wie vieles auf vielen der im Ozean auf über einer Million Quadratkilometern versprengten 115 Korallen- und Granitinseln.

„Die Araber kaufen uns auf“

Spaß für arabische Royals, verwöhnte Jetset-Sterne, übergewichtige Mittelstandsmillionäre oder ökovertierte Zahnarztehepaare mit Privatpatientenüberhang - das ist das Klischee, mit dem das Inselreich lebt. Immerhin nicht schlecht. Teure und superteure Luxushotels auf Praslin oder Fregate färben ab. Im Hafen von Eden Island auf der Hauptinsel Mahe (wo rund 70 000 der rund 90 000 Seychellois leben) schaukeln protzige Prinzen-Yachten aus Katar und anderen Emiraten. Wie die 80 Meter lange „Constellation“ aus Doha. 22 Mann Besatzung. Auf dem Bergkamm thront mit 360-Grad-Rundumblick das sechsgeschossige Häuschen von Scheich Khalifa bin Zayed bin Sultan al-Nahyan, dem Prinzen von Abu Dhabi. Luxusressorts wie das „Raffles“ auf Praslin verdanken ihre Existenz dem Taschengeld des saudiarabischen Prinzen Walid bin Talal bin Abdel Aziz al Saud. „Die Araber kaufen uns auf“, sagt der Firmenmanager Arthur Lo Pino.

„Nicht nur, weil es auf den Seychellen so schön ist.“ „Ach was“, entgegnet Transportminister Joel Morgan, „die Seychellen haben Platz für jeden.“ Für jeden Geldbeutel, soll das heißen. Für den saudischen Hofstaat wie für europäische Doppelhausbesitzer. Auch, wenn sich die Seychellen - einst höchster Gipfel untergetauchter Überreste des Superkontinents Gondwana - dem Massentourismus à la Malediven und Mauritius nicht öffnen wollen. Rund 240 000 Urlauber werden es in diesem Jahr sein. „Irgendwann werden wir eine rote Linie ziehen“, sagt der Minister. Man sehe genau hin, was noch geht und was nicht, wo auf Inseln neue Hotels entstehen können und wo die Natur geschützt bleibt. 51 Prozent der Inselflächen sind naturgeschützt.

Das werde so bleiben, verspricht Morgan: „Der Umweltschutz ist eine Gans, die goldene Eier legt.“ Selbst das aufgeschüttete Areal Eden Island vor den Toren Victorias mit Luxus-Apartments ab 500 000 Dollar, Privatstränden, Tennisplätzen, Shopping-Mall und Yachthafen sei unter dem Öko-Aspekt zu sehen. „So nehmen wir den Baudruck von unseren bewaldeten Berghängen“, sagt Morgan. Eden Island sei eine durch und durch pragmatische Lösung. Schließlich bräuchten auch die Seychellen ausländische Investitionen. „Die Destination wächst langsam. Aber immer mehr Gäste suchen einzigartige und authentische Erfahrungen“, sagt Raffles-Generalmanager Christoph Ganster. Besucher aus Deutschland führen mittlerweile die Nationalitäten-Statistik mit 25 763 Besuchern (von Januar bis Oktober) erstmals an. Allein im luxuriösen Raffles stieg die Zahl der Übernachtungen deutscher Gäste im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent“, strahlt der Österreicher.

Gehobene Kundschaft, trotzdem gibt es Platz für jeden

Die Inselgruppe habe eine solide Grundlage, um das Wachstum fortzusetzen. „Wir beobachten immer mehr Menschen, die bereit sind, eine sehr weite Strecke auf sich zu nehmen, um dieses einzigartige Inselparadies zu entdecken.“ Gehobene Kundschaft. Trotzdem gibt es Platz für jeden: Ganz falsch liegt Morgan damit nicht. Auf der weitestgehend autofreien Insel La Digue gibt es Gästehäuser für rund 100 Euro pro Zimmer. Robert Agnes führt die Urlauber in eine verwunschene Bergwelt, kompetent, freundlich, erschwinglich. Die unbezahlbaren Seychellen, das sei eine Mär, sagt Jürgen Kass. Der 38-jährige Südafrikaner mit österreichischen Wurzeln lebt seit gut 20 Jahren auf Praslin, vermietet Gästehäuser und einen Katamaran.

