Jenny Schmid erinnert sich an den Geruch ihrer Kindheit, wenn frische „bullar“ mit Hagelzucker aus dem Ofen kommen. Offizielles Sinnbild ihrer Heimat ist aber das holzgeschnitzte Dalapferd. Foto: Sabine Schwieder

In einer Serie erzählen ausländische Mitbürger von ihrer einstigen Heimat. Die Schwedin Jenny Schmid erinnert sich beim Backen an ihre Heimat Jönköping am Vättersee.

Vaihingen - An der Tür hängt ein Schild mit der Aufschrift „Välkommen“; im Eingang riecht es nach frisch gebackenen „bullar“. In diesem Haus lebt eine Schwedin. Jenny Schmid ist seit 2002 in Deutschland und wohnt mit ihrem deutschen Mann Christoph und den Kindern Elsa und Linus in einem Reihenhaus in Lauchäcker. Ihr Deutsch ist nahezu perfekt, doch in ihrem Hobby ist sie Schwedin geblieben: Sie backt leidenschaftlich gerne „bulle“, wie das in Schweden beliebte Teilchen heißt, das im Wörterbuch etwas unzureichend mit Brötchen oder Semmel übersetzt wird. Mit der Zeit hat Jenny ihre Nachbarn angesteckt. In Lauchäcker backt man gelegentlich schwedisch und trinkt dazu – wie die Schweden – viel Kaffee.

Der Geruch von frischem Gebäck

Aufgewachsen ist die 1975 geborene Jenny Gustafsson in Jönköping am Vättersee in einem Haus mit großem Garten. Die Mutter war Lehrerin, und so wurde während der zehnwöchigen Ferien immer ein einfaches Sommerhaus gemietet. „Bei uns geht man nicht ins Freibad, man fährt zum nächsten Badeplatz und kühlt sich ab“, erzählt Jenny Schmid und gibt zu, die schwedischen Seen zu vermissen.

Jönköping liegt am Vättern, dem zweitgrößten See Schwedens, doch im Umland gibt es noch zahllose kleinere Gewässer, an denen man den Sommer verbringen kann. „Mein Lieblingssee ist der Axamosjö“, sagt Jenny Schmid. Wie bei fast allen Badeplätzen wird hier durch Holzstege ein kleines Karree gebildet, in dem das Wasser nicht so tief ist und Kinder schwimmen lernen können. Am Vättern liegt auch Gränna, wo die bekannten „polkagrisar“ herkommen, rot-weiße Zuckerstangen mit Pfefferminzgeschmack.

Jennys intensivste Kindheitserinnerung aber ist der Geruch nach frischem Gebäck, denn ihre Großmutter arbeitete zeitweise in einem Café. Von ihr hat sie auch die Rezepte: für Bulle mit Vanille- oder Kakao-Füllung und Hagelzucker, für Zimtschnecken, Semla (Hefebrötchen mit Marzipan und Sahne) oder Torten. „Es gibt sogar einen Jenny-Kuchen, der zur Jahrhundertwende entstand und der auch mit Kardamom gemacht wird.“ Zu ihrem Geburtstag aber gab es immer Princesstårta: eine Kalorienbombe mit Schichten von Himbeermarmelade, Sahne und Vanillecreme. Darüber kommt ein Überzug aus meist grüner Marzipanmasse, garniert mit einer Marzipanrose.

Mit den Kindern spricht sie Schwedisch

Eine andere Spezialität Smålands, der Region, zu der Jönköping gehört, ist der Ostkaka. Dabei handelt es sich nicht um einen Käsekuchen, wie ihn die Deutschen essen, sondern die Füllung wird durch Zugabe von Lab zur Milch hergestellt, das Kasein lässt man gerinnen, und dann wird der Kuchen im Ofen gebacken und mit Marmelade und Sahne lauwarm serviert. „Das lohnt sich aber nur, wenn man große Mengen macht“, sagt Jenny.

In ihrer Familie ist die traditionelle „fika“, Kaffee und Gebäck am Nachmittag, selbstverständlich. „In Schweden sind zwei fika-Pausen sogar gesetzlich festgeschrieben“, sagt Jenny Schmid, die in Deutschland bei einer amerikanischen Firma als Wirtschaftsingenieurin arbeitet. Fika gibt es dort nicht, doch zu ihrer Erleichterung duzen sich alle Kollegen, so wie sie das von Schweden her gewöhnt ist. Ihre Liebe zu Deutschland entdeckte sie schon als Kind über eine Freundin der Mutter. Nach einem Jahr als Au-pair-Mädchen in Bad Homburg lernte sie während des Studiums in Linköping ihren späteren Mann kennen und folgte ihm nach Deutschland. Mit den Kindern Elsa und Linus, die einmal in der Woche nachmittags die schwedische Schule in Stuttgart besuchen, spricht sie Schwedisch.

„Hier in Lauchäcker ist es wie in einem Dorf“

Eine Zeit lang hat sie hier auch eine Spielgruppe mit Jungen und Mädchen im Kindergartenalter geleitet. „Das finde ich in Schweden besser“, sagt sie, „Beruf und Kinder sind in Deutschland nicht so gut zu vereinbaren. Viele Mütter haben wenig Möglichkeiten zu arbeiten.“ Eine Folge sei aber auch, dass man in der Nachbarschaft mehr gemeinsam mache, dass die Kinder zusammen spielen. „Hier in Lauchäcker ist es wie in einem Dorf“, findet sie. „In Schweden kennt man seine Nachbarn nicht so gut.“ Und so backt sie gelegentlich Bullar für die Nachbarschaft und denkt über ihren Traum nach: „Ich würde eigentlich gerne ein schwedisches Café in Stuttgart eröffnen“, sagt sie: Mit eigenen Kaffeekannen zum Pressen an den Tischen. Denn bei der schwedischen Sitte des „påtår“, bei der man sich nach der ersten Tasse noch einmal nachfüllen darf, finden deutsche Touristen in Schweden nicht immer das rechte Maß.

Zwei- bis dreimal im Jahr fährt Familie Schmid in Jennys Heimatland – und füllt den Vorratskeller mit schwedischen Leckereien wie eingelegtem Hering und Västerbotten-Käse auf. Allerdings liegen die baden-württembergischen Sommerferien ungünstig spät: „Da ist es bei uns fast schon Herbst“, bedauert Schmid. Gegen gelegentliches Heimweh gibt es die schwedische Gemeinde in Stuttgart, bei der man sich zu traditionellen Festen wie Mittsommernacht oder dem Lucia-Umzug am 13. Dezember trifft. „Die Lucia-Lieder sind so schön“, sagt sie, „ohne diese Treffen würde ich Schweden noch mehr vermissen.“