Ein 74-Jähriger steht wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Stuttgart. Foto: dpa

Ein 74-jähriger Mann aus dem Kreis Esslingen soll versucht haben, seine Schwester mit einer Überdosis Insulin zu töten. Vor dem Landgericht bestreitet er den Vorwurf.

Ein 74-jähriger Mann aus dem Kreis Esslingen soll versucht haben, seine Schwester mit einer Überdosis Insulin zu töten. Vor dem Landgericht bestreitet er den Vorwurf.

Stuttgart/Filderstadt - Der Mann kommt mit einem fast fröhlichen „Guten Morgen miteinander“ in den Gerichtssaal. Nachdem Staatsanwalt Thomas Hochstein die Anklage verlesen hat, in der er dem Rentner heimtückischen Mordversuch aus Habgier vorwirft, hebt der 74-Jährige schon zu einer Verteidigungsrede an: „Ich will sagen, dass ich noch nie einen Mordversuch begangen habe.“ Das würde er seiner Schwester und überhaupt niemandem jemals antun. Die Anklage sei falsch. „Ich bin Christ, ich muss die Wahrheit sagen“, so der Maurer im Ruhestand.

Der Angeklagte soll versucht haben, im Mai vorigen Jahres seine 81-jährige Schwester in einem Pflegeheim in Filderstadt-Sielmingen (Kreis Esslingen) zu ermorden. Er habe sich eine Woche nach Pfingsten in das Pflegeheim geschlichen und seiner dementen Schwester Insulin verabreicht, wodurch der Blutzuckerspiegel der Frau einen 500-fach erhöhten Wert erreicht habe. Ein Pfleger bemerkte den kritischen Zustand der 81-Jährigen, die schließlich in der Filderklinik gerettet worden war.

Motiv laut dem Ankläger: Habgier. Der Mann wohnt in dem Zwei-Familienhaus in Köngen, das er und seine Schwester zu gleichen Teilen von den Eltern geerbt hatten. 2006 war die ältere Dame unter Betreuung gestellt worden und in das Pflegeheim gekommen. Fortan musste der Mann 350 Euro Miete an seine Schwester bezahlen. Zudem seien über die Jahre rund 70.000 Euro an Pflegekosten aufgelaufen. Der Angeklagte, so Staatsanwalt Hochstein, habe befürchtet, er verliere auch noch seine Hälfte des Hauses. In dieser finanziell angespannten Situation habe der vierfache Vater den Plan gefasst, seine Schwester umzubringen.

Folgt man dem Ankläger, dann hat sich der 74-Jährige dafür den Nachmittag des 25. Mai vergangenen Jahres ausgeguckt. Tags zuvor hatte das Pflegeheim mitgeteilt, der Schwester gehe es schlecht. Eine ideale Situation? Tatsache ist, dass der Mann, der Wert darauf legt, in seiner Kirchengemeinde ehrenamtlich für andere Menschen tätig zu sein, an jenem Tag im Pflegeheim war. Er sagt, er habe seine Schwester im Erdgeschoss im Gemeinschaftsraum besucht. Ein Pfleger sagt dagegen, er habe den 74-Jährigen die Treppe herunterkommen sehen. Das Zimmer der Frau liegt im 1. Stock.

Ein weiteres Indiz: Die Ehefrau des Angeklagten ist seit Jahren an Diabetes erkrankt. Sie muss sich Insulin spritzen. Er sagt, er habe ihre Medikamente zwar immer aus der Apotheke geholt. Was das aber genau gewesen sei, wisse er nicht. Auch habe er nie ein Spitzbesteck seiner Frau oder eine Insulinverpackung in der Hand gehabt. Es gibt jedoch DNA des Mannes, die dagegen spricht.

Unklar ist bisher, warum der bekennende Christ („Beten und Arbeiten ist meine Devise“) ein ein Dreivierteljahr währendes Besuchsverbot bei seiner Schwester hatte. „Ich weiß nicht, warum“, sagt er. Die Vorsitzende Richterin trägt aus der Ermittlungsakte vor, der 74-Jährige habe seine Schwester, als sie noch im gemeinsamen Haus lebte, vernachlässigt. Frieren habe sie müssen, zu wenig zu essen habe sie gehabt. Er soll sie sogar einmal geschlagen haben. Allerdings hat die betagte Frau einen stationären Aufenthalt in der Psychiatrie hinter sich.

Unhaltbare Vorwürfe also? Der Bruder bestreitet sie allesamt vehement. Und wie seine DNA auf das Insulin seiner Frau gekommen sei, könne er nicht erklären. Das Gutachten müsse falsch sein. Er habe nichts Unrechtes getan, er sei ein „treuer Diener des Herrn“.

Die 1. Strafkammer hat 42 Zeugen und mehrere Sachverständige geladen. Der Prozess wird am 21. Februar fortgesetzt.