Im Süden gehören Blaskapellen, Truba ´c i genannt, zu jeder Familienfeier. Foto: Sturmhoebel

Von Belgrad, Novi Sad und der Donauregion hat man schon gehört. Doch das serbische Hinterland ist der vielleicht bestgehütete Geheimtipp.

Brus - Serbische Bohnensuppe würde es geben, hatte Ružica verraten. Doch zunächst serviert Petja Gastfreundschaft, so wie es in Serbien üblich ist, wenn Freunde zu Besuch kommen, und reicht ein Tablett mit Slatko herum, süßen eingelegten Früchten, und ein Glas Wasser dazu. Danach schenkt er selbst gemachten Rakija aus. In diesem Fall einen Quittenbrand, was nicht verwundert, denn im großen Garten biegen sich die Äste der Obstbäume schon unter der Last der gelben Früchte. „Živeli!“, prostet er seinen Gästen zu.

Das heiße so viel wie „Lasst uns leben!“, erklärt Ružica, die Reiseleiterin. Der Gastgeber bittet zu Tisch. Vorweg gibt es Tomaten- und Krautsalat, Schafskäse, Brot und natürlich Ayvar, eine Gemüsepaste aus Auberginen und Paprika, die zu keinem Essen fehlen darf. Danach kommt die versprochene Bohnensuppe mit geräucherten Rippchen. Und zum Schluss Apfelstrudel und zur Verdauung ein Slivovic. Petja Djordjevi ´c hat lange Zeit als Barkeeper in Dubrovnik gearbeitet, 1990 ging er nach Serbien in sein Heimatdorf zurück.

„Aber nicht wegen des Krieges“, betont der 58-Jährige. In seinem Elternhaus in der Nähe von Brus betreibt er zusammen mit seiner Frau Zorica ein Gästehaus mit sechs Apartments. Gekocht wird auf Bestellung. Irgendwie kommt man in Serbien immer auf den Krieg zu sprechen. Die Erinnerung, als sich der Balkan häutete und Jugoslawien auseinanderbrach, ist in den Köpfen noch präsent. Miloševi ´c , Mladi ´c und Karadži ´c haben den Ruf der Serben ruiniert.

Essen und Musik sind Grund genug für einen Besuch

Nun möchte das Volk endlich wieder Anschluss finden in Europa. „Wir brauchen endlich im Land eine Perspektive“, bekräftigt Ružica. „Die Agonie muss aufhören.“ Das Essen ist schon mal ein guter Grund, Serbien als Reiseland auszuprobieren. Die Musik auch. Ružica hat eine CD-Sammlung dabei, die sie im Reisebus vorführt. Gerade dröhnt „Turbo Dizel!!!“ aus den Lautsprechern. Fetzige Gipsy-Musik des Blasorchesters Boban & Marko Markovi ´c . Wer während der Fahrt eingenickt war, ist jetzt hellwach. Kaum jemand aus der Reisegruppe war schon mal in Serbien, obwohl Belgrad nur ein bis zwei Flugstunden entfernt ist.

Keiner hatte je von dem Geschlecht der Nemanjiden gehört, das 200 Jahre lang das mittelalterliche Großserbische Reich beherrschte. Oder von Fürst Lazar, der 1389 das Heer in die Schlacht auf dem Amselfeld führte und von den Türken geköpft wurde. Geschweige denn von Stevan Mokranjac, dem bedeutendsten Komponisten Serbiens. Auch Slobodan nicht. Vor 30 Jahren kam er als Siebenjähriger mit seinen Eltern nach Deutschland und unternimmt das erste Mal eine Rundreise durch seine fremde Heimat. Seine Familie stammt aus der Vojvodina, einer topfebenen Region im Nordwesten Serbiens. „Stell dich auf einen Kürbis und du siehst Wien“, wird dort gern gekalauert.

Für die Reisebuch-Profis von „Lonely Planet“ rangiert Serbien unter den Top Ten der Reiseländer 2015. Tatsächlich hat der EU-Beitrittskandidat mittelalterliche Klöster, mächtige Festungen, prähistorische Ausgrabungen und römische Ruinen im Gepäck. Auch die Natur zwischen Donau und zum Grenzgebirge zu Kosovo ist großartig. Etwa die Uvac-Schlucht im Westen Serbiens, mit mehr als 100 Nistpaaren die größte Gänsegeier-Kolonie des Balkans. Die Dörfer sind proper, die Straßen in gutem Zustand. Am Wegesrand sitzen Bäuerinnen hinter Bergen von Wassermelonen, Kürbissen, Zwiebeln und Tomaten, die seit der Habsburger Zeit „Paradeiser“ heißen.

