Der Schreibfehler ist kein Zufall. Wer normal mit h schreibt, ist

Der Schreibfehler ist kein Zufall. Wer normal mit h schreibt, ist eben nicht dämlich, sondern clever. Und er hat eine klare Botschaft: Wir lassen uns vom Establishment nichts diktieren. Schon gar nicht unseren Bandnamen - wie bei der Winnender Punkband Normahl, der dienstältesten Combo ihrer Sparte.

Von Dirk Herrmann

STUTTGART/WINNENDEN. Es begann 1978, im Stuttgarter Karls-Gymnasium, vor 40 Zuhörern. Und sie waren Pioniere, Pioniere des Punk in Deutschland - und das im zarten Alter von 13 und 14 Jahren. Es ging ab damals im Publikum. Schubsen und rempeln, woraus der seinerzeitige Tanzstil namens Pogo eben bestand, waren die richtigen Ausdrucksweisen für echte Rebellen. Normahl hatte nur vier Lieder im Repertoire, die wurden dann halt dreimal hintereinander gespielt, ohne dass das sonderlich auffiel. Und weder die tobenden Besucher noch die lärmenden Jungspunde auf der Bühne dachten damals, dass sich aus den bescheidenen Anfängen eine Erfolgsgeschichte entwickeln würde.

"2500 Auftritte, mindestens 25 000 Biere und ein Dutzend Tonträger", dies ist die Bilanz nach mehr als drei Jahrzehnten, sagt Lars Besa. Der 45-jährige Sänger ist einziges aktives Gründungsmitglied und hat zudem die meisten der insgesamt rund 150 Normahl-Songs geschrieben - Lieder wie "Biervampir", "Durst", "Gegen den Wind gepisst" oder "20 Halbe". Ganz klar: Der Gerstensaft hat in der Bandgeschichte eine nicht ganz unwesentliche Rolle gespielt.

Doch als reine Spaß-Punk-Combo hat sich Normahl nie gesehen. Als "Provokateur aus Überzeugung" hat sich Besa einmal bezeichnet. Man habe halt gegen alles Bestehende revoltiert, gegen Spießer, Hippies und Popper, gegen Skinheads und eben gegen die Staatsgewalt. Was sich nicht zuletzt an der langen Geschichte der Duelle zwischen den Bandmitgliedern und der Polizei zeigt. "Haut den Bullen auf die Stullen", sang er im Anschluss an eine dieser Begegnungen. "Wir haben einige Aktenordner bei der Winnender Polizei gefüllt", sagt Besa, der heute noch in seinem Heimatort Leutenbach nahe Winnenden lebt.

Andererseits: "Wir waren jung, und wir haben uns halt an Sachen aufgegeilt, die man heute locker an sich abperlen lassen würde." Der letzte Zoff mit der Polizei liegt sechs Jahre zurück - der allerdings sogar ins Waiblinger Amtsgericht führte, wo die seinerzeitige Schubserei im Anschluss an eine Alkoholkontrolle vom Richter mit 1800 Euro Geldstrafe geahndet wurde. "Seitdem war nichts mehr", versichert Besa, "ich kusche zwar immer noch nicht vor der Staatsmacht, aber man macht ja doch einen gewissen Reifeprozess durch."

Diese Entwicklung war es wohl auch, die das künstlerische Spektrum auch mal in eine andere Richtung lenken sollte. Erste Idee: "eine Art Punk-Musical." Doch singen, tanzen, schauspielen, dazu noch wuchtige Kulissen, "die hätten wir mit drei Trucks durch ganz Deutschland transportieren müssen". Der Aufwand, auch in finanzieller Hinsicht, war nicht zu verantworten. Als Alternative entstand die Überlegung, doch einen eigenen Film zu machen. Am besten über das Jugendgefühl zu jener Zeit, als alles Ende der 70er Jahre in dem beschaulichen schwäbischen Provinzkaff begann.

Gemeinsam mit dem Drehbuchautor Emanuel Brüssau und dem Regisseur Sandro Lang entstand schließlich "Jong"r" (schwäbisch für "Sohn"). Hauptdarsteller Aaron Frederik Defant, bekannt aus der Kinderserie "Fabrixx", spielt dabei den jungen Punker Fred - eine Figur, die an den jungen Lars Besa angelehnt ist. Die Normahl-Bandmitglieder selbst wiederum schlüpfen in die Rollen ihrer spießigen Väter - Lars Besa etwa als Freds Vater, einem Anhänger von Elvis Presley. "Der Film spielt zwischen dem Tod von Elvis 1977 und dem Tod des Sex-Pistols-Bassisten Sid Vicious Anfang 1979", sagt Besa. Vater wie Sohn verlieren ihre großen Vorbilder - und kommen sich am Ende aller Spannungen zum Trotz doch näher. Einen Kurzauftritt als grummelnder Nachbar hat übrigens Gotthilf Fischer.

Aktuell ist Normahl in einer ganz besonderen Konstellation unterwegs. Zunächst wird der 60-minütige Streifen "Jong"r" gezeigt, anschließend folgt der Spätzlespogo beim Konzert. Im Publikum sind dann zwar einige, "die seit 30 Jahren immer dabei sind, aber die Mehrheit stellen die 18- bis 25-Jährigen". Besa, hauptberuflich selbstständiger Sanitär- und Heizungsbauer und seit kurzem verheirateter Vater einer zweijährigen Tochter, hat keine Zweifel: "Punk ist immer jung, und ich bin mir sicher, dass es ihn auch in 20 Jahren noch gibt."