Horst Seehofer im November 2016 im bayerischen Landtag. Foto: dpa

An diesem Montag wird sich Horst Seehofer über seine Zukunft als CSU-Parteichef, als Ministerpräsident von Bayern und zum Bundestagswahlkampf erklären.

München - Er hat Ankündigungen gemacht und Spuren verwischt. Er hat Versuchsballons aufsteigen lassen und Nebelkerzen gezündet. Er hat seine Rivalen aus der Deckung gelockt, sie gegeneinander ausgespielt und alle in ihren Schwächen gnadenlos vorgeführt. Er hat auf Zeit gespielt und seine Macht getestet. Er hat Haken geschlagen, einen nach dem anderen. Er hat – so „Die Welt“ treffend – seine Partei schwindelig geredet, bis keiner mehr wusste, was Sache war. Und damit soll nun Schluss sein. Wirklich? Auf einmal?

Am Montag um 14 Uhr, so verspricht er es jedenfalls, will Horst Seehofer öffentlich und definitiv erklären, wie er sich seine Zukunft vorstellt, nachdem er zuvor den Parteivorstand „informiert“ hat. Will heißen: Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef beliebt mitzuteilen, der Rest der Welt nimmt entgegen. Jede Diskussion erübrigt sich. Und der Bayerische Rundfunk überträgt live.

Das Weitermachen ankündigen

67 Jahre ist Horst Seehofer heute alt. Als er 2013 sein Bayern erlöste und nach fünf Jahren koalitionärer Fesselung (an die FDP) die absolute Mehrheit für die CSU zurückholte, da sagte er, noch diese eine Legislaturperiode wolle er amtieren. „Dann ist Schluss.“ Es wird wohl nicht so kommen. Denn mittlerweile rechnen alle in München damit, dass Seehofer am Montag sein Weitermachen ankündigt, über die Bundestagswahl 2017 und die Landtagswahl 2018 hinaus. Die zweite ist ihm, das sagt er immer wieder, die wichtigere. Denn da geht’s um die Bewahrung seines politischen Erbes, und die traut er anderen nicht zu. Er hat sie ja alle gewogen. Und für zu leicht befunden.

Auf Augenhöhe mit der Bundeskanzlerin

Manche Leute in der CSU sagen, Seehofers inneres politisches Feuer sei erst im Herbst 2015 wieder richtig aufgeflammt. Da war er plötzlich nicht mehr nur – aller Ehren wert, aber nicht weiter aufregend – der erfolgreiche Verwalter des wirtschaftlich erfolgreichsten Bundeslands. Da hatte er in der Flüchtlingswelle, als Chef-Interessenvertreter des vordersten „Frontstaats“, buchstäblich über Nacht sein politisches Thema gefunden. Da hatte der Bundespolitiker, der er immer war – durchaus lieber, sagen sie, denn Landesfürst – wieder an bundespolitischer Statur gewonnen, und nicht nur das: Als Anführer der Fronde gegen Angela Merkel stand Seehofer mit einem Mal auf Augenhöhe mit der Bundeskanzlerin. Das reizte er aus, gnadenlos, provozierend, demütigend, sich für Verletzungen aus seiner Zeit als Bundeslandwirtschaftsminister (2005-08) revanchierend, wie man raunt. Und ob die CSU eine erneute Kanzlerkandidatur Merkels unterstützen würde, diese Antwort schob Seehofer so lange hinaus, wie es irgend ging. Er ließ zappeln, wie er immer gerne zappeln lässt. Und er fand Genugtuung darin.

Umso brüsker dann die Wendung. Seit dem „Friedensschluss“ vom Februar nimmt Seehofers Partei, über Monate hinweg gegen die Kanzlerin gehetzt, unter größter Verblüffung zur Kenntnis, dass Merkel plötzlich „eine ausgezeichnete Kandidatin“ sei, dass man „nur mit ihr“ die Wahl gewinne, dass „nur sie“ Deutschlands Positionen am besten in der Welt vertrete. Die CSU ächzt an allen Enden und Ortsverbänden – aber alles hört auf Seehofers Wendekommando. Sogar der lauteste Gegner der Kanzlerin ist auf einmal lammfromm: Markus Söder, der bayerische Finanzminister, der so gerne Ministerpräsident werden würde, aber den Seehofer mit Wonne ebenso zappeln lässt. Und wenn sich selbst ein Söder nicht durchsetzen kann, obwohl er in der Landtagsfraktion seinen starken Fanclub hat, dann will das für Seehofers Position durchaus etwas heißen.

Einen eigenen Kabinettsausschuss gegründet

Dies umso mehr, als Seehofer sich mit der Fraktion heftig angelegt hat: Dass die so lange brauchte, um seine persönliche Rückwärtswende vom acht- aufs neunklassige Gymnasium in Beschlüsse zu gießen, dass sie sich ferner erdreistete, das Kommunalwahlrecht umzumodeln, um stärkere CSU-Mehrheiten zu schaffen, in einer „Arroganz der Macht“, wie Kritiker meinten – das ging dem Ministerpräsidenten so gegen den Strich, dass er selber eingriff: Mit einem eigenen „Kabinettsausschuss“ zugunsten des G9 und mit einem harten Veto gegen die Wahlreform: „Mögen andere die Verantwortung übernehmen. Ich nicht.“ Die Stimmung in der Fraktion war so gereizt, dass mancher im Landtag von „Krieg“ sprach. „Jetzt muss der Seehofer aufpassen“, hieß es. Und jetzt? Wagt keiner mehr, Kopf und Stimme zu heben.

Die CSU-Granden, unter ihnen altgediente und amtierende Minister sowie frühere Parteichefs, halten Seehofer immer noch – oder gerade jetzt – für das stärkste Wahlzugpferd; das ist wohl der Hauptgrund, warum keiner aufmuckt. Offen bleibt einstweilen, ob Seehofer sich auch als Spitzenkandidat der CSU für die Bundestagswahl plakatieren lässt, oder wer sonst die Parteiliste anführt; denn nach Berlin will Seehofer ja gar nicht. „Heißester“ Kandidat ist nach wie vor Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Aber auch dazu muss sich der Chef erst definitiv erklären.