Der Bürgerbrief sichert den Eintritt zu den Schwörtagen. Für die Münze gibt es einen Becher Wein und Brot. Foto: Stadt

Am 9. und 10. Juli wird der mittelalterliche Brauch wieder zelebriert – in modernem Gewand. Die Stadt will damit das Gemeinschaftsgefühl stärken. Ganz unumstritten ist die Idee nicht.

Schwäbisch Gmünd - Am Freitagabend wird Richard Arnold alle Hände voll zu tun haben. Wenn die „Staufersaga“ beim Stauferfestival in Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) Premiere feiert, hat der Oberbürgermeister wenig Zeit, das Schauspiel zu bewundern. Er muss sich als einer der offiziell bestallten Rossbollensammler um die Hinterlassenschaften jener Pferde kümmern, die bei der „Staufersaga“ ihren großen Auftritt haben. Am 9. Juli aber steht Arnold selbst auf der Bühne. Dann hält der CDU-Politiker seine erste Schwörtagsrede. Denn Schwäbisch Gmünd lässt nach 214 Jahren Pause diese mittelalterliche Tradition, die in der Freien Reichsstadt von 1343 bis zum Verlust der Unabhängigkeit im Jahr 1802 zelebriert wurde, wieder aufleben.

Am Schwörtag „hat man sich gegenseitig dem Wohl der Stadt verschworen“, sagt der Rathaussprecher Markus Herrmann. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wie der Integration von Flüchtlingen „brauchen wir mehr denn je die Städte als funktionierende Gemeinschaften“, sagt Herrmann voller Überzeugung.

Ausgrenzung war Teil der eingeschworenen Gemeinschaft

In Baden-Württemberg werden nur noch in Esslingen, Reutlingen und Ulm Schwörtage gefeiert. In Ulm hat der mittelalterliche Brauch seit seiner Wiederaufnahme schon wieder die längste Tradition. In der Stadt hat im Jahr 1949 der damalige Oberbürgermeister Theodor Pfizer die erste Schwörrede gehalten. Esslingen folgte erst 1990, Reutlingen 2005.

Dass die Wiederbelebung der Schwörtagstradition in Schwäbisch Gmünd die integrativen Kräfte fördert, daran gibt es durchaus Zweifel. Im mittelalterlichen Gmünd sei nämlich die Ausgrenzung von Menschen elementarer Bestandteil dieser eingeschworenen Gemeinschaft gewesen, sagt Johannes Schüle, der sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Stadtarchiv engagiert und mit großer Hingabe alte Ratsprotokolle studiert. Was er dabei im Zusammenhang mit dem Schwörtag gelesen hat, hat dem passionierten Stadthistoriker gar nicht gefallen. Der Bürgermeister, die Bürger, die Zünfte und Handwerker verpflichteten sich nicht nur dem Wohl der – bis heute erzkatholischen – Stadt. Sie schworen auch, keinem Juden etwas zu leihen, abzukaufen oder zu verkaufen. Wer sich nicht daran hielt, dem wurden die Bürgerrechte aberkannt.

Schwörtage dienten der Wiederherstellung des Friedens

Das scheint indes eine Gmünder Spezialität zu sein. „Die allein selig machende Kirche hat bei uns eben immer eine große Rolle gespielt“, meint Schüle. Dem Stuttgarter Historiker Mark Meriowsky jedenfalls ist keine andere Stadt bekannt, in der eine antisemitische Formel Bestandteil des Schwörtages war. Die Schwörtage hätten der Wiederherstellung des innerstädtischen Friedens gedient und für Stabilität gesorgt, sagt der Geschichtsprofessor der Stuttgarter Universität.

In dieser Zeit sei das Selbstbewusstsein der Städte gewachsen, so Meriowsky, es hätten sich neue Gruppen gebildet: „Die Zünfte und die Handwerker wollten auch mitreden.“ Dadurch kam es mitunter zu Konfrontationen. Die Schwörtage seien „Denkmale gefundener Kompromisse“ für solche Auseinandersetzungen. In dieser Funktion, das meint auch Meriowsky, durchaus Beispiel gebend: als Exempel dafür, wie Konflikte friedlich und dauerhaft gelöst werden könnten.

Die Staufersaga ist längst zur Bewegung geworden

„Wir wollen eine Brücke schlagen von damals nach heute“, sagt der Gmünder Rathaussprecher Herrmann. Integriert wird das Schwörwochenende in das Stauferfestival. Vom 24. Juni bis zum 8. Juli wird die „Staufersaga“ zehnmal aufgeführt, Karten gibt es allerdings schon länger nicht mehr. Das Schauspiel stammt aus der Feder von Stephan Kirchenbauer-Arnold, dem verstorbenen Lebenspartner des Oberbürgermeisters. Er hatte die aufwendige Inszenierung vor vier Jahren zum 850-Jahr-Jubiläum erstmals auf die Bühne gebracht. Eigentlich hätte das ein einmaliges Mammutprojekt bleiben sollen. Entstanden ist aber eine richtige Bewegung. Der Staufersaga-Verein hat mittlerweile 851 Mitglieder. Für die Vorbereitung der Saga-Termine indes ist seit Monaten schon die halbe Stadt auf den Beinen.

Den Rest will man für die Schwörtage mobilisieren. Nach der Rede und dem Schwur beginnen am 9. Juli die Schwörspiele. Dabei treten Mannschaften aus den elf Stadtteilen und ein Team aus der Kernstadt in zwölf Disziplinen gegeneinander an. Und der OB und die elf Ortsvorsteher wachsen über sich hinaus. Für die Spiele sind nämlich zwölf 2,50 Meter hohe Plastikriesen mit den Gesichtern von Arnold und den Ortsvorstehern gegossen worden.

Der Einsatz der Teams wird belohnt. Es gibt 2000 Euro Antrittsprämie und 3000 Euro für den Sieger. Manche Stadtteile haben ihr Spielgeld schon verplant. Die Herlikofener etwa wollen ein Backhäusle bauen. Wenn man Gemeinschaft nicht beschwören kann, kann man sie vielleicht ja backen.

Stauferfestival
Das Stauferfestival beginnt am 24. Juni mit der Premiere der „Staufersaga“. Bis zum 8. Juli wird die Geschichte der Stadt von 1255 Mitwirkenden zehnmal inszeniert. Die 23 000 Karten sind allerdings schon seit geraumer Zeit ausverkauft. Wer einen Eindruck von dem Spektakel bekommen möchte, der kann am Sonntag, 10. Juli, um 14 Uhr den sogenannten Stauferzug besuchen. Bei dem großen Festumzug durch die Stadt marschieren die Schauspieler in ihren Gewändern mit.

Schwörtage
Die Schwörtage am 9. und 10. Juli schließen sich an das Stauferfestival an. Den Auftakt machen am Samstag um 10 Uhr auf dem Marktplatz die Begrüßung und die Schwörrede des Oberbürgermeisters Richard Arnold. Um 11 Uhr beginnen die Schwörspiele, bei denen zwölf Stadtteile in zwölf Disziplinen gegeneinander antreten. Die Mannschaften brauchen einen langen Atem, der letzte Spielblock beginnt um 21 Uhr. An beiden Tagen findet ein Mittelaltermarkt mit 200 Ständen statt; außerdem zieht ein Stauferlager ins Zentrum ein. In der Ledergasse gibt es an beiden Tagen Ritterturniere mit unterschiedlichen Disziplinen.