Durchschnittliches Nettoeinkommen von 390 Euro

Paprikaschoten werden säckeweise verkauft. Allein für das stundenlange Einkochen von Ajvar wird jede Menge benötigt. Serbiens Wirtschaft liegt hingegen am Boden. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von durchschnittlich 390 Euro müssen die Serben sehen, wie sie über die Runden kommen. In Kruševac versucht das eine Zigeuner-Truppe mit Pauken und Trompeten. Vor der Lazari ´c a-Kirche versetzt die Blaskapelle eine Hochzeitsgesellschaft in Stimmung, und die meisten belohnen den musikalischen Einsatz mit einem Dinar-Schein, der in die Tuba gestopft wird. Im Süden sind diese Truba ´c i auf Familienfeiern nicht wegzudenken.

Die Winzer in der Negotiner Krajina, im Osten oberhalb der Flüsse Donau und Timok, können froh sein, dass ihre Vorfahren so klug waren und in der Nähe ihrer Dörfer eigene Siedlungen für ihre Weinkeller angelegt hatten. „Pimnice“ nennen sich diese einzigartigen Weindörfer, in deren Häusern Weine gekeltert und gelagert, aber auch Feste gefeiert wurden. Lange gerieten die Weinorte in Vergessenheit und verfielen. Inzwischen wurden viele restauriert, das Geschäft floriert.

Das Pimnice von Rajac entstand ab Mitte des 19. Jahrhunderts. In einem der alten Natursteinhäuser betreibt Marijana Floricelovic eine Vinothek. Eigentlich war dort nur eine Weinprobe vorgesehen. Doch dann wird ordentlich ausgeschenkt und aufgefahren mit eingelegten Paprika, gefüllten Weinblättern und Cevapcici. Dazu bläst ein Musiker Balkanweisen auf der Duduk, der traditionellen Flöte. „Živeli!“, ruft die Gastgeberin und hebt erneut das Glas. „Ja“, ruft Slobodan, „lasst uns leben!“

Infos zu Serbien

Anreise
Zum Beispiel mit Lufthansa ( www.lufthansa.com ) von Stuttgart über München nach Belgrad ab 200 Euro hin und zurück. Germanwings ( www.germanwings.com ) fliegt nur zwischen Ende Juli bis 10. September nach Belgrad für etwa 250 Euro.

Unterkunft
Hotel & Spa Idila, Jovanke Jeftanović8, 31315 Zlatibor, DZ ab 90 Euro, www.hotelidila.com

Vila Dordevic, 37220 Brus/Ribare, DZ um 14 Euro. VP etwa 14 Euro, www.viladjordjevic.rs

Veranstalter
Pauschal: Wikinger Reisen ( www.wikinger.de ) hat zwischen Ende Mai und Ende September fünf 15-tägige Wanderstudienreisen nach Serbien im Programm ab 1598 Euro mit Flug und Verpflegung.

Ikarus Tour ( www.ikarus.com ) bietet eine elftägige Studienreise ab 1890 Euro an. Allgemeine Infos Iwww.serbia.travel

Musikfestival
„Exit“ vom 9. bis 12. Juli auf der Festung Petrovaradin bei Novi Sad. Schwerpunkt liegt auf Rockmusik und elektronischer Musik. www.exitfest.org/en

Das Trompetenfestival in Guca, das größte seiner Art in Europa, vom 3. bis 9. September. Zudem mit vielen spontanen, unverstärkten Auftritten auf Straßen, in Gaststätten und Bierzelten, www.guca.rs/ger

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sich in Städten rechtzeitig mit Bargeld eindecken. In den Dörfern der Provinz sind Geldautomaten und Wechselstuben (Mengacnica) eher selten.

Auf keinen Fall in Klöstern munter drauflosfotografieren. In vielen Anlagen ist das von den Nonnen und Mönchen unerwünscht.