Senior Christian Gruel gehörte vor drei Jahrzehnten zu den Mitbegründern der deutschen Whisky-Szene, sein Enkel Immanuel führt die Tradition im Familienbetrieb fort. Foto: dpa

Whisky aus Baden-Württemberg – geht das überhaupt? Auf jeden Fall, sagt eine Handvoll schwäbischer Brenner, sogar immer besser. Ein Besuch in der Whisky-Hochburg Owen.

Owen - Thomas Dannenmann ist Brenner. Er hat seinen Bellerhof, den er 1990 als Familienbetrieb übernommen hat, in Owen. Der kleine Ort im Kreis Esslingen ist eine der Hochburgen des schwäbischen und durchaus auch des deutschen Whiskys. Früher gab es auf dem Bellerhof noch Milch- und Fleischwirtschaft, inzwischen betreibt Dannenmann den Hof als Pferdepension mit Ferienwohnung und kleiner Brennerei. Aus seinen 300 Obstbäumen gewinnt Dannenmann diverse Obstbrände und aus seinem Getreide schwäbischen Whisky.

Für einen echten Schwaben sei es natürlich eine Herausforderung, den Kornbrand in Fässer einzulagern und nicht zu wissen, was in ein paar Jahren dabei herauskommt. „Da muss man probieren, und manchmal kostet es auch Geld“, sagt er. Er probiert seinen reifenden Whisky alle halbe Jahr und lagert möglichst rechtzeitig um. In Deutschland sind neue Fässer aus deutscher Eiche beliebt, manchmal auch Nußbaum oder amerikanische Eiche. Beliebt sind aber auch Fässer aus Spanien und Portugal, in denen vorher Sherry oder Portwein lagerte. „Zwei Jahre in deutscher Eiche, sechs Jahre im Sherry-Fass“, beschreibt Dannenmann eine mögliche Kombination. Kastanie sei zu intensiv im Aroma.

Whiskymarkt im Wandel

Beim Versuch, den Whiskys einzigartige Aromen zu verleihen, lassen sich die Brenner viel einfallen. „Zwischen meinen Fässern lagern Heuballen“, sagt Immanuel Gruel mit einem Augenzwinkern und überlässt es dem Besucher, ihm zu glauben oder eben nicht. Gruels Großvater gehörte Ende der 1980er Jahre zu den Mitbegründern der deutschen Whiskyszene. 2010 hat Enkel Immanuel Gruel den Betrieb übernommen und auf seinen sechs Hektar Fläche das Brennen zum Haupterwerb gemacht.

Gruel sieht den internationalen Whiskymarkt in einem Wandel, der den schwäbischen Brennern in die Hände spielt. Die sechs bis zehn Jahre alten Whiskys seien gefragter denn je, ein Sortiment, mit dem die schwäbischen Brenner zurzeit auf dem Markt seien. „Aber am Ende entscheidet der Kunde“, sagt Gruel, der selbst bei der Lagerung nur gebrauchte Fässer bevorzugt.

„Ist das Most?“ – Diese Frage hat Hans-Peter Schwarz noch vor zehn Jahren häufig gehört, wenn er auf Spiritousenmessen auf den schwäbischen Whisky zu sprechen kam. Mancher Gesprächspartner wähnte den Veranstalter regionaler Genussevents, der mit den Brennern in Owen vor einigen Jahren den Whisky Walk, eine Wanderung durch den Ort und über die Felder mit einer Whiskyverkostung organisiert hat, sogar mit einem Fuß im Gefängnis. Das Gebräu, das schwäbische Brenner neben ihren Obstschnäpsen herstellten, könne niemals Whisky sein. „Ein Whisky kommt für viele nur von der Insel oder aus Übersee“, also aus Schottland, Irland und den USA, sagt Schwarz.

Tatsächlich ist die Wahrheit eine andere. Zwar haben viele Regionen und Länder unterschiedliche Regelungen und Vorschriften, aber in der Europäischen Union etwa gilt seit Anfang 2008 ein kleinster gemeinsamer Nenner: Ein Whisky muss aus der Destillation von Getreidemalzmaische gewonnen sein, zu einem Alkoholgehalt von weniger als 94,8 Volumenprozent destilliert werden, mindestens drei Jahre in Holzfässern lagern und einen Mindestalkoholgehalt von 40 Volumenprozent in der Flasche aufweisen.

In Deutschland sind Fässer aus deutscher Eiche beliebt

Alles andere, etwa der rauchige Torfgeschmack der schottischen Whiskys, ist demnach eine regionale Spezialität. Vom konventionellen deutschen Kornschnaps unterscheidet sich der Whisky streng genommen also nur durch die Faßlagerung. Aber die hat es in sich und ist eine Kunst für sich – was womöglich erklärt, warum gerade schwäbische Brenner sich so gerne am Whisky versuchen: Es gibt jede Menge zu tüfteln.

Geschmacklich sei der deutsche Whisky eher den irischen Whiskys zuzuorden, sagt Angelika Weis. Sie ist ausgebildete Edelbrand-Sommelière und arbeitet als „Schwäbische Whisky-Botschafterin“ beim Genuss-Veranstalter Hans-Peter Schwarz. Einen torfigen Whisky werde es nicht geben aus Deutschland, weil Torflandschaften hierzulande unter Schutz stünden. „Ein Whisky ist immer auch ein Spiegel seiner Heimat.“

Und die ist trotz aller Ausflüge in die Welt des Whiskys immer noch dem klassischen Obstbrand verbunden. Der Verband Deutscher Whiskybrenner hat sich 2004 gegründet und hat zurzeit 33 Mitglieder. Etwa 300 Brenner beschäftigen sich deutschlandweit mit dem Thema Whisky, wie der Vorsitzende des Verbands, Hans-Gerhard Fink, schätzt. Einige Trittbrettfahrer, die vom Trend profitieren wollen, werden wieder verschwinden und etwa 50 Brenner übrig bleiben, so seine Prognose.

Whisky: ein grundehrliches Produkt

Dem gegenüber stehen rund 29 000 Kleinbrenner deutschlandweit, von denen viele aus historischen Gründen vor allem in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und im Saarland zuhause sind. Die einst strukturschwache Gegend wurde durch das Brennrecht und die damit verbundenen Einnahmen zu Kaiserzeiten gefördert, wie Fink erklärt.

Bis der deutsche und schwäbische Whisky international so präsent ist wie seine Kollegen aus Schottland, Irland und den USA, wird es also noch länger dauern. Der Verband der Whiskybrenner habe gerade erst richtig angefangen, sagt Thomas Dannenmann, es gebe noch nicht einmal klare und verbindliche Qualitätskriterien. Für ein gemeinsam finanziertes Qualitätssiegel seien die Umsätze der einzelnen Brenner noch viel zu gering. „Im Zweifel fehlen uns 100 Jahre“, sagt Dannenmann mit Blick auf die Brenntradition auf den britischen Inseln. Doch das hält Dannenmann und seine Brenner in der Nachbarschaft nicht ab – aus Sympathie zum Getränk. „Der Whisky ist ein grundehrliches Produkt.“