Selfie-Stick Foto: dpa

Könnte es sein, dass Menschen nur reisen, um Fotos von sich selbst zu machen? Selfie-Sticks helfen bei der Selbstaufnahme - sind aber nicht überall erlaubt.

An einem sonnigen Spätsommertag im vergangenen Jahr versuchte ein deutsches Urlauber-Paar, eine asiatische Reisegruppe auf der Prager Burg zu überholen. Ein Ding der Unmöglichkeit. In der engen Gasse wogte die Menschentraube mal hin und mal her. Immer stand gerade jemand im Weg. Die beiden gaben ihr Vorhaben also auf und ließen den Menschenschwarm vor ihnen ziehen. Dabei entdeckten sie, dass nicht nur der Reiseleiter einen bunten Wimpel an einer Teleskopstange in die Höhe hielt, sondern etliche Gruppenmitglieder ebenfalls dünne Stangen mit sich trugen. Waren das ultraleichte Wanderstäbe für fußlahme Touristen? Nein, am Ende der Stangen waren unverkennbar Smartphones befestigt. War das sicherer, als sie in der Tasche zu tragen? Waren das mega- moderne Handys mit Solarakkus ?


Das Phänomen Selfie-Stange ist nicht über Nacht entstanden

Wenig später war klar, welchen Zweck diese Selfie-Stangen erfüllten: Vor dem Veitsdom reihten sich die Besucher aus dem Fernen Osten in Gruppen, Grüppchen und Paare auf, einer hielt jeweils die Stange mit dem Handy in Position, und dann machte es „klick“, fertig war das Selfie mit der Kirche im Hintergrund. Keine Verrenkungen, weil der Arm zu kurz ist, kein störender Arm im Bild. Praktisch ist so ein „Selfie-Stick“ schon. Praktisch in Zeiten, in denen sich jeder zuerst in Positur wirft, um dann zu Selbstdarstellungszwecken auf den Auslöser zu drücken. Seht her, hier stehe ich, das mach ich, so toll bin ich. Kein Wunder, dass besonders viele Single-Reisende dieses Gerät für sich entdeckt haben. Damit können sie sich vor Sehenswürdigkeiten fotografieren, ohne jemanden um Hilfe bitten zu müssen. Nicht ohne Grund spricht die angelsächsische Presse gerne auch von „Narcissi-Stick“, einer Wortkombination aus Narzissmus und Stange. Das Phänomen Selfie-Stange ist nicht über Nacht entstanden. Einen teuren Vorgänger ließ der Kanadier Wayne Fromm bereits 2005 als „Quickpod“ - ein Jahr vor Twitter und zwei vor dem iPhone - patentieren. Die Idee dahinter: ein leichtes, ausziehbares Stativ für die Kamera. Dass diese Idee nun ihren Durchbruch erlebt, ist dem Selfie-Hype und den für technische Spielereien offenen Asiaten zu verdanken. Die haben sofort begriffen, wofür sich die auf bis zu 1,50 Meter ausziehbare Teleskopstange mit der Handyhalterung und der Bluetooth-Technik verwenden lässt.
 

Auch in den USA werden die Armverlängerer aus Aluminium immer beliebter

Und ihnen ist es auch nicht peinlich, damit herumzulaufen. Auch in den USA werden die Armverlängerer aus Aluminium immer beliebter. Die „New York Times“ klagte Endes des Jahres, dass man Times Square oder Rockefeller Plaza kaum betreten könne, ohne von diesen Teleskopstöcken belästigt zu werden. Zugleich avancierten Selfie Sticks zu einem der beliebtesten Weihnachtsgeschenke in den Vereinigten Staaten. Und während technische Gadgets in der Regel von ganz jungen Leuten angenommen werden, gehört der Selfie Stick zu den Geräten, die offenbar generationenübergreifend Akzeptanz, vor allem bei Familien, gefunden haben. Gar nicht geschätzt werden dagegen die neuen Selfie-Stangen in den Museen. Weltweit gehen immer mehr Institutionen dazu über, sie in ihren Räumen zu verbieten. So geschehen bereits beim Museum of Modern Art in New York, dem Getty Museum in Los Angeles und der National Gallery in Washington. Auch die 19 Museen, die von der Smithsonian Institution in Washington gemanagt werden, haben sich gerade gegen die Selfie Sticks ausgesprochen.
 

Selfie-Stangen könnten als Waffen missraucht werden

Während die Pariser Museen noch überlegen, ob sie die Selfie-Stangen aus ihren Ausstellungsräumen verbannen sollen, erlaubt die Londoner Tate Modern das technische Accessoire in seinen öffentlichen Räumen, nicht aber in Ausstellungen, die Eintritt verlangen. Wenig Diskussion gibt es in den meisten deutschen Museen. Die drei Münchner Pinakotheken haben die Selfie-Stange verboten. Und auch die Staatlichen Museen zu Berlin, zu denen unter anderem die Nationalgalerie gehört, lassen keine Besucher mit diesen Aluminiumstecken in die Ausstellungen. Dazu müssen auch nicht neue Vorschriften erlassen werden. Stattdessen verhält es sich mit den dünnen Teleskopstangen ähnlich wie mit Regenschirmen: „Es gibt Sicherheitsbedenken, weil sie als Waffen missbraucht werden könnten“, erklärt ein Sprecher des Besucherzentrums der Staatlichen Museen zu Berlin zum Thema, „ganz abgesehen davon, dass Werke beschädigt werden könnten.“