Seit 1975 gilt eheliche Untreue in Frankreich nicht mehr als strafrechtliches Vergehen Foto: dpa-Zentralbild

Eine Internetseite für Seitensprünge sorgt in Frankreich für Furore. Anzügliche Anzeigen für Ehebruch, das ist einigen Franzosen dann doch zu viel des Guten.

Paris - Mit einem Seitensprung wieder etwas Würze in die eingeschlafene Beziehung zu bringen – das verspricht die Partnerbörse Gleeden.com, die auf die Vermittlung außerehelicher Abenteuer spezialisiert ist und diesen Service auch in Deutschland anbietet. In Frankreich, wo die Partnerbörse eigenen Angaben zufolge eine Million Mitglieder zählt und täglich 2500 neue hinzukommen, hat sie nun eine massive Kampagne in öffentlichen Verkehrsmitteln gestartet – mit der Zusicherung von „hundertprozentiger Diskretion“. „Im Gegensatz zu einem Antidepressivum kostet ein Liebhaber die Sozialversicherung nichts“, heißt es auf den Plakaten. Damit bringt sie die Vereinigung konservativer katholischer Familienverbände AFC gegen sich auf. Diese klagt gegen das US-Unternehmen Black Divine als Herausgeber der Internet-Plattform, weil diese „öffentlich Werbung für Doppelzüngigkeit, Lüge und Gesetzesbruch“ mache.

Seit 1975 gilt eheliche Untreue in Frankreich nicht mehr als strafrechtliches Vergehen, doch laut Bürgerlichem Gesetzbuch „schulden sich Eheleute gegenseitigen Respekt, Treue, Hilfe und Beistand“. Untreue könne „Familiendramen“ nach sich ziehen, erklärt AFC-Anwalt Henri de Beauregard. Ihm zufolge verstoßen die Verträge zwischen Gleeden und seinen Mitgliedern gegen französisches Recht, „weil sie auf der Bewerbung illegaler Verhaltensweisen beruhen“.

Denn im Internet ist der Seitensprung schnell ausgemacht. Die Mitglieder der Partnerbörse, die auch private Bilder von sich online stellen, können auf zwei Arten miteinander Kontakt aufnehmen: via Direkt-Chat oder durch eine persönliche Nachricht im Postfach. Um anderen Nutzern eine Entscheidungshilfe zu bieten, können die Mitglieder einander im Anschluss bewerten, ganz nach dem Motto: War das Treffen sehr angenehm oder doch eher enttäuschend?

Die Online-Plattform erklärte nun, selbst juristisch gegen die versuchte „Zensur“ vorgehen zu wollen: „Muss sich ein Land wie Frankreich, das mit Leib und Seele die Laizität und Meinungsfreiheit verteidigt, seine Gesetzgebung von einer Gruppe konservativer und rückwärtsgewandter Individuen vorschreiben lassen?“ Man wehre sich gegen ein „Diktat mit dem Ziel, die eigenen Überzeugungen allen aufzubürden“, und die „Instrumentalisierung der Justiz“: Diese habe bei zivilrechtlichen, nicht aber bei moralischen Fragen zu entscheiden.

„Wir verpflichten niemanden zum Seitensprung, sondern bieten lediglich eine Dienstleistung an“, argumentiert Gleeden-Sprecherin Solène Paillet und verweist darauf, dass die Werbe-Aufsicht die Kampagne zugelassen habe. Tatsächlich fühlen sich aber viele Nutzer der französischen Busse, Untergrund- und Regionalbahnen gestört von den anzüglichen Anzeigen. Mehr als 23 000 Personen haben eine Petition gegen die „skandalöse Werbung“ an französische Verkehrsmittelbetreiber unterschrieben.

In Nantes wurden 20 Gleeden-Plakate abgerissen. Unter dem Motto „Treue steht nicht zum Verkauf“ reichten rund 170 Parlamentarier eine Beschwerde gegen „die öffentliche Bewerbung von Ehebruch“ ein, die fundamentale republikanische Werte verletze. In mehreren Orten im Großraum Paris wie Poissy, Rambouillet und Versailles hat Keolis, Tochterunternehmen der Staatsbahn SNCF, auf Kritik der Bürgermeister hin die Anzeigen wieder entfernt, um „den Erwartungen der Reisenden zu entsprechen“: Gehen üblicherweise 900 Beschwerden pro Jahr ein, seien es wegen der anzüglichen Anzeige nun 500 in einer einzigen Woche gewesen.

Dabei zählt die Geliebten-Vermittlungsbörse ausgerechnet in Versailles, wo besonders viele konservative Katholiken wohnen, zahlreiche Anhänger: Gleeden zufolge sind dort elf Prozent aller Verheirateten angemeldet. Nur in vier französischen Städten werde mehr betrogen – in Paris sollen es einer Umfrage zufolge sogar 52 Prozent der Verheirateten sein. Zumindest sie dürften sich von den koketten Werbeslogans angesprochen fühlen: „Wer treu bleibt, betrügt sich manchmal selbst am meisten.“