Martin Hägeles Arbeiten reichen vom Aquarell aus dem Ostsee-Urlaub über die Radierung mit Tanzenden zum gezeichneten Selbstbild oder einer Bronzeplastik. Foto: Sabine Schwieder

Zum Handwerkszeug des Sonnenberger Künstlers gehört die Radiernadel ebenso wie der Zeichenstift. Gelegentlich arbeitet er mit Ton oder Bronze.

Sonnenberg - Im Beruf ging es oft um prosaische Technik, privat beschäftigt sich Martin Hägele vom Kunstkreis Möhringen gerne mit Menschen oder Landschaften. Der Grafiker hat viele Jahre lang für seine Agentur in Sonnenberg unter anderem Autos und Autozubehör zu Werbezwecken abgebildet. Bei der jüngsten Ausstellung des Kunstkreises Möhringen, dem er von Anfang an verbunden war, ist im Bürgerhaus ein beeindruckendes Selbstporträt zu sehen, dass der über 80-Jährige mit dem Filzstift im Mund gezeichnet hat. Diese Vielfalt ist ein Wesenszug des Sonnenberger Künstlers.

In einer nicht ganz ernst gemeinten Selbstbeschreibung hat sich Martin Hägele einmal als „aufrechten Schwaben“ bezeichnet. Geboren 1934 in Stuttgart ist er allerdings in Berlin, Kassel, Augsburg und Feuchtwangen aufgewachsen und erst nach dem Krieg mit der Familie nach Stuttgart zurückgekehrt. Seit mehr als 50 Jahren lebt er in der Kremmlerstraße in Sonnenberg. Die Wohnung ist mit vielen Bildern – eigenen und denen von Künstlerfreunden – geschmückt, im Untergeschoss steht ein Büro zum Arbeiten zur Verfügung.

Berufe, die mittlerweile ausgestorben sind

Begonnen hat Hägele mit der Ausbildung zum Chemigrafen, einem Beruf, den es in der Form nicht mehr gibt. In der Familie hatten es alle mit der Autoindustrie und mit Stahl und Eisen zu tun, der junge Martin war mit seinem Talent zum Zeichnen etwas aus der Art geschlagen. Also lernte er zusätzlich zum Umgang mit Druckplatten im Hochdruckverfahren noch einen Zweitberuf: er wurde Retuscheur. Auch das ein aussterbender Beruf: „Heute macht man das mit dem Rechner“, sagt Martin Hägele, der darüber hinaus die Fotografie beruflich genutzt hat.

Nach seiner Ausbildung zum Grafiker in Stuttgart arbeitete er zunächst in einer Werbeagentur in Möhringen, bevor er sich mit „Graphic Design“ in Sonnenberg selbstständig machte. In seiner Freizeit aber widmete er sich dem Aquarellieren, Zeichnungen und aufwendigen Radierungen. Nebenbei entstanden kleine Ton- und Bronzeplastiken.

Für die Ehefrau und die zwei Töchter (eine von ihnen ist selbst künstlerisch tätig) blieb da wenig Zeit. „Meine Frau hat mir immer den Rücken freigehalten“, sagt Hägele anerkennend. Als sie allerdings erkrankte, zog er sich aus der Möhringer Kunstszene zurück, um sich bis zu ihrem Tod um sie zu kümmern.

Künstlerisch ein Einzelkämpfer

Mittlerweile ist Hägele zum Kunstkreis zurückgekehrt, doch eigentlich, so sagt er, ist er eher ein Einzelkämpfer. Künstlerisch liebt er den Wandel. In seiner Anfangszeit ging es viel ums Detail, doch seit dem Besuch einer Sommerakademie in Schwäbisch Hall, zu dem ihn Freunde in vergangenen Jahr überredet haben, arbeitet er wesentlich freier. Dort entstand auch das mit dem Mund gezeichnete „Selfie“. Ermuntert von einem Lehrer probierte Hägele vieles aus: mit links zeichnen, mit dem Stift zwischen den Zehen oder eben mit dem Mund. „Man kann die Künstler jetzt besser verstehen, die mit solchen körperlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben“, erzählt er.

Porträts, Landschaften, Tanzende

Die neueren Arbeiten sind zu Hause und während der gemeinsamen Reisen mit einer Künstlerfreundin entstanden. Besonders gerne macht Hägele Porträts, doch auch seine Kleinplastiken wie zum Beispiel die „Sitzende“ aus Bronze wirken mit ihren weich fließenden Formen ausdrucksvoll. Beim Zeichnen aber reizt ihn alles, was Schnelligkeit erfordert: Mit wenigen Strichen gibt er eine Situation wieder. Dazu gehören auch Tanzszenen, die er nach einem Besuch des Stuttgarter Balletts auf Papier bannt. „Nur Ölmalerei mache ich fast gar nicht“, sagt er, „das dauert mir zu lange.“

Nebenbei beschäftigt sich Martin Hägele mit den Arbeiten des Malers Gustav Schopf, Mitbegründer der Stuttgarter Neuen Sezession. Dessen Arbeiten aus dem Nachlass stapeln sich in seinem Keller. „Ein interessanter Künstler“, findet Hägele, „aber ich habe noch keine Idee, was aus den Bildern werden soll.“