Seilbahn im bolivianischen La Paz Foto: Doppelmayr

Der Wintersport ist und bleibt die Geschäftsgrundlage des Seilbahnherstellers Doppelmayr. Inzwischen erobern die Österreicher aber auch dicht besiedelte Metropolen Lateinamerikas.

Wolfurt - Der Wind pfeift kräftig über die Gipfel des Montafons. Doch der große Schnee lässt diese Saison noch auf sich warten. Sie brauchen Geduld, die Manager im Skigebiet Silvretta. Der Saisonstart kommt in Etappen, bisher laufen nur einzelne Lifte. Dabei können sie den Skifahrern, von denen viele aus dem Großraum Stuttgart und Baden-Württemberg kommen, mal wieder eine Neuheit bieten. Über zwei Kilometer lang ist die Panoramabahn mit ihren Achtergondeln. Bisher dauerte die Auffahrt mit der Sennigrat- und der Kreuzjoch-Bahn über 30 Minuten, in Zukunft geht es in nur acht Minuten auf eine Höhe von 2375 Metern. Zwölfeinhalb Millionen Euro haben die Bergbahnbetreiber dafür investiert.

Wenige Kilometer entfernt in Wolfurt bei Bregenz sitzt Michael Doppelmayr in seinem Büro über der Produktionshalle des Seilbahnherstellers. Kahler Schädel, rotes Karohemd, mittelprächtige Laune. Mit einer Handbewegung wischt der 56-Jährige alle Bedenken zur Zukunft des Skifahrens in den Alpen beiseite. „Letztes Jahr habe ich 30 Zentimeter Klimawandel vor meiner Haustür weggeschippt“, brummt er im Voralberger Dialekt. Will heißen: Der Schnee ist noch immer gekommen und ein Doppelmayr, der seit Generationen von der Erschließung der Berge lebt, lässt sich von ein oder zwei schlechten Wintern nicht beeindrucken.

Klassisches Wintergeschäft macht den Hauptteil aus

80 Prozent des Umsatzes macht Doppelmayr noch immer mit dem klassischen Wintergeschäft. Auf den Pisten in Österreich, Deutschland, der Schweiz oder auch Kanada konkurriert Weltmarktführer Doppelmayr nur mit dem Hersteller Leitner aus Südtirol. Zwar wird in den Alpen Westeuropas kaum mehr ein Skigebiet neu erschlossen. Dafür wird modernisiert auf Teufel komm raus – wie etwa im Fall der Panoramabahn im Montafon. Jahr für Jahr verknüpft Doppelmayr zudem Skigebiete wie jüngst Warth im Bregenzer Wald und Lech am Arlberg. „Wer mehr Pistenkilometer hat, bekommt auch mehr Touristen“, sagt Ekkehard Assmann, Marketingchef des Unternehmens. So seien in Warth plötzlich Engländer aufgetaucht, die es ohne den Anschluss nicht gegeben hätte. Neben der Verkürzung von Wartezeiten geht es in Zukunft jedoch hauptsächlich um den Komfort. Kaum mehr eine neue Sechsersesselbahn ohne Sitzheizung. Und wenn ein Seilbahnbetreiber am Luzerner See gerne eine Cabrio-Gondel hätte, dann baut Doppelmayr eben eine Anlage ohne Dach. Der nächste große Trend ist die Kindersicherheit. Automatisch öffnende Bügel machen das Herausfallen beim Aussteigen unmöglich. „Der Kunde kriegt von uns, was er möchte“, sagt Assmann. Notfalls wird es auch erfunden.

