Die knalligen Kleider des Modelabels Schwabenkind machen seinem Namen alle Ehre.

Stuttgart - Kunterbunt, knallig, verrückt - so sind die Kleider des Modelabels Schwabenkind, das seinem Namen alle Ehre macht: Nadine Psotta lässt ihre Kollektionen allesamt im Schwabenland fertigen.

Es ist ein kleines Heftchen, das in einem größeren Heftchen klebt. Eine Art Poesiealbum vielleicht. Doch weit gefehlt: "Das ist meine kleine heilige Bibel", sagt Nadine Psotta, die 33-Jährige mit den dunklen Haaren und den dunklen Augen, in denen sich aber alle Farben des Regenbogens zu spiegeln scheinen. Oder sind es die Farben ihrer Kollektion?

"Mit 12 wollte ich Modeschöpferin werden"

Diese farbenfrohe Mode, die sie entwirft, nahm ihren Anfang in besagtem kleinem Heftchen im größeren Heftchen. 6.7.89, dieses Datum prangt ganz oben auf der Seite. Darunter steht in noch ungelenken Buchstaben "Mode von heute". Es folgen einige gezeichnete Entwürfe, etwa der zu einem "Schubbenkleid", einem langen, bunten, in Schuppen bis zum Boden wallenden Kleid. "Meine ersten Worte waren nicht Mama oder Papa, sondern ,anziehen' und ,Kleider' - mit 12 wollte ich dann Modeschöpferin werden", sagt Psotta und zeigt auf diesen im Heftchen festgehaltenen Wunsch.

Er ist in Erfüllung gegangen. Wie aber wuchs dieses Verlangen, Kleider zu entwerfen? "Meine Oma hat, als es nach dem Krieg an allem mangelte, angefangen, selbst zu nähen." Als Kind habe auch die kleine Nadine fast ausschließlich Kleider der Marke Oma getragen. Heute heißt ihre eigenes Label wie die Oma Maria und der Opa Karl, nämlich Carla Maria.

Der Slogan dazu lautet: "Ein Versprechen für die Ewigkeit". "Meine Oma ist zwei Wochen bevor ich meinen Abschluss an einer Stuttgarter Modeschule gemacht habe gestorben", erklärt Nadine Psotta. Nachdenklich streicht sie über ihre kleine, heilige Bibel. "Ich bin abergläubisch", gibt sie zu, "ich glaube, dass meine Oma und mein Opa irgendwo da oben herumwurschteln und ein Auge auf mich haben - denn seit ich mich selbstständig gemacht habe, bin ich noch nie auf die Schnauze gefallen."

Schwabenkind hält, was es verspricht

Psotta hatte zunächst nur vorsichtig einen Fuß in die Tür zum Modeparadies gesteckt. "Ich konnte noch nie an tollen Klamotten vorbeigehen, und habe alles, was mir gefiel, gekauft - ob es mir passt oder nicht." Bis ihre Mutter irgendwann meinte, das "Zeug" müsse raus . So eröffnete sie mit 18 Jahren die Secondhand-Boutique Zone 3 in Ludwigsburg, danach die zweite namens Scepsis in Stuttgart.

Mit 24 Jahren beschloss sie, auch den zweiten Fuß in die Tür zu schieben - sie begann ihr Modestudium an einer renommierten Stuttgarter Privatschule. Danach machte sie sich mit dem Label Carla Maria selbstständig. "Immer wenn ich gerade Stoffe für die Kollektion ausgesucht habe, rief mich meine Mutter an und fragte: ,Und, was macht mein Schwabenkind?"', erinnert sich Psotta. Der Name Schwabenkind gefiel ihr so gut, dass sie beschloss, ein zweites Label zu gründen: das Schwabenkind eben.

Schwabenkind hält, was es verspricht

Freilich sollten sich die beiden Labels klar voneinander unterscheiden: Carla Maria sind meist Einzelanfertigungen, der Stil der Kleider ist schlicht, klassisch und elegant. Ganz anders das Schwabenkind: Die Kleinkollektionen - meist gibt es nur vier oder fünf Stücke - sind kunterbunt, knallig, verrückt. Ganz wichtig ist Psotta, dass die Kollektion hält, was sie verspricht: "Durch meine enge Verbundenheit mit Land und Leuten und um die Region zu unterstützen, habe ich mich entschlossen, ausschließlich im Schwabenland zu produzieren." Viele ihrer auffälligen Stoffe hat Psotta von ihrer Oma geerbt: "Die gibt es sonst nirgendwo - die Stoffe kombiniert mit meinem Stil stechen aus der Masse hervor", sagt Psotta.

Wohl wahr. Dennoch hat die junge Modedesignerin noch nie jemanden in einem Kleidungsstück von sich zufällig auf der Straße gesehen: "Das wäre mein größter Wunsch."

Dafür aber konnte man Teile ihrer Kollektion schon auf dem Musiksender VIVA bei der Sendung "Fast Forward" bewundern. "Die Moderatorin Charlotte Roche hat ein paar Kleider von mir, die ich bei einem Freund im Auto liegengelassen hatte, zufällig gesehen und sich mühsam durchgefragt, von wem die sind", erinnert sich Psotta. Als Roche sie dann anrief, glaubte Psotta zunächst an einen Scherz.

Zunächst hatte die Jungdesignerin einen Laden im H7 in der ehemaligen Bahndirektion am Hauptbahnhof, heute verkauft sie ihre Mode übers Internet - übrigens auch an Männer: etwa den weißen Porsche-Martini-Anzug mit schwarzen und roten Streifen.

Noch einen Traum hat Nadine Psotta: Sie möchte mit ihrem heutigen Wissen und Können ihre Kollektion aus dem Heftchen im Heftchen umsetzen. Sie soll dann "6,7,8,9" heißen - des Datums wegen.

www.carla-maria.de