Ein Mitarbeiter der Schuler AG montiert in Göppingen den Körper einer Münzprägepresse. In der Münztechnik ist das Unternehmen führend. Foto: dpa

Der Göppinger Pressenhersteller Schuler zieht sich von der Börse zurück. Die Börsennotierung lohnt sich für das Unternehmen nicht mehr. Börsennotierte Firmen nehmen viele Pflichten und Kosten auf sich.

Der Göppinger Pressenhersteller Schuler zieht sich von der Börse zurück. Die Börsennotierung lohnt sich für das Unternehmen nicht mehr. Börsennotierte Firmen nehmen viele Pflichten und Kosten auf sich.

Göppingen - Nach 15 Jahren macht der Pressen-Weltmarktführer Schuler Schluss: Am Freitag verkündete das Unternehmen mit Stammsitz in Göppingen, die Firmenaktien von der Börse zu nehmen. Schuler bleibe zwar eine Aktiengesellschaft, wolle den regulierten Markt aber verlassen, sagt Konzernsprecher Ingo Schnaitmann. Die Aktien können dann nicht mehr an den Börsen in Stuttgart und Frankfurt ge- und verkauft werden. Der Vorstand werde einen entsprechenden Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung zum regulierten Markt stellen, heißt es. Er schätzt, dass das sogenannte Delisting der Aktien sechs Monate nach der Veröffentlichung des Widerrufs durch die jeweilige Börsengeschäftsführung wirksam werde. Die Börse reagierte prompt: Die Aktien fielen um sechs Prozent auf 26 Euro.

Hält ein Investor mindestens 95 Prozent der Aktien eines Unternehmens, kann er den Rückzug von der Börse beschließen und die sogenannten Minderheitsaktionäre loswerden, sagt Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Squeeze-out (Zwangsausschluss) heißt das Verfahren, bei dem die Aktionäre eine Abfindung erhalten. Das führe aber immer wieder zu Klagen und vor Gericht, weil die Aktionäre mehr Geld verlangen. Die Frage zu klären, was den Aktionären zusteht, ist laut Burghof manchmal kompliziert.

Bei Schuler sieht das etwas anders aus: Der österreichische Maschinenbauer Andritz besitzt in der Tat mehr als 95 Prozent der Schuler-Anteile. Ende Mai 2012 zog sich die Gründerfamilie – die Schuler-Voiths – nach 173 Jahren aus dem Unternehmen zurück. Die Andritz-Gruppe sicherte sich 38,5 Prozent der Aktien mit einem Kaufpreis von rund 230 Millionen Euro. Im Rahmen der Übernahme erhöhte der Konzern seine Anteile kontinuierlich. Nun sind noch fünf Prozent der Aktien im Streubesitz, stehen also dem Börsenhandel zur Verfügung. Schuler zahlt seine Aktionäre aber nicht aus. Sie behalten ihre Aktien, die sie auf dem offenen Markt verkaufen können. Etwa an einen Dritten oder an Wertpapierdienstleister, sagt Schuler-Sprecher Schnaitmann.

Die Börsennotierung lohnt sich für Schuler nicht mehr. Der Pressenhersteller hatte sich schon im Jahr 2013 auf dem SDax zurückgezogen. Mit dem Komplett-Rückzug will er weiter Kosten sparen und weniger Interna preisgeben. Börsengänge sind für Unternehmen teuer und aufwändig. „An die Börse geht, wer Eigenkapital benötigt und schnell wachsen will“, sagt Börsenexperte Burghof. Das kostet gerade kleinere Firmen jedes Jahr Summen in sechsstelliger Höhe. Börsennotierte Unternehmen haben besonders viele Publizitätspflichten. Sie müssen häufiger als andere Firmen Zahlen vorlegen, zudem müssen sie Hauptversammlungen organisieren. Märkte und Anleger müssen über sämtliche Vorgänge informiert sein, die den Börsenkurs beeinflussen können. Bei Täuschung der Märkte drohen Haftstrafen bis zu fünf Jahren. Entsprechend hoch und teuer sind Rechtsrisiken sowie der Bedarf an Rechtsberatung. Werden dann lediglich fünf Prozent der Aktien gehandelt, bringt das einer Firma noch mehr Kosten als Nutzen. Der Börsenkurs stagniert tagelang oder schwankt heftig, da nur wenige mit den Aktien handeln.

Börsenabgänge gebe es etwa in der Umstrukturierungsphase eines Unternehmens, sagt Burghof. Ende 2000 hat sich der Stuttgarter Autohändler SG Holding zurückgezogen. Beim Stuttgarter Telekommunikationsunternehmen Debitel gab es 2005 ein Squeeze-out.

Schuler erwartet im laufenden Geschäftsjahr einen Umsatz von 1,1 Milliarden Euro. Der Konzern, der sein Geld vor allem als Lieferant von Industriepressen an die Automobilindustrie macht, setzt stark auf energieeffiziente Pressen und Leichtbau. So lieferte Schuler an BMW Pressen für die Produktion von Carbon-Teilen, die im Elektroauto i3 verbaut werden. Carbon gilt als Werkstoff der Zukunft. Es ist leicht und trotzdem stabil. Auf den Pressen entstehen auch die Teile für die Motoren von E-Autos. Trotz guter Zahlen strafft Schuler seine Struktur in Deutschland und streicht 350 Stellen. Zudem will der Konzern in China wachsen.