Immer öfter kommen diese Kunden jedoch nicht mehr aus dem Umfeld des Wintersports. Anfang Dezember eröffnete der bolivianische Präsident Evo Morales die dritte und letzte von drei Gondelbahnen in La Paz. Drei Linien mit zehn Kilometer Länge bilden das größte urbane Seilbahnnetz der Welt. Es verbindet die beiden Stadtteile La Paz und El Alto, zwischen denen 1000 Höhenmeter liegen. Eine Straße entlang der dicht besiedelten Hänge wäre zu teuer gewesen. Jetzt können die Armen von den Höhen schneller ins Tal kommen, wo die Reichen leben. Dort gibt es Arbeit. „Dass dies so einen hohen sozialen Wert hat, war uns am Anfang auch nicht klar“, sagt Michael Doppelmayr.

Klar ist jedoch, dass das Unternehmen in den urbanen Transportlösungen ein Geschäftsfeld für die Zukunft ausgemacht hat. Die Vorteile liegen für Michael Doppelmayr auf der Hand. „Der Flächenverbrauch ist niedrig, wir können schnell bauen und sind im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln deutlich günstiger.“ Die Anwendungen reichen vom Parkhauspendelverkehr auf einem Messegelände bis hin zur Fortführung von bestehenden Bahntrassen oder der Überbrückung von Hindernissen wie Flüssen oder Bergen. Als Faustformel für einen lohnenden Einsatz habe sich dabei erwiesen: Bis zu fünf Kilometer Länge, maximal fünf Stationen, 5000 Personen. Nur Kurven kann die Seilbahn nicht.

Auch Stuttgart ist idealer Platz für Seilbahn

Bisher verwirklicht hat Doppelmayr neben La Paz beispielsweise Bahnen in Caracas, Istanbul, in London aus Anlass der Olympischen Spiele 2012 oder in Koblenz, wo die Gondeln Touristen vom Deutschen Eck am Rhein hinauf zur Festung Ehrenbreitstein bringen. Zur Bundesgartenschau 2011 errichtet, dürfen die Doppelmayr-Gondeln nun nach Zustimmung der Unesco bis zum Jahr 2026 über den Rhein schweben.

„Wir haben Anfragen nach Seilbahnen aus verschiedenen deutschen Städten“, sagt Michael Doppelmayr – die Namen will er jedoch vor Vertragsabschluss nicht nennen. Auch Stuttgart als Stauhauptstadt Deutschlands in seiner beengten Kessellage sieht er als ideales Terrain für eine Gondelbahn an. Bei der von OB Fritz Kuhn (Grüne) geführten Stadt zeigt man sich offen, auch wenn eine Seilbahn derzeit kein aktuelles Thema sei. „Wir bräuchten zunächst einmal eine konkrete Verbindung von A nach B“, sagt ein Sprecher. Dann sei es vor allem eine Frage der Wirtschaftlichkeit und je nach Route auch eine der Akzeptanz durch die Bevölkerung. Dass er mit seinen Seilbahnplänen auch scheitern kann, musste Michael Doppelmayr jüngst in Hamburg erfahren. Die geplante Verbindung vom Millerntor in St. Pauli über die Elbe hinüber zum Spielort des Musicals „König der Löwen“ wurde nach einem Bürgerentscheid abgelehnt. Viele Bewohner befürchteten die Verschandelung des Stadtbilds.

In den Bergen ist solch Widerstand nur selten, deshalb dürfte auch weiterhin fleißig gebaut werden – wenn auch nicht in den klassischen Alpenländern. „Östlich von Moskau geht noch was“, sagt Michael Doppelmayr und verweist auf Staaten wie Kasachstan und Aserbaidschan, wo riesige Skigebiete am Reisbrett entstehen. Und dann entdecken ja noch die Chinesen das Skifahren. Peking hat sich für die Austragung der Olympischen Winterspiele im Jahr 2022 beworben. Der Zuschlag könnte für Doppelmayr ähnliche Großaufträge bringen wie im russischen Sotschi, wo die Österreicher die Liftanlagen für die alpinen Wettbewerbe bauen durften. Dort kam allen Unkenrufen zum Trotz zum Start der Spiele sogar rechtzeitig der Schnee.