Die Polizei ist mit einem massiven Aufgebot in der Münchener Innenstadt präsent. Foto: dpa

Erst Nizza, dann die Axt-Attacke bei Würzburg und nun Schüsse in München. Mehrere Tote, eine unbekannte Anzahl an Verletzten. Eine „akute Terrorlage“, sagt die Polizei. Angst, Unruhe und Panik machen sich breit.

München - Terror in München, Angst in der ganzen Stadt. Um 17.52 Uhr geht der erste Alarm bei der Polizei ein. Schüsse nahe einem Einkaufszentrum im Nordosten der Stadt werden gemeldet. Nachrichten über Tote und Verletzte machen über soziale Netzwerke wie ein Lauffeuer die Runde. Die Lage ist unklar, auch Stunden nach dem Alarm noch. Das verstärkt die Ungewissheit.

Rund um das Olympia-Einkaufszentrum herrscht Ausnahmezustand. Blitzschnell wird es von der Polizei geräumt, alles ist weiträumig abgesperrt, auch die Straßen rundherum sind dicht. Hunderte Beamte sind im Einsatz, viele schwer bewaffnet und mit schusssicheren Westen ausgerüstet. Doch wo sich die Täter befinden, darüber herrscht zunächst noch völlige Ungewissheit. Bis zu drei Täter sollen es sein, mit Langwaffen auf der Flucht in der Millionenstadt.

Eine Augenzeugin schildert die Situation unmittelbar nach den Schüssen. „Wir waren gerade bei McDonald’s essen“, erzählt die junge Frau. „Dann ist Panik ausgebrochen.“ Mitarbeiter seien rausgerannt, Gäste hinterher, berichtet sie in einem Video, das BR24 auf Twitter veröffentlicht hat. „Kinder haben geheult, sind panisch rausgerannt, und man hat drei Schüsse gehört.“ Wer geschossen hat, konnte sie allerdings nicht beobachten. „Soweit ich gehört habe, war das im Obergeschoss... wir waren unten.“

Video eines um sich schießenden Mannes

Auf einem anderen Video im Internet war zu sehen, wie ein Mann aus einem McDonald’s-Restaurant kommt und mit einer Handfeuerwaffe wahllos auf Menschen schießt. Die Quelle dieses Videos, das auf Twitter veröffentlicht wurde, war zunächst unklar.

Die Tat hier trifft die Stadt an einem Lebensnerv, Freitagnachmittag herrscht in dem Einkaufszentrum in der Regel Hochbetrieb. Alle großen Ketten haben hier Geschäfte. Dann machen Gerüchte die Runde, auch in der Innenstadt seien Schüsse gefallen. Die Polizei ruft die Menschen dazu auf, zu Hause zu bleiben.

„Natürlich macht man sich Sorgen, ich habe schon ein komisches Gefühl“, sagt eine Verkäuferin in einem Zoofachhandel, knapp zwei Kilometer von dem Einkaufszentrum entfernt. Auch um ihre Familie macht sie sich Sorgen, „vor allem, weil ich meinen Bruder und meine Schwester nicht erreicht habe. Die waren vielleicht dort einkaufen.“

Ob sie am Abend nach Hause kommt, weiß sie noch nicht: „Ich wohne ganz in der Nähe, nur fünf Minuten mit dem Auto. Ich hoffe, dass die Straßen da frei sind.“

Nicht weit weg, in einer Seitenstraße, quetschen sich fünf Menschen in einen Kleinwagen. Sie sind Arbeitskollegen, die gerade ihre Schicht in einem Einkaufsmarkt beendet haben: „Es fährt ja keine U-Bahn, wir müssen ja irgendwie alle nach Hause kommen“, sagt eine junge Frau am Steuer, die ihre Kollegen nach Hause fährt. Ein Umweg, den sie gerne in Kauf nimmt: „Ja klar, das ist doch selbstverständlich. Ich bin einfach froh, dass uns nichts passiert ist.“ Die anderen nicken zustimmend: „Wir wollen hier nur noch weg.“

Menschen flüchten in Restaurants und verschanzen sich

Fast gleichzeitig gibt es auch am Stachus mitten in der City Alarm - aber niemand weiß zunächst etwas Genaues. Menschen flüchten aus der Innenstadt, überall marschieren schwerbewaffnete Polizisten auf. Eine Stadt in Todesangst - zu frisch sind noch die Eindrücke von Nizza und von der Axt-Attacke in Würzburg.

Menschen hasten in Bürohäuser und Restaurants. Eine junge Frau setzt sich völlig erschüttert auf die Steintreppen in einem Bürogebäude und weint. „Ich will nicht sterben“, schluchzt sie mit bebender Stimme. „Hier bist Du in Sicherheit“, versucht eine Frau sie zu beruhigen. Auch in den Keller des Restaurants „Il Sogno“ flüchteten etwa 20 bis 30 Menschen.

Schreiend laufen gegen 19 Uhr Gäste in die Küche der McDonald’s-Filiale Stachus. Ein Mitarbeiter versperrt schnell alle Türen. Auch von der McDonald’s-Verwaltung sei er telefonisch angewiesen worden, den Laden geschlossen zu halten, sagt der Mann. Die Stimmung unter den Gästen sei ruhig. „Wir versorgen die Leute mit Getränken und Essen.“

Die Fußgängerzone, auch der Marienplatz in der Innenstadt - sonst Mittelpunkt des städtischen Trubels - sind schnell wie leer gefegt. Angst, Todesangst treibt die Leute weg. Bei Twitter bieten unter dem Hashtag #Offenetür Nutzer sichere Zufluchtsorte für Passanten an.

Die Geschäfte in der Innenstadt schließen weit vor Ladenschluss. Eiserne Gitter werden eilends runtergelassen, manchmal bleiben die Auslagen draußen mit Sonderangeboten stehen. Sicherheit geht vor. Über der Stadt kreisen Polizeihubschrauber, überall hört man Sirenen von Polizei- und Rettungsfahrzeugen. Auf den Straßen unzählige Staus.

Polizisten stehen mit Maschinenpistolen Wache

U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahnen und Busse - alles steht still. Der Hauptbahnhof wird geräumt, alle Züge umgeleitet. Schnell ist die große Bahnhofshalle menschenleer, die Zugänge werden von Polizisten mit Maschinenpistolen bewacht. Menschen flüchten sogar über die Gleise Richtung Heimat. Der Bahnhofsvorplatz wird gesperrt. An den Kreuzungen rund um den Bahnhof stehen schwer bewaffnete Polizisten.

Georgia Guggenmoos war auf einem Bierfest in München und wollte mit ihrem Mann per Bahn zurück nach Murnau. Nun sind sie am Bahnhof gestrandet. „Wir sind schockiert, wir hatten einen so friedvollen Tag“, sagt die 51-Jährige.

Eine Touristin aus Italien fragt in der Innenstadt einen Münchner, wo sie sicher ist. „Am besten gehen Sie in ein Restaurant“, lautet die Antwort. Nur runter von der Straße.