Ein Wasserwerfer der Polizei spritzt am "Schwarzen Donnerstag", dem 30. September 2010, im Schlossgarten in Stuttgart auf Demonstranten Foto: dpa

Der für den Wasserwerfer-Einsatz verantwortliche Polizist verliert seinen Revierleiter-Job.

Stuttgart - Der für den ersten Wasserwerfer-Einsatz am 30. September 2010 direkt verantwortliche Polizeibeamte verliert seine Stelle als Revierleiter. Mit der umstrittenen Aktion und dem Stuttgart-21-Protest hat der Wechsel aber nichts zu tun, heißt es im Innenministerium.

Andreas Feß stand am Vormittag des 30. September 2010 nicht zufällig auf Höhe des Biergartens im Schlossgarten. "Ich habe den engen und deshalb besonders schwierigen Abschnitt bewusst einem Stuttgarter Beamten zugeteilt", erklärte später Polizeipräsident Siegfried Stumpf.

Als Chef des Reviers Wolframstraße war der erfahrene Einsatzleiter Feß in den Monaten zuvor für zahlreiche Stuttgart-21-Demonstrationen zuständig; seine Kompetenz und Kenntnis des Gegenübers sollten ihm bei der befürchteten Konfrontation mit der Protestbewegung gegen die Baumfällarbeiten im Park helfen.

Weil Stumpf zu dieser Stunde zur Pressekonferenz der Bahn in den Landtag abkommandiert ist, ist es Abschnittsleiter Feß, der am 30.September um 12.58 Uhr - nach vielen vergeblichen Aufforderungen an die Demonstranten zur Räumung der Straße - den ersten direkten Einsatz des Wasserwerfers gegen die Menschenmenge befiehlt.

Innenministerium dementiert

"Feß ist daher bei den S-21-Gegnern und der Landtagsopposition stark umstritten", heißt es in einer anonymen E-Mail am Dienstag: "Das Innenministerium und das Polizeipräsidium Stuttgart bereiten die Ablösung von Feß vor." Mit diesem Schritt wolle das Ministerium "für den Fall eines Regierungswechsels seine Handlungsfähigkeit beweisen" und den Wunsch "nach personellen Konsequenzen ohne prominentes Opfer bedienen", mutmaßt der Anonymus. Sprich: Feß soll das Bauernopfer sein.

Diese Darstellung ist am Dienstag sowohl in der Politik wie in Polizeikreisen auf heftige Gegenwehr gestoßen. Die Botschaft lautet: Alles falsch, alles erlogen, alles willkürlich missverstanden. "Das sind ausschließlich Gerüchte", betont Alice Loyson-Siemering, Pressesprecherin des Innenministeriums. Damit sei alles gesagt.

"Zu Personalangelegenheiten im höheren Dienst können wir keine Auskunft geben, dafür ist allein das Ministerium zuständig", sagt Stefan Keilbach, Pressesprecher des Polizeipräsidiums. Dort heißt es ergänzend, dass man keinerlei Kenntnis davon habe, dass der besagte Polizeibeamte ins Ministerium versetzt werde; auch gebe es keine Anzeichen für ein Fehlverhalten im Schlossgarten am 30. September 2010.

Stelle ist ausgeschrieben

Doch vollkommen aus der Luft gegriffen ist der anonyme Hinweis auf die Personalie nicht. "Es trifft zu, dass die Stelle des Revierleiters Wolframstraße seit Montag neu ausgeschrieben ist und dass ich mich nicht dafür bewerben werde", bestätigt Andreas Feß am Dienstag dieser Zeitung. Er verliere "Stand heute" seine jetzige Stelle und wisse noch nicht, wohin ihn das Ministerium versetzen werde, sagt der 38-Jährige. "Mit Stuttgart21 hat das allerdings rein gar nichts zu tun", betont er. Kein Polizeibeamter wolle, dass Menschen bei einem Einsatz zu Schaden komme. "Trotzdem habe ich mir aus polizeilicher Sicht beim fraglichen Wasserwerfereinsatz nichts vorzuwerfen", betont Feß. Dafür spricht seiner Ansicht nach auch die Tatsache, dass er seitdem immer wieder aufs neue bei S-21-Demonstrationen eingesetzt worden ist.

Hintergrund für den Wechsel von Feß ist nach Darstellung aus Polizeikreisen die "lange vor dem 30.September 2010" geplante und jetzt vollzogene Aufwertung der Leitungsstellen der Reviere Wolframstraße, Innenstadt und Bad Cannstatt. Vorgesehen im Chefsessel ist künftig der Dienstgrad Polizeidirektor - doch für diesen nächsthöheren Rang kommt der erst jüngst beförderte Polizeioberrat noch nicht in Betracht.

In Polizeikreisen erinnert man sich außerdem, dass Feß schon seit geraumer Zeit für eine Stelle im Präventionsbereich des Ministeriums gehandelt wurde. Nun sollten auch Taten folgen. "Mit der unklaren Situation tut man dem Kollegen Feß innerhalb der Polizei und auch in der kritischen öffentlichen Wahrnehmung keinen Gefallen", warnt ein langjähriger Einsatzleiter.