Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte einen Gesetzentwurf zur Reform des Sexualstrafrechts vorgelegt, der nun von der Koalition kräftig nachgebessert wurde. Foto: dpa

Die Fachpolitiker der Koalition haben sich geeinigt: Wer gegen den „erkennbaren Willen“ des Opfers einen Geschlechtsverkehr erzwingt, wird bestraft. Gewaltanwendung ist nicht mehr das entscheidende Kriterium.

Berlin - Der Bundestag wird in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause ein verschärftes Sexualstrafrechtbeschließen. Wesentliche Neuerung ist der Grundsatz „Nein heißt Nein“. Die Rechts- und Frauenpolitiker haben sich am Freitag auf letzte noch notwendige Kompromisse verständigt. Der vorliegende Entwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) wird in wichtigen Punkten ergänzt.

Künftig kann jeder Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung verurteilt werden, der gegen den erkennbaren Willen des Opfers geschieht. Bisher waren Gegenwehr, Gewalt oder deren Androhung Voraussetzung für eine Bestrafung. Die Fachpolitiker von Union und SPD einigten sich darauf, sexuellen Missbrauch von Behinderten künftig mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr zu ahnden. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, sprach von einem „abscheulichen Verbrechen“. Mit der ausdrücklichen Aufnahme der behinderten Menschen werde klargestellt, „dass wir sexuelle Delikte an Behinderten unter Strafe stellen, weil diese keinen entgegenstehenden Willen bilden können“; dies ist Voraussetzung der „Nein-heißt-Nein“-Lösung.

Selbstbestimmungsrecht der Frau gestärkt

Das neue Sexualstrafrecht wird zudem zwei weitere wichtige Neuerungen enthalten: Wer einen sexuellen Übergriff aus einer Gruppe heraus ermöglicht oder befördert, macht sich ebenfalls strafbar. Damit wird bestraft, wer zwar nicht selbst das Opfer sexuell attackiert, aber eine solche Tat eines anderen zum Beispiel durch Anfeuern oder das Bilden einer menschlichen Mauer um das Opfer fördert. Damit zieht der Gesetzgeber juristische Konsequenzen aus den Vorgängen in der Kölner Silvesternacht. Zudem soll das sogenannte „Grapschen“ als sexuelle Belästigung bestraft werden können. Auch dies steht in einem Bezug zu den Kölner Ereignissen. Darauf weist Karin Maag, die Vorsitzende der Frauengruppe in der Unionsfraktion, ausdrücklich hin. „An die Grapscher von Köln richten wir eine deutliche Warnung: Künftig werden solche Fälle der tätlichen sexuellen Belästigung bestraft.“ Wer andere aus einer Gruppe heraus bedrängt und so Straftaten ermöglicht, wird ebenfalls bestraft.“

Weibliche Abgeordnete von Union und SPD feierten am Freitag die errungene Verständigung. In einer gemeinsamen Erklärung der Politikerinnen der Unions- und der SPD-Fraktion, der Frauen-Union und der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen sprachen sie von einem „Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht“. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen werde gestärkt. Mit der Einführung des Grundsatzes „Nein heißt Nein“ reiche es für eine Verurteilung, wenn der Täter sich über den erkennbaren Willen des Opfers hinwegsetze.