Wenn Renate Schanz mit den alten Wälzern fertig ist, muss man nicht mehr befürchten, dass sie demnächst auseinander fallen und schön sehen sie dann auch wieder aus. Das rote Hochzeitskochbuch rechts vorne hat sie für Privatleute gestaltet. Foto: Ines Rudel

Das Handwerk hat einen goldenen Boden, heißt es. Doch viele einst weitverbreitete Berufe sind inzwischen selten geworden. Andere waren hingegen schon fast ganz von der Bildfläche verschwunden, erleben jetzt allerdings wieder eine Renaissance.

Göppingen - Eigentlich wollte Renate Schanz nach der Schule, wie so viele andere junge, kreative Menschen, Grafikdesign studieren. „Aber dann bekam ich von einem Bekannten den Tipp, mir mal den Beruf des Buchbinders anzuschauen“, erzählt die 54-Jährige heute. Da sei viel Kreativität und Gestaltung gefragt und doch sei das ganze in ein solides Handwerk eingebettet, meinte der Bekannte. Der Rat war Gold wert. „Ich habe am Hauptstaatsarchiv in Stuttgart meine Ausbildung gemacht. Das war klasse, weil man da gleich das Restaurieren mitlernte“, erzählt sie.

Nach mehr als 30 Jahren im Beruf ist die Buchbindemeisterin, die einige Jahre lang auch den Buchbindernachwuchs der Region in Stuttgart unterrichtete, immer noch glücklich mit ihrer Wahl – auch wenn das solide Handwerk von damals heute immer weniger Menschen ausüben. Das Unterrichten hat Schanz vor Jahren an den Nagel gehängt, weil es kaum noch jemanden gab, den sie hätte unterrichten können.

Zu den Kunden gehören Privatleute und Sammler

Ihr selbst geht indes die Arbeit nicht aus. Schließlich gibt es genügend Privatleute, die Schätze aus ihrer Kindheit oder von Omas Dachboden repariert haben möchten, von der Familienbibel bis zum alten Kinderbuch mit Tiergeschichten oder Großmutters Lieblingskochbuch, das mit den Jahren zerfleddert ist. Da sind die Sammler, die sich von Schanz die detailgetreue Wiederherstellung seltener Schriften wünschen oder auch mal ein ganz individuelles neues Werk mit raffiniertem Ledereinband oder Goldbesatz. Und dann gibt es noch öffentliche Einrichtungen wie Musseen und Archive, die sich immer mal wieder mit ihren Patienten an die Buchbinderin wenden. Mal ist ein Buchrücken gebrochen, mal lösen sich Seiten, mal muss das Papier selbst von Flecken und anderen Schäden befreit werden.

Zwei Drittel ihrer Arbeit bestünden aus dem Reparieren, zu einem Drittel gestalte sie neue Bücher, erzählt Schanz. Ihre Arbeit verrichtet sie in ihrer Werkstatt in Hohenstaufen, wo sie seit neun Jahren lebt, mit dem Gerät, das Buchbinder seit jeher verwenden: In ihrer Werkstatt stehen alte Pressen, ein Schneidetisch und unterschiedlichste Spatel bereit. Außerdem verfügt sie über ein großes Materiallager mit Leder, Stoffen und natürlich Papier. „Ich habe viele alte Gewebe, damit man die Reparatur später nicht sieht“, sagt sie.

Große Bandbreite bei der Gestaltung neuer Bücher

Kreativ wird es immer dann, wenn sich Schanz an neue Bücher und Mappen macht. Zu ihren Kunden gehören Sammler, die sich besondere Einbände für Erstausgaben wünschen, Fotografen und andere Kreative, die bei ihr besonders ausgefallene Mappen bestellen, um ihre Arbeiten zu präsentieren, aber auch Privatleute, die sich ein besonderes Erinnerungsstück wünschen, etwa zur Hochzeit oder Geburt eines Kindes.

Für ihre Kunden hat sie schon Schmuckschatullen aus Leder gemacht, Buchrücken von Hand vergoldet, Kassetten mit Elfenbeinverschlüssen versehen. . . „Die Bandbreite der Möglichkeiten ist riesig“, erzählt die Buchbindermeisterin. Und genau diese Vielfalt mache ihr bei der Arbeit bis heute am meisten Spaß.

Obwohl sie ihren Job als Berufsschullehrerin wegen des Nachwuchsmangels schon vor Jahren aufgegeben hat, unterrichtet Schanz bis heute immer wieder. Denn es gibt genügend Privatleute, die Papier als Thema für ihre Freizeit entdeckt haben. Ihnen bringt Schanz in Kursen und Workshops bei, wie man Bücher ohne Klebstoff basteln kann, sogenannte Faltbücher. Hauptberufliche Buchbinder wie sie selbst gebe es hingegen inzwischen deutlich weniger als früher, berichtet Schanz. „Unser Handwerk stirbt leider scho a bissle aus.“