Weißes Haus im Schnee. Foto: Verlag

Ein Besuch beim Sellmer-Verlag hinterlässt Spuren: Sternenstaub an Händen und Kleidung. Denn aus diesem Haus gehen jährlich mehrere Millionen Adventskalender in die ganze Welt. Funkelnder Glimmer ist da unverzichtbar, wie sollte sonst der Schnee auf den Kalendern glitzern.

Stuttgart - Advent, Advent: Die Zeit des Wartens ist angebrochen, am Samstag darf das erste Türchen am Adventskalender geöffnet werden. Vielleicht auch im Weißen Haus in Washington? Mit Sicherheit! Denn Präsident Barack Obama hat gleich nach seiner Wiederwahl Post aus Stuttgart-Rohr bekommen: Einen Adventskalender mit biedermeierlichem Szenario vor dem White House. „Nun warten wir natürlich auf eine Postkarte, vielleicht sogar mit persönlicher Unterschrift“, hofft Annette Sellmer. Da sei man verwöhnt, versichert die Marketingchefin des gleichnamigen Verlages: Schon die früheren US-Präsidenten Eisenhower und Nixon posierten vor der Kamera mit den Kalendern aus Germany, und Bill Clinton schickte einen persönlichen Dank.

„Wir sind der einzige Verlag in Deutschland, der sich ausschließlich auf die Herstellung von Adventskalendern spezialisiert hat“, versichert Annette Sellmer und breitet eine kleine Auswahl aus dem riesigen Auf-lagen-Repertoire von 66 Jahren aus: Darstellungen von romantischen Kleinstadt-Idyllen mit Fachwerkfassaden, dörfliche Szenerien, eine Spielzeugeisenbahn, ein Karussell. Kinder gehören immer aufs Bild. Tiere auch. Und natürlich Weihnachtsbäume. Zum Aufhängen oder zum Aufstellen mit ausklappbaren Kulissen wie das Motiv von der Brücke in Calw oder die Ansicht vom Schillerplatz. „Wir haben immer an die 120 Motive, darunter jedes Jahr 10 bis 15 neue und immer auch Re-Prints.“ Alles vom ersten bis zum letzten Arbeitsgang „made in Germany“. Freie Grafiker liefern die Motive.

Erfindung aus Schwaben

Der Verlag ist ein reines Familienunternehmen, geführt von Annette Sellmers Mann Frank zusammen mit seinem Bruder Oliver in dritter Generation. Für die vierte Generation ist gesorgt, und „irgend eines von den insgesamt fünf Kindern wird hoffentlich einsteigen“, baut Annette Sellmer auf Traditionsbewusstsein.

„Der Verlag wurde direkt gegenüber gegründet“, erzählt Frau Sellmer. Das war 1946. Da kam Richard Sellmer, Drogist und Zigarrenhändler, aus dem zerbombten Berlin zu seinen Verwandten in diese stille Straße am Waldrand. Ratlos, wie er sich und seiner Familie wieder eine Existenz schaffen solle, griff er den Rat auf, es mit Adventskalendern zu versuchen. Im Wohnzimmer entstand das erste Motiv „Meine kleine Stadt“, das Richard Sellmer auf einer Messe in Frankfurt präsentieren wollte. Und da sei ihm ein Amerikaner über den Weg gelaufen, der sofort ganz wild drauf war. Das Produkt habe in Deutschland, England und den USA „eingeschlagen wie eine Bombe“.

Nicht nur die Weihnachtstanne ist eine deutsche Erfindung, auch der Adventskalender ging von hier aus in die Welt. Sogar aus Schwaben. Der evangelische Pfarrer und Druckereibesitzer Gerhard Lang aus Maulbronn habe, so Annette Sellmer, als erster im Jahr 1904 farbige Zeichnungen gedruckt, die auf einen mit Zahlen von 1 bis 24 versehenen Pappkarton geklebt werden konnten.

Im Januar und Februar werden alle Motive für 2013 auf Messen präsentiert

Längst ist der Verlag mit zehn Angestellten und einem Verkaufsbüro in England global aufgestellt und liefert weltweit in 30 Länder, sogar nach Saudi-Arabien. Die Japaner seien ganz verrückt danach. Und die Engländer, verrät Frau Sellmer, bevorzugen religiöse Motive wie die Heiligen Drei Könige vor dem Stall von Bethlehem oder eine stilisierte Ansicht von Jerusalem. Mit Palmen und orientalischer Pracht. Weil diese Motive von den Originalschauplätzen der Weihnachtsgeschichte in Deutschland verschmäht werden, sind die dazu passenden Bibeltexte hinter den Türchen in Englisch.

Wenn andere in Weihnachtsstress geraten, kehrt im Verlag adventliche Ruhe ein. „Aber schon im Januar und Februar präsentieren wir alle Motive für 2013 auf Messen, und im März geht der Versand nach Übersee los“, widerspricht Annette Sellmer der Vermutung, hier gehe es um ein Saisongeschäft.

Und wie kommt der Glitzer auf den Adventskalender? „Mit Hilfe dieser Maschine“, präsentiert Frau Sellmer eine sinnreiche Erfindung ihres Schwiegervaters mit Förderband, Walzen für Klischees und Klebstoff und dem Behälter für die flüchtigen Glanzpartikel. Darum funkelt es überall ein wenig in dieser Filiale des Christkinds.