Der Cannstatter Stadtteil Hallschlag hat die zweithöchste Schuldnerquote im gesamten Stadtgebiet Foto: Michael Steinert

Der Schuldneratlas der Creditreform kommt in Bad Cannstatt und den Neckarvororten teilweise zu überraschenden Ergebnissen.

Bad Cannstatt - Für Bad Cannstatt und die Neckarvororte hält der von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform veröffentlichte Schuldneratlas nur wenig Positives bereit. Das Gebiet mit der Postleitzahl 70376, zu dem sowohl der Stadtbezirk Münster als auch der Cannstatter Stadtteil Hallschlag gehören, hat mit 16,09 Prozent die zweithöchste Schuldnerquote im gesamten Stadtgebiet. Dicht gefolgt von dem Teil Bad Cannstatts mit der Postleitzahl 70372 rund um Benz-, Mercedes-, Waiblingerstraße und Uff-Kirchhof. Dort sind laut Creditreform 15,94 Prozent der Menschen überschuldet, haben „nachhaltige Zahlungsstörungen“.

Etwas positiver sieht es in den oberen Neckarvororten aus. Mit Quoten zwischen zehn und zwölf Prozent landen sie im städtischen Mittelfeld. Das Gleiche gilt für den Teil Bad Cannstatts mit der Postleitzahl 70374 rund um Gnesener, Schmidener, Nürnberger und Augsburger Straße.

In Neugereut leben wenig überschuldete Menschen

Überraschenderweise schneidet ausgerechnet der für seine Hochhaussiedlungen bekannte und sonst häufig als sozialer Brennpunkt bezeichnete Stadtteil Neugereut beim städtischen Schuldnerranking mit nur 7,96 Prozent ziemlich gut ab. In Neugereut, das im Postleitzahlengebiet 70378 mit den übrigen Mühlhausener Stadtteilen zusammengefasst wird, leben laut der Wirtschaftsauskunftei verhältnismäßig wenig überschuldete Menschen.

Das gute Abschneiden dieses Stadtteils gibt auch Wolfgang Schrankenmüller, dem Leiter der Zentralen Schuldnerberatung Stuttgart, Rätsel auf. „Die meisten Schuldner kommen aus Stadtteilen, die sozial schwach sind“, erklärt der Experte. Er nennt verschiedene Faktoren, die darauf hindeuten, dass in einem Gebiet besonders viele Einwohner überschuldet sind. Denn Hartz-IV-Empfänger oder Menschen mit einem geringen Einkommen geraten leichter in die Schuldenfalle.

Ist der Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung also besonders hoch, trifft das meist auch auf die Schuldnerquote zu. Das Gleiche gilt für Alleinerziehende, Menschen mit einem geringen Bildungsniveau oder mit Migrationshintergrund. „Im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung der Stadt haben wir doppelt so viele Migranten in der Beratung“, sagt Schrankenmüller.

Wobei der Schuldnerberater darauf hinweist, dass dieses erhöhte Verschuldungsrisiko nicht etwa an den Migranten selbst liegt. Sie würden einfach nur deutlich häufiger Tätigkeiten mit einer geringen Arbeitsplatzsicherheit ausüben. Familien mit vielen Kindern sind ebenfalls stärker von Überschuldung bedroht.

„Zwei Mahnungen habe ich auch immer mal wieder“

Der vom Sozialamt herausgegebene Sozialdatenatlas aus dem Jahr 2009 zeigt, dass ein Großteil der von Schrankenmüller aufgezählten Indikatoren auf den Stadtteil Hallschlag zutreffen. Die Arbeitslosenquote liegt dort weit über dem städtischen Durchschnitt und mit 21,5 Prozent hat das Viertel den höchsten Anteil an Hartz-IV-Empfängern im gesamten Stadtgebiet. Darüber hinaus weist Hallschlag laut Sozialdatenatlas Kinder und Jugendliche, ebenfalls aus dem Jahr 2009, einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Haushalten mit Kindern auf.

Beim Stadtteil Neugereut widersprechen sich dagegen Schuldner- und Sozialdatenatlas. Laut Sozialamt sind in dem Viertel überproportional viele Menschen arbeitslos. Während der Anteil an Hartz-IV-Empfängern im gesamten Stadtgebiet bei 8,7 Prozent liegt, sind es in Neugereut 12,8 Prozent. Der Sozialdatenatlas Kinder und Jugendliche zeigt, dass auch der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund dort überproportional hoch ist. Doch wie kann es sein, dass ein vom Sozialamt als Problemgebiet eingestufter Stadtteil bei der Schuldnerquote so gut abschneidet?

Schrankenmüller erklärt sich diese Unstimmigkeit mit der großzügigen Gebietseinteilung der Creditreform. Da die Wirtschaftsauskunftei die einzelnen Stadtteile des Bezirks Mühlhausen nicht einzeln betrachtet, sondern nur die Schuldnerquote für das gesamte Postleitzahlengebiet ermittelt habe, würden sich die Stadtteile gegenseitig ausgleichen.

Ein Blick in den Sozialdatenatlas bestätigt diese Vermutung. Ob Arbeitslosenquote oder Anteil an Hartz-IV-Empfängern, der Stadtteil Mühlhausen zum Beispiel liegt stets deutlich unterhalb des städtischen Durchschnitts.

Die großzügige Gebietseinteilung ist aber nicht der einzige Grund, warum Schrankenmüller dazu rät, die Ergebnisse des Schuldneratlas „mit Vorsicht zu genießen“. Creditreform stufe nicht nur Menschen, die in Privatinsolvenz gegangen sind oder eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, als überschuldet ein.

Eine bestimmte Gruppe von Unternehmen würde bei der Wirtschaftsauskunftei angeben, welche ihrer Kunden Zahlungsschwierigkeiten hätten. Bereits zwei Mahnungen würden ausreichen, damit jemand für die Creditreform zur Gruppe der Überschuldeten gehört. Schrankenmüller kritisiert diese Praxis. „Zwei Mahnungen habe ich auch immer mal wieder. Das ist nicht gleichzusetzen mit überschuldet.“