Ein Techniker bedient eine von acht Rundstrickmaschinen am Firmensitz von Marc Cain in Bodelshausen. Foto: Marc Cain

Marc-Cain-Inhaber Helmut Schlotterer produziert einen Teil seiner Kollektion mit modernster Technik in Baden-Württemberg. Das Unternehmen aus Bodelshausen will Frauen von Kopf bis Fuß mit italienisch angehauchter Mode einkleiden.

Bodelshausen - Klack, klack, klack, klack, klack. Die aneinander stoßenden Kleiderbügel geben den Takt im automatisierten Warenlager vor. Wie Perlen an der Schnur schweben hunderte Blusen vom Lastwagen herein. Sie kommen von einem der rund 50 Lieferanten, die Marc Cain in Rumänien, Bulgarien und Ungarn hat. Der Modemacher aus Bodelshausen (Landkreis Tübingen) setzt bei der Produktion im Gegensatz zur großen Masse der Konkurrenz nicht auf Asien, sondern auf Süd- und Osteuropa – und die schwäbische Heimat.

Nur einen kurzen Fußweg vom Logistikzentrum, das im vergangenen Dezember am Fuße der Schwäbischen Alb in den Betrieb gegangen ist, rattern hundert High-Tech-Strickmaschinen vor sich hin. Menschen setzen dabei nur noch die Spulen mit dem Garn auf die Geräte. Unten kommt der fertige Pullover heraus, der in nur einem Arbeitsgang am Stück und ohne Nähte entsteht. Den Produktionsprozess programmieren und steuern Techniker vom Computer aus. Mittels dieses 3-D-Strickverfahrens produziert der Hersteller im Dreischichtbetrieb rund ein Drittel seines Stricksortiments.

Der Strickmaschinenpark, das neue Warenlager, das Verwaltungsgebäude und der 800 Quadratmeter große Outlet-Store auf der anderen Straßenseite der Marc-Cain-Allee. Alle Gebäude auf dem Betriebsgelände wurden in den vergangenen zehn Jahren auf der grünen Wiese hochgezogen, alle sind schneeweiß außen wie innen, bis hin zu Details wie den Feuerlöschern. Als Vorlage für das Design diente dem Architekten das Museum Frieder Burda in Baden-Baden.

Schlotterer hat das Unternehmen 1973 gegründet

Helmut Schlotterer rührt in der Betriebskantine in einer Tasse Espresso und erklärt seine Philosophie: „Während andere outsourchen, machen wir viel selber – zum Beispiel Werbung, IT und Innenarchitektur“, zählt der Do-It-Yourself-Unternehmer auf. Schlotterer hat Marc Cain 1973 in Italien gegründet und drei Jahre später in die schwäbische Provinz verlagert, wo er zunächst die darbende Näherei seines Vater sanierte. Schon seinen ersten Messestand habe er mit den eigenen Händen zusammengezimmert.

Als nächstes großes Bauprojekt entsteht für fünf Millionen Euro eine weitere Halle am Stammsitz für Schreinerei, Lackiererei und Möbellager. Firmeneigene Tischler und Schreiner sollen darin von Ende 2017 an Möbel und Ausstattungen für Geschäftsräume, Showrooms und Läden fertigen – alles für den Eigenbedarf.

Einen Schritt hat Schlotterer nicht auf eigene Faust gewagt: eine eigene Produktion im Ausland aufzubauen. Während er Strickgarn, Gewebe und Stoffe hauptsächlich in Italien bezieht, zum Teil seit 1976 vom gleichen Lieferanten, und in Baden-Württemberg veredelt und bedruckt, geschieht der letzte Fertigungsschritt, das Nähen, weitgehend in Osteuropa. „Ich arbeite lieber mit Partnern zusammen, die die Gegebenheiten vor Ort kennen“, sagt Schlotterer. Die Partnerbetriebe in Rumänien, Bulgarien und Ungarn würden rund 2000 Mitarbeiter beschäftigen.

