In Hamburg-Altona wird Ikea im nächsten Jahr ein Haus mit neuem Aufbau in Innenstadtlage eröffnen. Um in Baden-Württemberg wachsen zu können, sind ähnliche Konzepte gefragt. Foto: Visualisierung: Ikea

Der Möbelkonzern Ikea tut sich wegen des Planungsrechts in Stuttgart und Baden-Württemberg schwer. Weitere Standorte schienen bisher ausgeschlossen. Doch der neue deutsche Expansionschef Johannes Ferber kündigt jetzt Gespräche mit Stadt und Land an.

Stuttgart – - Herr Ferber, Ikea ist zuletzt am Südwesten verzweifelt. In Stuttgart hat die Stadt eine Ansiedlung verhindert, in Rastatt der Verwaltungsgerichtshof. Grund waren jeweils Landesentwicklungsplan und Regionalplanung. Das Unternehmen hat gar von einem Niederlassungsverbot gesprochen. Geben Sie Baden-Württemberg auf?
Baden-Württemberg ist in der Tat nach wie vor das schwierigste Bundesland für uns. Wir haben verstanden, dass wir hier nur noch in die Oberzentren, also in die größeren Städte dürfen. Die strengen Restriktionen passen nicht zu unserem international gültigen Konzept. Zwischenzeitlich hatten wir deshalb die Entscheidung gefällt, hier nichts mehr zu investieren und alle Planungen gestoppt, denn die kosten auch Geld. Dieses Vorgehen haben wir jetzt aber überdacht und sind wieder für Gespräche offen.
Führen Sie schon welche?
Im Dezember wird es ein Gespräch mit Wirtschaftsminister Nils Schmid geben. Auch zur Stadt Stuttgart haben wir Kontakt aufgenommen und denken, dass wir uns Anfang des nächsten Jahres an einen Tisch setzen. Wir hoffen, dass die Landesregierung und die neue Stadtspitze in Stuttgart anders an das Thema herangehen als bisher. Mit dem Land könnten wir uns eine enge Partnerschaft vorstellen.
Der deutsche Ikea-Expansionschef Johannes Ferber. Foto: Ikea
Dafür müssten Sie Ihren Gesprächspartnern wohl etwas anbieten.
Wir haben da einige Ideen. In Zukunft wollen wir bei der Planung unserer Möbelhäuser flexibler sein. In Hamburg-Altona etwa öffnen wir im nächsten Jahr ein Haus in Innenstadtlage. Auf einem kleinen Grundstück, mit acht Geschossen und einem Parkhaus mit lediglich 700 Stellplätzen, das zudem noch öffentlich ist. Wir rechnen dort damit, dass die Hälfte der Kunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt.
Und die Möbel dann unterm Arm nach Hause trägt?
Das Auto hat als Statussymbol ausgedient, immer weniger Leute gerade in den Städten werden in Zukunft eines haben. Da wird sich die Welt verändern. Deshalb bieten wir einen attraktiven Lieferservice an, den wir auf allen Kanälen bewerben werden. In unserem Freiburger Haus werden wir im Dezember eine Kooperation mit Stadt, Verkehrsbetrieben und einem Energieversorger vorstellen. Dort soll es eine Stromtankstelle und einen kostenlosen Verleih von Elektroautos geben. Was das Thema Nachhaltigkeit betrifft, gehen wir überall auf Partnersuche.
Wenn Sie auch in Baden-Württemberg in die Städte wollen, müssten Sie Ihr sogenanntes innenstadtrelevantes Sortiment aus Haushaltsartikeln und Ähnlichem reduzieren, um die anderen Geschäfte nicht zu gefährden. Ist das denkbar?
Es ist durchaus im Gespräch, das Konzept weiterzuentwickeln. Da stehen wir aber noch ganz am Anfang. Wir wollen keine Innenstädte zerstören und haben das auch noch mit keiner einzigen unserer Niederlassungen getan. Merkwürdigerweise werden wir oft als Bedrohung gesehen. Dabei können wir eine Zusammenarbeit mit den Städten und den anderen Einzelhändlern anbieten. In Ulm etwa ist unsere Filiale ein Impuls für eine nachhaltige Entwicklung der Innenstadt gewesen. Zeitgleich schafft der Online-Handel ohne jede Beschränkung immer neue Logistikflächen auf der grünen Wiese. Das wird die Innenstädte langfristig vor wirklich große Herausforderungen stellen.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Wo in Stuttgart sähen Sie gern ein Ikea-Haus?
Im südöstlichen Bereich, am besten rund um die B 10. Dort haben wir uns nach dem Scheitern der Pläne im Neckarpark weitere Grundstücke angeschaut, die aber aus verschiedenen Gründen nicht zur Verfügung gestanden sind. Man muss sich einmal vorstellen, dass es in der Landeshauptstadt nach wie vor kein einziges großes Möbelhaus gibt. Die liegen alle im Umland, die Kaufkraft fließt in die Region ab. Es kann doch nicht sein, dass man das wirklich möchte.
Wäre ein Einzug in ein großes Einkaufszentrum wie das neu entstehende Milaneo hinter dem Stuttgarter Hauptbahnhof denkbar?
Wir denken zwar darüber nach, an manchen Standorten in Zukunft unsere Lager von den Verkaufsflächen abzukoppeln, aber so etwas wäre trotzdem schwierig. Wir brauchen nun mal einiges an Fläche.
Sie sagen, Baden-Württemberg ist zurück in Ihrem Blickfeld. Wo sehen Sie landesweit mögliche Standorte?
Neben einem Haus in Stuttgart würden wir gerne in Karlsruhe und in der Bodenseeregion zwischen Ravensburg und Friedrichshafen bauen. Wir sehen Potenzial für drei bis vier neue Standorte im Land. Wir reden da insgesamt über Investitionen von 300 bis 400 Millionen Euro, bis zu 1000 Arbeitsplätzen und erheblichen Steuerzahlungen. Unsere am stärksten frequentierten Standorte verzeichnen zwei bis drei Millionen Besucher pro Jahr.
Als Verbraucher hat man manchmal das Gefühl, es gibt ohnehin an jeder Ecke ein Ikea-Haus. Wollen die Kunden überhaupt noch weitere?
Wir haben vor einem halben Jahr auf unserer Facebook-Seite die Leute gefragt, wo sie noch Ikea-Filialen haben wollen. Wir waren selbst überrascht, wie viele da mitgemacht haben. Es wurden natürlich die großen weißen Flecken auf der Landkarte genannt, die es noch gibt, aber es kamen auch viele Wünsche aus Baden-Württemberg, beispielsweise aus Karlsruhe und Stuttgart. Für uns folgt daraus: Auch der Kunde versteht die Überregulierung hier nicht.
Wie sehen Ihre Pläne bundesweit aus?
Deutschland ist für uns mit rund 15 Prozent Anteil am Gesamtumsatz des Unternehmens nach wie vor der wichtigste Markt. In Berlin planen wir bereits das fünfte Haus dort, im Rhein-Main-Gebiet das vierte. Derzeit haben wir 46 Häuser und sehen das Potenzial für 20 weitere. Im nächsten Jahr eröffnen wir in Hamburg-Altona und Lübeck, dann in Bremerhaven und Kaiserslautern. Hier waren wir übrigens begeistert von der Offenheit, die uns die Bevölkerung entgegenbringt – und von der Geschwindigkeit, mit der man diskutiert und politische Beschlüsse herbeigeführt hat.
Anders als in Stuttgart und Baden-Württemberg?
Wir setzen jetzt auf die anstehenden Gespräche und hoffen auf positive Reaktionen.