Szene aus dem Youtube-Video Foto: Screenshot/Michael Fujiwara

Ein Video aus Kanada geht um die Welt. Darin ist zu sehen, wie ein ausgewachsener Seelöwe ein Kind ins Hafenbecken zieht. Die stellvertretende Direktorin der Wilhelma analysiert den Vorfall und kritisiert die Eltern des Mädchens.

Stuttgart - Mehr als 22 Millionen Aufrufe (Stand Mittwoch, 12 Uhr) hat das Video von Michael Fujiwara. Darin ist zu sehen, wie ein Seelöwe im kanadischen Richmond (British Columbia) ein kleines Mädchen, das auf einem Steg sitzt, packt und ins Hafenbecken zieht. Daraufhin springt sofort ein Mann ins Wasser und hilft dem Kind wieder an Land. Das Mädchen bleibt unverletzt, wirkt allerdings sichtlich geschockt.

Die Aufnahme sorgt für großes Aufsehen im Netz. Ein Shitstorm bricht los und richtet sich an die Erwachsenen, die sich mit dem Kind zusammen auf dem Steg befanden. Befragt zu dem Video, äußert auch die stellvertretende Direktorin der Wilhelma, Dr. Marianne Holtkötter, Kritik: „Das ist fehlender Respekt vor einem Wildtier. Die Erwachsenen sind für das Kind verantwortlich.“

Seelöwe wurde angefüttert

In der Wilhelma werden sechs kalifornische Seelöwen gehalten. Bei dem Tier aus dem Video handelt es sich um einen männliches Exemplar derselben Art. „Das sind Raubtiere, die mehr als 200 Kilogramm schwer werden“, sagt Holtkötter. „Da sollte man den nötigen Respekt haben.“

Auf dem Video ist anfangs zu sehen, dass die Familie Brot ins Wasser wirft und den Seelöwen anfüttert. Auch das sei ein klares „No Go“, findet Holtkötter. Zwar seien die Seelöwen vermutlich an den Menschen gewöhnt, es gehöre sich aber nicht, die Wildtiere zu füttern oder anfassen zu zu wollen.

Holtkötter vermutet, dass sich für den Seelöwen aus der Fütterung eine Art Spiel entwickelt hat. Als dann kein Brot mehr geworfen wurde und sich das Kind mit dem Rücken zum Wasser hinsetzte, habe das Tier vermutlich Aufmerksamkeit haben wollen, erklärt sie.

Nicht das passende Beuteschema

„Ich bin mir sehr sicher, dass der Seelöwe das Kind nicht fressen wollte. Seelöwen fressen Fische und Tintenfische – ein Kind passt nicht ins Beuteschema“, sagt die stellvertretende Direktorin. In der Wilhelma bekommen die Tiere laut ihrer Aussage Heringe und Makrelen, die sie im Ganzen verschlingen. Selbst ein Kleinkind wäre dafür viel zu groß. Außerdem erkennt Holtkötter noch weitere Indizien für die Spiel-Theorie: „Der Seelöwe beißt genau so zu, dass er nur den Stoff erwischt. Und als der Mann ins Wasser springt, versucht das Tier nicht, seine „Beute“ zu verteidigen.“

Bisse sind gefährlich

Auch wenn der Mensch nicht ins Beuteschema der Seelöwen fällt, kann ein Biss für ihn gefährlich sein. Das räumt auch Holtkötter ein. Dabei geht es weniger um die Kraft der Tiere, als um die Bakterien, die sie dabei übertragen. „Unsere Tierpfleger sind deshalb auch immer dazu angehalten, einen gewissen Abstand einzuhalten und achtsam zu sein.

Dass es zu dieser Situation kam, ist demnach klar der Fehler der Erwachsenen. „Kindern muss bei aller Verniedlichung der Unterschied zwischen Haus- und Wildtieren beigebracht werden“, appelliert Holtkötter.

Konsequenzen

Als Folge des Vorfalls wurden im Hafenbereich von Richmond nun mehrere Warn- und Hinweisschilder angebracht. Demnach kann ein ähnliches Verhalten richtig teuer werden. Bis zu 100.000 Dollar Strafgeld kostet das Stören der Meeressäuger.