Fachkräfte sind auch in Osteuropa schwer zu finden

Dass der Mindestlohn dort oft unter dem existenzsichernden Lohn liegt und den Beschäftigten somit nicht ausreicht, um ihre Familien zu ernähren, ist in der osteuropäischen Textilindustrie kaum anders als in asiatischen Zulieferländern. In den Fabriken, wo für Marc Cain genäht wird, würden Löhne „weit über dem jeweiligen gesetzlichen Mindestlohn gezahlt“, sagt Schlotterer trocken. Anders seien qualifizierte Fachkräfte auch dort nicht mehr zu bekommen. Marc Cain in Bodelshausen und die Nähereien in Osteuropa haben eins gemeinsam: Neues Personal zu finden, wird immer schwieriger. Mittlerweile wandern auch rumänische und bulgarische Arbeiter in die Zulieferindustrie ab, wo sie mehr Geld verdienen. Eine Prognose, wie es langfristig an den Produktionsstandorten weitergeht, wagt Schlotterer nicht. Doch er weiß, wie er die Beschäftigung in Bodelshausen halten will, einem Ort, in dem es zu Hochzeiten der Textilindustrie ein Dutzend Strickereien gegeben hat: durch technische Innovationen. „Eine Garantie, dass wir auch in zehn Jahren noch hier produzieren, gibt uns keiner.“

Wie gelingt es ihm, in der von Krisen, Insolvenzen und Sparprogrammen gebeutelten Textilbranche besser als die Konkurrenz da zu stehen? Der Firmeninhaber hat mehrere Erklärungsansätze. Einer sei seine finanzielle Unabhängigkeit: „Ich ziehe kein Kapital aus dem Unternehmen und muss keine weit verzweigten Verwandtschaftsstränge oder Investoren befriedigen“, sagt er. Übernahmeangebote lehnt Schlotterer beharrlich ab. Wenn er sich selbst eines Tages zurückzieht, werde Marc Cain in eine gemeinnützige Stiftung überführt. Schon heute sieht sich der 70-Jährige eher in der Rolle eines „Impulsgebers“.

Massive Flächenexpansion schadet der Konkurrenz

Zur Strategie einzelner Konkurrenten äußert sich Schlotterer nicht, allerdings habe er die massive Expansion mancher Wettbewerber bei eigenen Verkaufsflächen stets mit Skepsis betrachtet. Er selbst setzt rund 80 Prozent über Großhandelspartner wie P&C, Breuninger, Engelhorn oder die früheren Karstadt-Luxushäuser in München, Hamburg und Berlin um. „Es wäre nicht clever, diese Kunden zu verprellen.“ Ein Blazer kostet zwischen 200 und 500 Euro, eine Hose 100 bis 250 Euro. Im Premiumbereich konkurriert Marc Cain mit Marken wie Boss Women oder René Lezard. Seine eigenen Kleider bezeichnet der gelernte Textiltechniker und Betriebswirt Schlotterer als „ein bisschen fancy und detailverliebt“.

Die Rabattschlachten des Einzelhandels bezeichnet Schlotterer als größten Fehler der Branche: „Die Preise verfallen viel zu früh.“ Die meisten Händler würden nahezu ausschließlich mit ihren niedrigen Preisen werben, statt mit Produkteigenschaften oder Serviceleistungen. Die größte Herausforderung für die eigene Marke sieht der Modeunternehmer darin, begehrlich für nachwachsende Zielgruppen zu werden, ohne die Stammkundschaft zu verlieren.

Verkaufsflächen in mehr als 60 Ländern

Zahlen
Marc Cain hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 270 Millionen Euro erwirtschaftet. Das Unternehmen beschäftigt gut 1085 Mitarbeiter, davon 960 in Deutschland. Unterm Strich stand ein Vorsteuergewinn von 32 Millionen Euro und ein Jahresüberschuss von 18 Millionen Euro. Für das laufende Jahr rechnet Unternehmenschef Schlotterer mit einem Umsatzplus von acht Prozent.

Expansion
Die Geschäfte in Russland und der Ukraine, die Marke ist unter anderem mit fünf Läden in Moskau und dreien in Kiew vertreten, brachen zuletzt um mehr als 30 Prozent ein. Daher expandiert Marc Cain derzeit stärker im US-Markt und in Kanada.

Vertrieb Das Unternehmen betreibt insgesamt 210 Einzelhandelsflächen entweder in Eigenregie, vor allem in Deutschland, den Niederlanden und Belgien, oder über Franchisenehmer, etwa in Russland und China. Diese Läden machen inklusive des Onlineshops allerdings nur ein Fünftel des Gesamtumsatzes aus. Den Löwenanteil erwirtschaftet Marc Cain über den Großhandel. Dazu zählen knapp 300 Shop-in-Shop-Flächen, 400 Depotkunden und rund 1100 Fachhändler in mehr als 60 Ländern.