Auf einem Allgäuer Bauernhof sind 30 Kühe gestorben, weil das Futter verdorben war. Für den Schaden muss nun die Familie eines Elfjährigen aufkommen. Foto: dpa

Ein schwäbisches Urlauberkind sticht auf einem Allgäuer Bauernhof im Spiel Löcher in Siloballen. Die Ballen sind für ihn Außerirdische. Nach einem Prozess erhält der Landwirt 50.000 Euro Schadenersatz. Eigentlich wollte er viel mehr.

Augsburg - Ein Streit um die Beschädigung von Siloballen auf einem Allgäuer Bauernhof durch ein Kind aus dem Großraum Stuttgart ist mit einem Vergleich beendet worden. Am Donnerstag einigten sich die Parteien vor dem in Augsburg ansässigen Zivilsenat des Oberlandesgerichts München darauf, dass der Landwirt für den entstandenen Schaden 50 000 Euro erhält. Die Summe wird die Haftpflichtversicherung der beklagten Familie übernehmen.

Das Kind hatte Löcher in mehrere Maisballen gestochen. Nach Angaben des Bauern war dadurch Luft in das Innere gelangt, was das Futter verderben ließ. Die Folge: Zahlreiche Kühe wurden krank, 30 Tiere starben. „Der Verlust war existenzbedrohend. Der Betrieb knabbert immer noch an dem Ereignis“, sagte die Anwältin des Bauern.

Der Landwirt hatte ursprünglich rund 170 000 Euro Schadenersatz von dem Buben und seinem Vater verlangt. Im Oktober 2013 hatte die Familie Urlaub in einer Ferienwohnung auf dem Hof im Landkreis Lindau gemacht. Der damals elfjährige Junge hatte eigenen Angaben zufolge gespielt und die mit Folie umwickelten Maisballen als Außerirdische angesehen. Mit einem Weidezaunstab stach er Löcher in die „Klingonen“.

Elfjähriger ist deliktsfähig entschied das Gericht

Durch die luftdichte Verpackung der Ballen wird das Viehfutter haltbar gemacht. Zwölf Ballen, in denen sich gehäckselter Mais befand, wurden nach Angaben des Landwirts beschädigt. Weil dies für ihn nicht erkennbar gewesen sei, habe er den Mais verfüttert. Den Schaden, der ihm durch Tierarztkosten, den Kauf neuer Kühe und Milchgeldverluste entstanden sei, wollte er ersetzt bekommen.

Das Landgericht Kempten hatte die Klage des Mannes im Januar in erster Instanz abgewiesen. Die Begründung: Das Kind habe zwar das Eigentum des Landwirts verletzt. Weil dem Jungen aber die Folgen seines Handelns nicht bewusst waren, könne ihm nicht einmal Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Das Gericht sah auch keine Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Vater. Gegen das Urteil legte der Landwirt Berufung ein.

Der Zivilsenat in Augsburg erklärte zum Prozessauftakt, dass er die Ansicht des Landgerichts nicht teilt. „Wir sehen eine Haftung des Kindes dem Grunde nach gegeben“, sagte der Vorsitzende Richter. Ein Elfjähriger sei deliktsfähig und müsse für sein Handeln die Verantwortung übernehmen. „Wer eine Verpackung beschädigt, haftet dafür, was sich in der Verpackung befindet.“ Den vom Kläger berechneten Schaden hielt das Gericht allerdings für zu hoch.

Auf Vorschlag des Zivilsenats einigten sich die Parteien schließlich. Die Beklagten sahen zwar ein Mitverschulden des Bauern, weil er den Mais an seine Tiere verfüttert hat, ohne vorher die Folien und das Futter zu untersuchen. Nach Rücksprache mit ihrer Haftpflichtversicherung erklärte die Familie sich aber zu der Zahlung bereit.