„Viel günstiger als die Luxus-Schlitten.“ Wenn die Musiker abends ihre Trommeln zum Stimmen ans Lagerfeuer stellen, damit sich das Fell über dem Holzrahmen spannt und sich aufregende Töne herausschlagen lassen, ist jeder ängstliche Gedanke an die Reisekasse ohnehin vertrieben. Selbst der Tourismus-Minister gerät ins Schwärmen. „Die Menschen hier sind warmherzig und freundlich, geprägt von französischer, englischer, indischer, chinesischer und afrikanischer Kultur“, sagt Alain St. Ange. Die Gewässer um die inneren Inseln seien vor Piraten sicher, die Strände sehr sauber. Und Ebola? „Kein Thema.“ Obendrein wird das heimische Seybrew-Bier nach bayerischem Reinheitsgebot gebraut. Urlauberherz, was willst du mehr? Allenfalls noch einen guten Takamaka-Rum. „Investieren Sie ins Paradies“, lockt St. Ange. Eine heile Welt, die sich morgens in Victoria auf dem Sir-Selwyn-Selwyn-Clarke-Markt präsentiert, wo David mit geübten Hieben Fische von Gräten befreit und die Reiher gelangweilt auf den Abfall lauern?

„Viele Junge sind arbeitslos und viele minderjährige Mädchen schwanger, aber das sehen die Touristen auf den Seychellen nicht“, sagt Lo Pinto. Auch im Paradies gibt es Menschen am Rand der Gesellschaft. Schattengewächse. Die größten Samen der Welt locken das große Geld. Auf Praslin kann man sie im Vallee de Mai, seit 1983 Unesco-Weltnaturerbe, bestaunen. Imposante, erotische Fantasien beflügelnde Cocos de mer, die an 40 Meter hohen Palmen baumeln. Die Abgeschiedenheit der Inseln über Millionen von Jahren führte zu biologischen Sensationen wie der Meereskokosnuss mit ihren großen, schweren, herzförmigen Früchten. Ihre weiblichen und männlichen, eng zusammenstehenden Samen sind das Wahrzeichen der Seychellen. Sir Michael Adams haucht dieser Welt in einer alten Kolonialstilvilla in Anse aux Poules bleux mit dem Pinsel Leben ein. Sein Hauptmotiv?

„Bambus, Bambus, Bambus“, sagt der 77-Jährige. Seine Siebdrucke schmücken die Rezeptionen vieler Luxushotels, seine Aquarelle hängen bei den Reichen und Schönen. Auf der Anrichte in der kleinen Galerie steht ein Foto, das Adams mit dem Emir von Katar zeigt. In trauter Umarmung. Strände, Strände, Strände. Allein 65 auf Mahe. Sündhaft üppig. Weiß und weich. Von hohen Wellen umtost Grand’ Anse und Petit’ Anse mit bizarren Felsen auf La Digue, Anse Lazio mit spiegelglattem Wasser und schattenspendenden Takamaka-Bäumen auf Praslin. Tausende große und kleine Paradiese. Juwelen wie Silhouette, Fregate, Cousine, Aride, Aldabra, Cerf, Sainte Anne oder Alphonse. Wer schaut da auf den Inseln des Überflusses schon aufs Geld?

So wird das Wetter für die Weltreise

Infos zu den Seychellen

Anreise
Mit Condor ( www.condor.com ) einmal wöchentlich ab Frankfurt nach Praslin. Air Berlin/Etihad fliegen viermal pro Woche ab Frankfurt über Abu Dhabi auf die Seychellen ( www.airberlin.com ). Weitere Verbindungen mit Kenya Airways, Emirates, Qatar Airways, Ethiopian Airways.

Unterkunft
Brandneues Savoy mit großer luxuriöser Spa-Anlage und sehr guter Küche, 5 Sterne, Mahe: Doppelzimmer ab 520 Euro, www.savoy.sc

Eden bleu, Business-Hotel in unmittelbarer Nähe des mondänen Yachthafens, Mahe, Einzelzimmer ab 295 Euro, www.edenbleu.com

Raffles, Luxus-Resort mit eigenem Strand auf Praslin, DZ ab 715 Euro; www.raffles.com/praslin

Villa Kass, Guesthouse mit privater Atmosphäre auf Praslin, Zimmer ab 90 Euro, www.villakass.com

Villa Authentic, Guesthouse, La Digue, Zimmer ab 100 Euro, www.villaauthentique.com

Allgemeine Informationen/Ausflüge
Allgemeines unter www.seychelles.travel , Wandern auf La Digue mit Robert Agnes: www.seychelles-tourguide.com Katamaran-Fahren mit Gareth Dovey, www.seychellesyachtcharter.com

Wechselkurs: Ein Euro sind rund 17 Seychellen-Rupien; für die Einreise ist kein Visum nötig; Zeitunterschied plus drei Stunden (MEZ), plus 2 Stunden MEZ Sommerzeit); Strom: Adapter für dreipolige Stecker britischer Norm (Typ G).

CMT
Die Seychellen sind Partnerland der CMT und auf der Reisemesse in Halle 8, Stand C10 vertreten.