Beim Selbstversuch geht die Jagd nach Pokémons querfeldein Foto: Waltraud Daniela Engel

Unsere Mitarbeiter wagen den Selbstversuch und begeben sich auf unbekanntes Terrain. Im Dritten Teil unserer kleinen Serie hat Waltraud Daniela Engel versucht Pokémons zu fangen.

Sonnenberg - Zugeben, es ist schon eine Weile her, als ich das letzte mal virtuell auf der Jagd war: In den frühen neunziger Jahren besaß ich ein Computerspiel auf Diskette, bei dem ich dank meiner Helden in Gestalt von Aro oder Elmi mittels Zahnpastatröpfchen und Zahnbürsten fiese Karies- und Parodontosemonster jagte. Gute 20 Jahre später wage ich nun den Selbstversuch – mit dem Smartphone in der Hand und Turnschuhen an den Füßen bewaffnet, geht es nach draußen um Pokémons in Sonnenberg, Möhringen und auf dem Fasanenhof zu fangen.

Pokémons – für alle die der Pubertät entwachsen sind – sind Fantasiewesen, die das erste Mal 1996 in einem japanischen Computerspiel, später auf Spielkarten und einer Fernsehserie aufgetaucht sind. Die kleinen Monster kann man sammeln, züchten, trainieren und gegeneinander kämpfen lassen. Seit Anfang Juli der Niantic-Spielekonzern Pokémon-Go veröffentlicht hat, bei dem die Spieler zum Fangen der Pokémons das heimische Sofa verlassen und mit dem Smartphone in die reale Welt gehen müssen, ist ein regelrechter Hype ausgebrochen.

Nachdem der Akku aufgeladen ist, geht es los. Die App ist schnell herunterladen. Jegliche Datensicherheitsbedenken sollte man über Bord werfen, da man neben GPS, den Kontakten, den Fotos, der Handykamera, dem Geburtstag auch noch sein Googlekonto preisgeben muss. Ein hipper Professor, der wie eine Mischung aus Indiana Jones und einem koreanischen Popstar aussieht, leitet Neulinge wie mich durch das Tutorial, damit ich mir einen Avatar basteln kann, der sich für mich später auf der Landkarte bewegen wird. Da auch ein virtueller Jäger einen Namen braucht, versuche ich es mit „Versuchskaninchen“, „Filder-Zeitung“, „DerTester“ und lande schließlich bei „FINjagt“.

Raus in die wirkliche Welt

Quasi um zu üben, taucht mein erstes Pokémon schon im Treppenhaus auf. Durch Vibration macht sich „Mautzi“ bemerkbar. Das katzenähnliche Wesen soll nun nach Angaben des Tutorial-Professors mit einem Ball abgeworfen werden. Da ich im realen Leben schon nicht viel mit Ballsport am Hut habe, gestaltet sich dieser Teil als knifflig. Fünf Bälle später ist mein erstes Pokémon mein Eigen und wird sofort in meinem Pokédex aufgelistet – einer Art virtuellem Lexikon. Selbstverständlich mit allen möglichen technischen Daten. Wie schwer, wie groß, wie selten.

Na dann mal los in die wirkliche Welt, wo an jeder Ecke plötzlich Pokémons auftauchen können. Ein guter Tipp von meinem Mann lautet: Erst mal Bälle organisieren. Dazu muss ich einen sogenannten Pokéstop aufsuchen. Praktisch, dass direkt vor der Haustüre an der Kirche im Sonnenberg einer liegt. Tatsächlich sind diese Stopps immer „Sehenswürdigkeiten“ oder bauliche Besonderheiten. Auf meiner Jagd bekomme ich Bälle bei diversen Kirchen, zahllosen Stadtbahnhaltestellen, Brunnen oder Kleindenkmälern. Netterweise wird in der Regel den unwissenden Sammlern, die den Blick nicht mehr vom Smartphone heben, auch noch erklärt, wo sie sich gerade befinden.

Von der Kirche geht es Richtung Schwimmbad. Das Vibrieren erschrickt mich. Ein „wildes Habitak“ (eine orangefarbene Taube) taucht auf. Und ich frage mich, wie wohl ein zahmes „Habitak“ aussieht. Vier Bälle später ist auch dieses im Pokédex. Über die Felder geht es nach Möhringen. Offensichtlich leben die wilden Pokémons eher in der Ortschaft als auf der Strecke. Bis zur Holdermannstraße begegnet mir kein einziges Tierchen. Dafür ist die Aufzugsmusik, die mich begleitet, bereits zum Ohrwurm geworden.

In Richtung Filderbahnstraße in Möhringen wird es belebter: Ich fange zwei „Rattfratz“ (kleine lila Ratten) und ein „Hornilu“ (grüne Raupen). Vor dem Spitalhof geht mir sogar ein gelbes „Kokuna“ ins Netz. Was auch immer man mit einer gelben Larve so anstellen kann. An der Martinskirche kann man neben Bällen auch ein „Habitak“ fangen. Dadurch, dass die vogelähnlichen Wesen „fliegen“ können, wird das Sammeln für mich zur Nervenprobe.

Nächstes Ziel ist die Arena

Um ein bisschen abzukürzen, fahre ich bis zum Europaplatz mit dem Bus – und habe Glück. Schon im Bus erscheint ein Wesen, beim Aussteigen gleich drei weitere. Dabei ist sogar eine Krabbe. Wo auch immer die herkommt. Nach dem Fang ernte ich eine Medaille. Je mehr Pokémons man fängt, in ein desto höheres Level steigt man auf. Ab Level Fünf kann man in die Arena und sein bestes Pokémon gegen andere kämpfen lassen.

Zu Fuß geht es weiter Richtung Bonhoefferkirche. Auch hier fange ich zwei „Rattfratz“ und beschließe Richtung Sonnenberg die Bahn zu nehmen. Meine Jagd dauert schon fast drei Stunden und der Akku macht bei der Dauerbelastung langsam schlapp. An der Haltestelle Sonnenberg kann ich noch ein plüschiges „Evoli“ fangen.

Da ich nun genug Pokémons beisammen habe, darf ich in die Arena. Die nächst gelegene ist an der evangelischen Kirche. Dort angekommen, muss sich jeder Spieler für ein Team entscheiden: Intuition, Weisheit und Wagemut. Ich versuche mein Glück im Team Wagemut. Letzterer verlässt mich allerdings, nachdem „Betreten“ der Arena. Mein Gegner, vermutlich auch ein anderer Jahrgang als ich, 2003Rose, hat 1681 Kampferfahrungspunkte. Meine Punkte liegen im nicht messbaren einstelligen Bereich.

Zeit die virtuelle Welt mit erhobenem Haupt zu verlassen. Mein Fazit nach drei Stunden Jagd auf Pokémons: Kann man mal machen, muss man aber nicht.