Als die Fahnder Anfang 2012 beim Abriss des Südflügels anrückten, ging ihnen ein 14-köpfiger Arbeitstrupp ins Netz, für den sich der verantwortliche Subunternehmer den gesetzlichen Mindestlohn sparte. Foto: Peter-Michael Petsch

Deutschlands größte Baustelle wird besonders beobachtet – Arbeitskreis mit Polizei und Zoll gebildet.

Stuttgart - Die Bahnprojekte Stuttgart 21 und ICE-Neubaustrecke Wendlingen–Ulm werden mit einem kalkulierten Investitionsvolumen von 7,5 Milliarden Euro einige Jahre lang Deutschlands größte Baustelle sein. Auch bei den Fahndern nach illegaler Beschäftigung auf dem Bau werden die beiden Großprojekte in den nächsten Jahren weit oben auf der Liste stehen.

„Trotz der gewissen politischen Brisanz“, die einige Baustellen mit sich brächten, lege man bei Überprüfungen „selbstverständlich einen einheitlichen Maßstab“ an, betont jedoch Thomas Böhme, Sprecher des Hauptzollamts Stuttgart. Im Zuständigkeitsbereich der Behörde findet bis zur geplanten Fertigstellung Ende 2020 der größte Teil der S-21-Bautätigkeiten statt.

In Hochzeiten werden mehrere Tausend Arbeiter gleichzeitig beschäftigt sein

Die Stuttgarter Fahnder wollen trotzdem keinen Sonderfall S 21 schaffen, weil das nicht nur dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspräche, sondern auch als Freibrief für andere, potenzielle Fahndungsziele missverstanden werden könnte. In der Praxis werden die Ermittler aber kaum um die Megabaustelle herumkommen, in der in Hochzeiten mehrere Tausend Arbeiter gleichzeitig beschäftigt sein werden.

Bereits wenige Tage nachdem die Deutsche Bahn im Sommer 2010 mit dem Abbruch des Nordflügels am alten Hauptbahnhof begonnen hatte, statteten die Fahnder der Baustelle einen ersten Besuch ab – und wurden prompt fündig: Neun Arbeiter wurden unter dem Verdacht Scheinselbstständigkeit oder Sozialversicherungsbetrug ermittelt. Auch die Sicherheitsfirma, die das Baufeld bewachte, fiel negativ auf.

Anfang 2012 ging den Beamten ein 14-köpfiger Arbeitstrupp ins Netz

Bei einer Überprüfung der Gleisbauarbeiten im Herbst 2010 waren die Fahnder angenehm überrascht: Kein einziger Treffer. Als sie Anfang 2012 beim Abriss des Südflügels erneut anrückten, ging den Beamten jedoch ein 14-köpfiger Arbeitstrupp ins Netz, für den sich der verantwortliche Subunternehmer den gesetzlichen Mindestlohn sparte.

In den letzten Jahren hat es in Stuttgart kaum ein größeres Bauvorhaben gegeben, bei dem die Fahnder nicht fündig geworden sind: 2005 wurde auf der Baustelle der Landesmesse eine 25-köpfige Kolonne entdeckt, die laut Zoll „nicht ansatzweise“ den legalen Mindestlohn erhalten hatten. 2005 wurden die Fahnder auch auf der Baustelle der Königsbau-Passagen am Schlossplatz fündig. 2007 wurde bei der Baustelle des Porsche-Museums teilweise illegal geschafft; 2008 bei einer Seniorenresidenz auf dem Killesberg; 2009 auf der SWR-Baustelle, 2010 am Marienplatz und 2011 beim Bau der neuen Stadtbibliothek.

Auf den diversen S-21-Baustellen, die in den kommenden Jahren das Stadtgebiet überziehen, will der Zoll offenbar feste Kontrollstellen einrichten. Ein solcher Posten hatte sich auf der Baustelle der Landesmesse bewährt. Aus zuverlässiger Quelle aus den Sicherheitsbehörden war allerdings vor kurzem noch zu hören, dass sich die Bahn gegen derartige Kontrollstellen sperrt.

„Das Gegenteil trifft zu“, widerspricht S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Die Bahn hat auf den Baustellen das Hausrecht. Die Bauleitung habe sogar einen Arbeitskreis mit den Polizei- und Zollbehörden ins Leben gerufen, in dem man „regelungsbedürftige Tatbestände“ klären könne, so Dietrich. „Das ist von den Behörden sehr positiv aufgenommen worden.“