Zwei Mitarbeiter müssen auf eine hohe Leiter steigen, um die Lichter des Riesenrads Expo-Star kontrollieren zu können. Neuer bunter Luftballon-Nachschub erreicht den Wasen. Und alles muss glänzen, damit es den Gästen gefällt. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Auch bei Großveranstaltungen wie dem Cannstatter Volksfest geht ohne Vorbereitung gar nichts. Für unsere Serie „Die Stadt erwacht“ haben wir einmal hinter die Kulissen geschaut.

Stuttgart - Tausende Dirndl- und Lederhosenträger lassen es derzeit auf dem Cannstatter Wasen krachen. Doch Sauberkeit, Sicherheit und volle Krüge sind keine Selbstläufer. Oft geht es deshalb am Morgen schon früh zu Werke – lange, bevor die Karussells Fahrt aufnehmen.

1.45

Die letzten Nachteulen sind gerade vom Festgelände verbannt worden, da rückt bereits der Reinigungstrupp an. Zehn Mitarbeiter der Abfallwirtschaft Stuttgart kommen mit Besen und Kehrmaschinen. Ein absolutes Muss: der Wasserwagen. „Die ganz prekären Stellen werden abgespritzt“, sagt Uwe Schößling, der Einsatzleiter Wasenreinigung. Was er meint, sind die dunklen Ecken, die Betrunkene gern als wilde Toiletten benutzen oder wo sie sich häufig übergeben. Auf dem Festgelände sind dies vor allem die Flächen hinter den Festzelten. Doch auch rund um den Bahnhof Bad Cannstatt haben die Männer vom Reinigungstrupp alle Hände voll zu tun.

6.00

Wasenbäcker Mirko Kalanjoš flitzt mit seinem Wagen von Hütte zu Hütte. Bis zu 10 000 Artikel werden täglich auf dem Wasen ausgeliefert, die er zuvor in Freiberg am Neckar geholt hat. Renner sind die Brötchen, die etwa zu Wurst und Schnitzel serviert werden, sagt der 47-Jährige. Kalanjoš macht den Job seit 23 Jahren, 1999 hat er das Geschäft übernommen. Das Festplatz-Leben habe man einfach im Blut, schwärmt er. „Es ist zwar stressig, aber es gibt so viel zu lachen.“ Dass er mit seiner Tour bis 9 Uhr fertig sein muss, weil dann aus Sicherheitsgründen nicht mehr geliefert werden darf, findet er okay. „Die Jungen stehen am Wochenende manchmal schon um 7 Uhr vor den Zelten, mit Wodka und Bier. Die achten nicht auf die Autos.“

8.00

Ein Mann mit einem riesigen Gebinde aus Luftballons kommt vorbei. Die Mignons, Bärchen und rosa Einhörner flattern im Wind. „Zu Frau Rudolf“ sollen die Ballons, ruft er – und läuft schnell weiter.

8.10

In der Gasse zwischen den Festzelten Dinkelacker und Schwaben-Bräu geht es Schlag auf Schlag. Eben noch wurden alkoholfreie Getränke ins Lager gebracht, da fährt schon der Metzger aus Sindelfingen vor. „Mal alle Mann raus“, ruft eine Frau ins Zelt. Sofort sind die Mitarbeiter zur Stelle. „Die Schnitzel kommen jetzt“, erklärt sie. Auch Sauerkraut, H-Milch, Schlagsahne und viele weitere Waren warten auf flinke Hände. Vier Millionen Besucher wollen auf dem Wasen verköstigt werden, da gibt es viel zu liefern. „Wir brauchen am Samstag allein 9000 Brötchen-Teiglinge und 3000 Brezeln, die wir hier backen“, sagt Dinkelacker-Wirt Dieter Klauss. Der Biertankwagen komme immer schon in der Nacht.

8.25

Der Putztrupp der Stadt ist fertig, der Dreck weggeräumt. „Morgens sieht es hier manchmal aus wie auf einer Deponie“, so Einsatzleiter Schößling. 13 bis 14 Tonnen Abfall seien an einem Wochenende keine Seltenheit, manchmal stehe man bis zu den Knöcheln im Müll. 2015 seien über die gesamte Zeit rund 56 Tonnen angefallen, und je Tonne entstehen Entsorgungskosten von 219 Euro, die von der Veranstaltungsgesellschaft In Stuttgart getragen werden.

8.30

Eine Mitarbeiterin schrubbt das Kinderkarussell Orient Express. „Der Boden muss glänzen, damit es wie ein Magnet wirkt“, erklärt ihr Chef, Josef Diebold. Staub lege sich leider immer wie ein Mantel über alles. Morgens müssten zudem alle Teile gewartet werden, die sich drehen. „Das Schönste ist, wenn Kinder in Tränen ausbrechen, weil sie unbedingt noch einmal fahren möchten“, sagt Diebold schmunzelnd.

9.00

Um den Hals von Sorin Ibasfalean hängt ein großer gelber Kasten, eine Art Pult. Damit steuert er das Riesenrad Expo-Star. „Wir müssen jeden Tag alle wichtigen Teile kontrollieren“, erklärt der 40 Jahre alte Vorarbeiter. Dazu gehören die acht Antriebsmotoren, die mit 60 Bar Druck ans Kranzeisen gepresst sein müssen, um den fast 60 Meter großen und rund 430 Tonnen schweren Koloss in Bewegung zu setzen – außerdem die Spannseile, Bohlen und natürlich die Gondeln. Von Zeit zu Zeit werden Lämpchen ausgetauscht und Teile geölt. Immer wenn der Vorarbeiter das Rad stoppt, huschen Kollegen in die erreichbaren Gondeln und putzen in Windeseile die Scheiben. Jeden Morgen um 9 Uhr stünden die Jungs parat, egal wie lange der Betrieb am Vortag lief und wie viele Störungen es in der Nacht gab, erklärt Chefin Ariane Bruch. „Es gibt leider immer mal wieder Leute, die meinen, eine Mutprobe machen zu müssen.“ Zum Glück hätten sie dafür Security-Leute. Im Hinblick auf Betrunkene sei Stuttgart „ein bisschen grenzwertig“.