Detlef Köhler wollte schon immer Busfahrer werden. „Ich mag den Umgang mit Menschen“, sagt er. Foto: Claudia Barner

In der Serie „Unterwegs“ begleiten wir heute Detlef Köhler, der seit 30 Jahren einen SSB-Gelenkbus auf verschiedenen Linien über die Straßen der Filder steuert.

Filderstadt - Er ist der Riese im wuseligen Miteinander auf den Straßen der Städte und Gemeinden – der Bus. Um das voluminöse Gefährt im Hindernisparcours der parkenden Autos, ungeduldigen Pkw-Fahrer, unberechenbaren Fußgänger und gemächlich rollenden Radler auf Kurs zu halten und pünktlich ans Ziel zu steuern, braucht es Weitblick, Feingefühl und vor allem gute Nerven. Detlef Köhler ist seit 30 Jahren als Busfahrer im öffentlichen Nahverkehr für die SSB auf den Fildern unterwegs. Ihn bringt so schnell nichts mehr der Ruhe – auch wenn das nicht immer ganz einfach ist.

Freitagmorgen, 5.50 Uhr. Auf dem Betriebshof der SSB in Sielmingen betritt Detlef Köhler den Gemeinschaftsraum und wirft einen Blick auf das Einsatzdisplay. Heute ist er auf den Linien 74, 76 und 77 unterwegs. Er nimmt die Tasche mit dem Sprudel und der Kasse und steuert einen der schlafenden Giganten in der Garage an. Auf Knopfdruck erwacht der Gelenkbus zum Leben, öffnet mit einem schnaufenden Geräusch die Türen und lässt den Fahrer ein zum morgendlichen Check: Tachoscheibe einlegen, Kasse aktivieren, die Türen prüfen und sich in der Leitstelle anmelden. „Hier Alpha 74-05“, spricht Detlef Köhler ins Mikrofon. Er gibt seinen Standort durch, startet und fährt los.

Auf den Straßen erwacht das Leben

Die erste Station ist um 6.11 Uhr das Rathaus in Sielmingen. Von dort aus geht es weiter bis zum Zentralen Omnibusbahnhof in Degerloch. Noch ist es ruhig auf den Straßen. Eine Frau steigt ein. Nach und nach füllt sich der Bus. Auch auf den Straßen erwacht das Leben. Ein Müllauto zuckelt von Tonne zu Tonne. Detlef Köhler muss warten, bis es eine Gelegenheit zum Überholen gibt. Immer wieder fällt sein Blick auf die Zeitanzeige der Steuerungseinheit neben dem Lenkrad. „- 3.10“ steht da. Das heißt: Der Bus liegt im Fahrplan zurück und muss Zeit aufholen, um das Ziel pünktlich zu erreichen. „Neben der Verantwortung für die Sicherheit der Passagiere ist der Druck, rechtzeitig anzukommen, der größte Stress“, sagt der 51-Jährige.

Viel Spielraum gibt es nicht: Eine Minute zu schnell oder zwei Minuten zu langsam sind akzeptabel. Doch statt aufzuholen, verliert Detlef Köhler weiter an Zeit. In Plieningen steht ein Lastwagen quer auf der Straße und fädelt sich zentimeterweise in die Zufahrt eines Discount-Marktes ein. Inzwischen ist der Rückstand auf knapp vier Minuten angewachsen. „Sich aufregen und hektisch werden bringt jetzt gar nichts“, sagt der Busfahrer aus Erfahrung. Er nimmt es wie es kommt, fährt konzentriert weiter, bremst ab, gibt Gas, lässt Passanten passieren, begrüßt die Fahrgäste, verkauft Fahrscheine, freut sich über zwei Haltestellen, an denen niemand ein- oder aussteigen möchte und zeigt wenig später mit einem zufriedenen Lächeln auf die Anzeige: „Nur noch 1.30 zurück. Wer sagt’s denn.“

