Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie vom Shooting. Foto: Schädle

Sie heißen Blutsgeschwister, Schwabenkind, einelinie oder Goldknopf Couture: Mode aus Stuttgart.

Stuttgart - Gelernt hat er den Beruf des Anästhesisten. Dr. Bertram Schädle, 39, weiß, wie man Patienten in einen sanften Schlaf schickt. In seinem jetzigen Beruf läuft alles ganz anders. Als Werbe- und Modefotograf ist er ein Wachmacher, einer, der Lust weckt. Mit dem Stuttgarter Model Anni Hoyer und der Reutlinger Studentin Annika Bolsinger hat er sich nun der Heimatmode angenommen. Das Wort Heimatmode mag nach Provinz klingen. Doch gerade dort, wo man’s nicht vermutet, lebt sich’s ungeniert, inspirierend frei – weit weg von allem Trend-Regiment.

Sie heißen Blutsgeschwister, Schwabenkind, einelinie oder Goldknopf Couture. Labels, die zu Botschaftern einer frechen und frischen Schwabengeneration geworden sind. Mögen sie auch Konkurrenten an der Boutiquekasse sein – in den Tübinger momentum-Studios haben sich 16 schwäbische Designer (außerdem dabei: Kinga Mathe, Sonja Marohn , Marc Cain, Felix Bopp, StrictlyP rivatel Lingery, kö22) mit sieben Models aus sechs Ländern zu einer Art Imagekampagne zusammengetan.

„Anything but old-fashioned“, heißt das Motto dieser nichtkommerziellen Aktion, alles außer altmodisch. Das Motto erinnert an „ Wir können alles außer Hochdeutsch“ und wäre was für die Landeskampagne . Die heimischen Modedesigner können alles außer langweilig. Obacht! Schwäbisch steht für originell, witzig, sexy. hochwertig.

Einer der schönen Körper vor Schädles digitaler Mittelformat-Kamera (für Fachleute: das System Phase One IQ 180 sorgt mit einer Auflösung von 80 Millionen Pixeln für einzigartige Farben und Details) gehört Stephan Kocijan. Der Kroate mit den blauen Augen brachte zum Shooting seine Freundin mit: Popstar Cassandra Steen wollte auch mal den Gefährten bei der Arbeit live miterleben. Außerdem dabei: Spitzenkoch Ludwig Heer , der seine Kochschürzen vorführt, an die man per Magnet Küchenmesser hängen kann., sowie Primaballerina Myriam Simon. „Baden-Württemberg kann auf eine große Tradition in der Textilherstellung und auch im textilverarbeitenden Gewerbe zurückblicken“, sagt Schädle, „in den letzten Jahren haben sich beim Mode-Design einige Labels hervorragend entwickelt und sind mittlerweile weit über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannt.“ Das „Editorial“, wie in der Fachsprache die Fotostrecke heißt, die Schädle für ein großes Magazin inszeniert (für welches ist noch streng geheim), soll mithelfen , schwäbische Labels zu „internationalisieren“. Beeindruckt war der 39-Jährige von der „hohen Qualität der Stoffe und ihrer Verarbeitung“ und der „unglaublichen Vielfalt“ der schwäbischen Designern, die er in seinem Studio in Szene gesetzt hat: „Vom Dirndl über Lingerie bis zum Glamourroben war alles dabei.“

Seine eigene Vielfalt lebt Bertram Schädle aus, in dem er neben seiner Tätigkeit als Fotograf auch nach als Notarzt arbeitet. Den festen Job in der Uniklinik als Anästhesist hat er für seine künstlerische Seite aufgegeben, doch als Lebensretter steigt er noch regelmäßig in den Rettungswagen. Lebensretter brauchen die schwäbischen Modeschöpfer nicht. Doch oft stehen sie im Schatten der Lautsprecher aus Berlin oder Düsseldorf. Der frühere Balletttänzer Thomas Lempertz, der mit seinem Lebenspartner Friedemann Vogel, dem Starsolisten des Stuttgarter Balletts, das Label Goldknopf Couture führt, bekennt sich zum Standort in einer Stadt, die für Autos, nicht für Mode weltberühmt ist. „Wir rollen den Teppich von hinten auf“, sagt er, „außerdem wollen wir dort bleiben, wo unsere Kunden sind.“

Im Zeitalter des Internets ist der Standort schon lange nicht mehr die entscheidende Frage. Das Stuttgarter Label einelinie, von dem Modedesigner Tobias Siewert und dem Industriedesigner Manuel Kloker erst vor einem Jahr gegründet, zählt zu den Senkrechtstartern im Webmodegeschäft (siehe: www.einelinie.de). Die Liebe zum Detail ist beiden bei ihrer Streetcouture sehr wichtig. Raffiniert geschnittene Hosen und leuchtende Oberteile in eigens entwickelten Stoffen sind die Spezialität von e inelinie. Mit einer „Fashion Night“ am 5. Mai, 22 Uhr, wollen sie im Friedrichsbau Varieté ihre neue Sommerkollektion vorführen. Sommer ist, wenn man sich gut und locker fühlt – nicht nur dank der Sonne, sondern auch dank der Kleidung, die man liebt.

In Tübingen trugen die Models bereits Herbst- und Wintermode, die noch so streng geheim gehalten wird, dass eine Veröffentlichung vor Juli auch auf Facebook untersagt ist. Der international renommierte Make-up-Artist Alexander Becker, der die Models von „Anything but old-fashioned“ gestylt hat, ist begeistert von den ersten Aufnahmen: hat: „ Das hat Vogue-Format.“

Schwäbischer Stil – das ist Leidenschaft mit Tüftlergeist und Handwerkskönnen. Die Verniedlichung können wir nun endgültig streichen. Der Begriff Ländle passt nicht mehr. Der ist wirklich old-fashioned.