Bei Weil der Stadt endet zurzeit das 1988 stillgelegte Gleis der Schwarzwaldbahn. Der Landkreis Calw will wieder Anschluss an die Region Stuttgart Foto: Thomas Wagner

Für den Calwer Landrat Helmut Riegger und Landesverkehrsminister Winfried Hermann ist die Hermann-Hesse-Bahn von Calw nach Renningen so gut wie in trockenen Tüchern. In der Regionalversammlung sieht man das ganz anders.

Stuttgart/Calw - Die Angelegenheit mutet etwas seltsam an. Der Landkreis Calw forciert seit Jahren mit viel geistigem und finanziellem Engagement die Reaktivierung der Schwarzwaldbahn zwischen Calw und Renningen – und weder der Landkreis Böblingen, durch den ein großer Teil der Strecke führen würde, noch der Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger der S-Bahn-Linie 6 bekommen davon viel mit. Die Angelegenheit gipfelte in einem öffentlichen Termin im Mai in Althengstett, als Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel Landrat Helmut Riegger (CDU) schriftlich gaben, die Hälfte der Kosten für eine Elektrifizierung der Strecke übernehmen zu wollen.

Etwa 50 Millionen Euro soll es kosten, die 1988 stillgelegte Strecke mit Stationen in Althengstett und Ostelsheim als Nebenbahn wieder in Betrieb zu nehmen. Dafür soll sie über die S-6-Endstation Weil der Stadt im Kreis Böblingen weiter bis Renningen fahren, um direkten Anschluss an die S 60 und das Daimler-Werk in Sindelfingen zu bekommen. In Weil der Stadt, Malmsheim und Renningen fürchten viele mehr Lärm und bei einer abgespeckten Variante auch Diesel-Gestank, Bürger denken bereits an den Klageweg. Winfried Hermann und Helmut Riegger erweckten zudem den Eindruck, der Kreis Böblingen sitze bereits im Boot. Der Böblinger Landrat Roland Bernhard reagierte dagegen „mit Verwunderung“ und widersprach: „Die Gespräche mit dem Kreis Böblingen über eine Mitfinanzierung haben noch gar nicht begonnen.“

Gegen die erwarteten rund 3000 Fahrgäste täglich auf der Hermann-Hesse-Bahn hätten auch die Mitglieder der Stuttgarter Regionalversammlung nichts. Sie haben ein ganz anderes Problem: Die S-Bahn hinkt in Sachen Pünktlichkeit den Erwartungen der Auftraggeber und der Fahrgäste schon heute deutlich hinterher. Sie befürchten, dass die Verspätungen im gesamten Netz zunehmen, wenn auch noch das Calwer Bähnle hineindrängt. Zumal der Abschnitt Weil der Stadt–Renningen zum Teil nur über ein Gleis verfügt. Nach den Gutachten der Calwer rechnet sich die Hermann-Hesse-Bahn aber nur, wenn sie gleich bis Renningen fährt.

Frank Buß von den Freien Wählern störte sich jetzt im regionalen Verkehrsausschuss am Calwer Alleingang und äußerte die Bedenken seiner Fraktion, „dass aufgrund des Nutzens weniger Fahrgäste aus dem Kreis Calw 40 000 Fahrgäste auf der S 6 und 10 000 auf der S 60 negative Auswirkungen erleiden müssen“. Er kritisierte ebenso wie Thomas Leipnitz (SPD) oder Armin Serwani (FDP), dass der Kreis Calw seine Untersuchungen unter Verschluss halte.

Leipnitz nannte es „ein eindeutiges Kriterium, dass die Hermann-Hesse-Bahn warten muss, wenn die S-Bahn ein Zeitproblem hat“. Rainer Ganske (CDU) verwies darauf, dass man auch den Takt der S-Bahn weiter ausbauen wolle. Einzig Eva Mannhardt (Grüne) versuchte, ihrem Parteifreund Hermann den Rücken zu stärken: „Das ist eine Chance, die uns zusätzliche Fahrgäste bringen kann.“ Doch auch Mannhardt räumte der S-Bahn den Vorzug ein.

Wenig erfreut zeigte sich die Runde auch darüber, dass Riegger ohne Vorwarnung einen Termin bei der Bundesnetzagentur im Dezember erwirkt hat, wo die Vorfahrt auf der Schiene im Westen der Region Stuttgart Thema sein soll. Der Calwer Alleingang geht also weiter.