In der Frage zum Nationalpark durften die Bürger abstimmen Foto: dpa

Der Plan der Landesregierung, im Nordschwarzwald einen Nationalpark einzurichten, bleibt umstritten. In sieben Kommunen gab es am Sonntag ein klares Nein.

Baiersbronn - Der Plan der Landesregierung, im Nordschwarzwald einen Nationalpark einzurichten, bleibt umstritten. In sieben Kommunen gab es am Sonntag ein klares Nein.

In Bad Herrenalb sind sie am schnellsten. Es ist 18.40 Uhr am Sonntagabend, als das Ergebnis der Bürgerbefragung vorliegt. 63,7 Prozent haben gegen den Nationalpark gestimmt, 36 Prozent dafür. Das Problem: Die Wahlbeteiligung liegt bei nur mageren 16 Prozent. Was ist das Ergebnis also wert im Streit um die Frage, ob die Bürger einen Nationalpark im Nordschwarzwald wollen oder nicht?

Zu diesem Zeitpunkt wird in Baiersbronn noch ausgezählt. Die Gemeinde hat in der Schwarzwaldhalle jede Menge Tische aufgestellt, die Zählteams öffnen die Umschläge und bilden Stapel. Gut 200 Bürger sind gekommen und verfolgen die Zeremonie aufmerksam. Aber selbst die Anhänger des geplanten Nationalparks wie Naturschutzbund und WWF müssen mit ansehen, wie die Stapel der Nein-Stimmen immer größer werden, aber die mit Ja-Stimmen kaum wachsen wollen. „Es ist gut, dass wir den Bürgern dieses Ventil gegeben haben“, sagt Bürgermeister Michael Ruf und ist zufrieden mit der Umfragebeteiligung von 68 Prozent.

Gerade Baiersbronn hatte zuletzt bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, der Ort wurde zum Zentrum des Widerstands gegen das grün-rote Prestigeprojekt. Dann, um 19.25 Uhr, liegt das Ergebnis vor: 78 Prozent sind gegen den Nationalpark, 22 Prozent haben dafür gestimmt. Der Bürgermeister ist „von der Deutlichkeit“ überrascht. Die Gegner des Projekts applaudieren, eine Frau meint: „Jetzt ist der Muttertag gerettet.“ Die Anhänger des Naturschutzprojekts sind entsetzt: „Das ist peinlich, beschämend und ein Armutszeugnis für die ganze Gemeinde.“

Im Minutentakt kommen an diesem Abend die Abstimmungsergebnisse aus den anderen Kommunen, in denen die Bürger auf einem schlichten Zettel ankreuzen konnten, ob sie für oder gegen den Nationalpark sind. In Seewald (Kreis Freudenstadt) sagen 86 Prozent Nein. In Enzklösterle (Kreis Calw) ist das Bild ähnlich: 75,5 Prozent Nein, 24,5 Prozent Ja, und das bei 81 Prozent Wahlbeteiligung. Auch nebenan in Bad Wildbad will man den Nationalpark nicht. 75 Prozent sagen Nein. In Freudenstadt haben 68 Prozent und in Forbach 82 Prozent ihr Kreuz bei Nein gemacht.

Je mehr Ergebnisse vorliegen, desto nachdenklicher werden die Gesicher der Befürworter. Da würden ja noch die Voten vieler Gemeinderäte und der Kreistage in den nächsten Wochen ausstehen, sagen sie. Soll heißen: Solche Bürgerbefragungen haben nur einen begrenzten Aussagewert. Andere sehen das anders. „An den Ergebnissen der Bürgerbefragung kann die Landesregierung nicht vorbei“, meint einer. Immerhin sind an diesem Tag 50.000 Bürger zur Stimmabgabe aufgerufen. Welches Signal geht also von dieser Abstimmung aus? Über ein Jahr hatte die Landesregierung für ihr Projekt geworben, wurde in Arbeitskreisen mit Unternehmern, Tourismusexperten, Förstern und anderen Experten über das Für und Wider des Nationalparks gerungen. Doch je länger die Debatte dauerte, desto heftiger waren die Emotionen geworden. Erst recht, als kurz nach den Osterferien die Landesregierung um Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (beide Grüne) ein Gutachten vorlegte, dessen Botschaft – wie erwartet – eindeutig war: Ein Nationalpark Nordschwarzwald hat mehr Chancen als Risiken.

Grün-Rot warb fortan bei diversen Informationsveranstaltungen für das Projekt, doch die Stimmung drohte phasenweise zu eskalieren. Vor allem Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) wurde zur Zielscheibe der Kritik, wurde beschimpft, bedroht, beleidigt. Da half es auch nichts, dass die Freunde des Nationalparks immer wieder ihre Lebkuchenherzen mit der Aufschrift „Nationalpark“ in die Höhe reckten.

Doch von Bonde ist am Sonntagabend in seiner Heimatgemeinde Baiersbronn nichts zu sehen. Er hatte zuletzt wiederholt betont, noch im Juni einen Vorschlag vorlegen zu wollen, in welches Gebiet in den Kreisen Freudenstadt, Calw, Rastatt, Ortenau oder Baden-Baden der Nationalpark kommen soll. Zugleich hatte er neuen Unmut auf sich gezogen, als er die Bedeutung der Bürgerbefragung herunterspielte. Das seien „gerade mal sieben der 105 Gemeinden“ im sogenannten Suchraum, also in jenem 25 000 Hektar großen Gebiet, in dem der 10 000 Hektar große Nationalpark entstehen soll. Letztendlich, so betonte Bonde, werde ohnehin der Landtag entscheiden.

Doch am Sonntagabend ist davon erst einmal keine Rede mehr. Kaum haben alle sieben Orte mehrheitlich mit Nein gestimmt, wird der Ruf nach Konsequenzen laut. „An diesem Ergebnis kommt die Politik nicht vorbei“, meint Klaus Mack, Bürgermeister von Bad Wildbad, jetzt müsse „das Land die Planung überdenken“, sagt er unserer Zeitung.

Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Blenke (Calw) erwartet eine Reaktion von Grün-Rot: „Das Ergebnis ist eine Riesenklatsche für die Regierung.“ Das sei jetzt „der Test, ob es die Regierung ernst meint mit ihrer Politik des Gehörtwerdens“. SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel bedauert das klare Votum: „Die Befürworter haben sich zu spät aus der Deckung begeben.“ Markus Rösler, der naturschutzpolitische Sprecher der Landtags-Grünen, reagiert in Baiersbronn umgehend: „Wir nehmen die Ergebnisse der Bürgerbefragungen ernst und bieten zusätzliche Gespräche oder Informationsveranstaltungen an.“