Echterdingen ist besonders störanfällig

Der 51-Jährige hat schon viel erlebt und die offiziellen Verkehrsregeln um zwei wichtige Punkte ergänzt: Nichts ist unmöglich, und mit unvorhersehbaren Ereignissen ist immer zu rechnen. Das kann die Seniorengruppe sein, die sich auf dem Radstreifen den Berg hoch quält, eine neue Tempo-30-Zone, eine Umleitung, ein Unfall auf der Strecke oder schlicht und einfach ein Stau. Die störanfälligen Stellen auf den Fildern kennt der Busfahrer nach 30 Jahren ganz genau: „Ganz extrem ist es zur Hauptverkehrszeit in Echterdingen. Wenn es – wie so oft – auf der B 27 oder der Autobahn nicht läuft, weichen alle aus“. Im Winter ist vor allem das Glatteis ein Thema. „Am Asemwald und am Hardter Buckel nach Nürtingen ist es am gefährlichsten“, berichtet der Routinier. Er selbst entscheidet dann darüber, ob die Tour gefahren wird oder ausfallen muss.

Glücklicherweise haben die meisten Fahrgäste Verständnis, wenn sie sehen, dass höhere Gewalt im Spiel ist. „Ich kann nicht klagen. Die meisten Leute sind freundlich. Es gibt nur wenige, die sich danebenbenehmen“, berichtet Detlef Köhler. Für die Autofahrer gilt das Lob nicht. „Es gibt kein Miteinander mehr im Straßenverkehr. Jeder guckt nur, dass er am besten noch schnell den Bus überholt, bevor ich aus der Haltestelle fahre. Das hat in den vergangenen Jahren extrem zugenommen.“ Ein weiteres Ärgernis sind zugeparkte Busbuchten. Der SSB-Fahrer hat dafür kein Verständnis: „Es ist einfach gefährlich, wenn ältere Menschen, die nicht gut zu Fuß sind, oder Schüler mitten auf der Fahrbahn aussteigen müssen“, sagt er.

„Die Straßen sind viel schlechter geworden“

Inzwischen schlängelt sich der Bus durch Birkach. Der Geräuschpegel steigt – und das liegt vor allem an der schlechten Fahrbahn. Detlef Köhler weiß seinen gefederten Fahrersitz zu schätzen. Auch das hat er beobachtet: „Die Straßen sind sehr viel schlechter geworden, als sie es früher waren.“ Doch es gibt auch Entwicklungen, die ihm das Leben erleichtern. Dank der Niederflur-Technik können Mütter mit Kinderwagen das Gefährt ohne seine Hilfe besteigen, die Klimaanlage macht den Arbeitstag im Bus bei sommerlichen 36 Grad erträglich, und die automatische Bandansage hat ihn von der Pflicht entbunden, vor jeder Haltestelle das Mikrofon zu aktivieren. „Das kommt der Konzentration zugute“, sagt Detlef Köhler.

Die Uhr zeigt 6.49 Uhr. Der gelbe Gelenkbus fährt pünktlich an der Haltestelle in Degerloch ein. Das automatische Display schaltet auf die Linie 76 um. In wenigen Minuten geht es weiter Richtung Echterdingen. Ein paar Minuten Zeit, um auszusteigen, einen Kaffee zu trinken und sich ein paar Gedanken über seinen Beruf zu machen. „Ich habe als Kind neben dem Betriebshof in der Pragsiedlung gewohnt. Das hat mich fasziniert. Ich wollte schon immer Busfahrer werden“, erzählt Detlef Köhler.

Mit Begeisterung hinter dem Lenkrad

Trotz aller Beschwernisse und Ärgernisse sitzt Detlef Köhler heute noch mit der gleichen Begeisterung hinterm Lenkrad. Der 51-Jährige sieht das ganz pragmatisch: „Dinge, die einem das Leben schwer machen, gibt es in jeder Branche. Ich mag den Umgang mit Menschen, und ich habe gute Nerven – das passt“, sagt er, steigt ein, schließt die Türen und taucht mit seinem brummigen gelben Riesen wieder in den morgendlichen Berufsverkehr auf den Fildern ein.