Wie lässt sich die Energieversorgung langfristig und umweltfreundlich sichern? An diesem Thema arbeiten auch Schüler aus Baden-Württemberg. Für ihre Ideen wurden sie jetzt von den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 100.000 Dollar ausgezeichnet.

Stuttgart - „Abu Dhabi – gelandet“, erscheint auf der Anzeigetafel im Stuttgarter Flughafen. Langsam wird es Zeit, das Transparent auszurollen. „Ein herzliches Willkommen dem erfolgreichen Team des Schülerforschungszentrums Südwürttemberg . . .“ steht auf dem Spruchband, das Freunde in der Ankunftshalle in die Höhe halten. Stunden vor Sonnenaufgang sind Rudolf Lehn, der Gründer des Zentrums, und einige Weggefährten sowie Bürgermeisterin Doris Schröter von Bad Saulgau in Richtung Stuttgart aufgebrochen, um ihre Stars in Empfang zu nehmen.

In dieser Woche ist das Schüler-forschungszentrum Südwürttemberg (SFZ) in Abu Dhabi mit dem Zayed-Future-Energy-Preis der Vereinigten Arabischen Emirate ausgezeichnet worden – im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Der Preis wird jedes Jahr für Innovationen im Bereich Klimawandel, Energiesicherung und Umweltschutz an Unternehmer, gemeinnützige Initiativen und Bildungseinrichtungen vergeben. Unter 1500 Bewerbern schafften es die Württemberger in die Endrunde der 14 besten Schulen weltweit. Ihr Vorhaben: Ein intelligentes Netzwerk mit umweltfreundlicheren Kraftwerken und Energiespeichern.

„Wir wussten, dass unsere Projektidee großes Potenzial hat“, erzählt Tobias Beck, Lehrer und Geschäftsführer des SFZ, der mit zwei Schülern in Abu Dhabi die Auszeichnung entgegennahm. „Unser Beitrag zur Energiewende ist nicht nur aus ökologischer Sicht nachhaltig. Wir versuchen, die Welt von morgen in die Bildung von heute zu bringen.“ Die Ingenieure und anderen Experten, die in Zukunft gebraucht würden, wüchsen unter anderem am SFZ heran. „Hier geben wir unverbrauchten Schülerideen eine Chance.“

Eine Idee kan verwirklicht werden

Mit dem Preisgeld von 100.000 Dollar (87.300 Euro) können die Forscher ihre Ideen nun verwirklichen. „Wir wollen ein richtiges kleines Forschungsnetzwerk aufbauen, so wie es in Groß für das Gelingen der Energiewende notwendig wäre“, sagt Beck. Die Vorarbeiten sind längst im Gange.

In Bad Saulgau, der Wiege des SFZ, haben Schüler bereits eine eigene Windkraftanlage errichtet. Dort beobachten sie nicht nur, wie aus Wind Strom wird. Sie probieren auch aus, wie sich die Leistung der Anlage erhöhen lässt. Bald kann auch das Wasserkraftwerk, das andere Jugendliche in Ochsenhausen mit Studenten der Hochschule Biberach geplant haben, gebaut werden. Ein Traum für Julian Haasis, der an dem Projekt mitarbeitet und unzählige Messungen und Berechnungen hinter sich hat. „Wir möchten mit der Wasserkraft die Grundversorgung für das Netz sicherstellen“, sagt der 17-Jährige, der nach dem Abitur im SommerMaschinenbau oder Bauingenieurwesen studieren will.

Auch nach Überlingen wird ein Teil des Geldes fließen. Am dortigen Standort beschäftigen sich junge Forscher mit der Frage, wie Strom, der gerade nicht gebraucht wird, gespeichert werden kann. Dabei verwenden sie ein bekanntes Verfahren auf ihre Weise. „Wir nutzen die überschüssige Energie, um umweltschädliches Kohlendioxid in Methan umzuwandeln“, erklärt Jonas Wörner (15). Das Methan, Hauptbestandteil von Erdgas, kann dann in Gasleitungen oder Tanksgespeichert und bei Bedarf entweder wieder in Strom verwandelt werden – etwa in einem Mini-Gaskraftwerk. Es lässt sich aber auch zum Kochen oder Heizen verwenden. Vielleicht eine Ergänzung zu den Hochleistungsbatterien, an denen die Industrie seit langem forscht – ein Patent hat das SFZ schon angemeldet.

Intelligente Elektronik gesucht

In Friedrichshafen könnte dank des Preisgelds eine Solaranlage entstehen. Wie die dezentral erzeugten Strommengen erfasst und verteilt werden, was davon direkt verbraucht und was gespeichert wird, das soll eine intelligente Elektronik steuern. Für diese Aufgabe suchen Schüler im SFZ in Ulm eine Lösung.

Solche Ideen fallen nicht vom Himmel. Vor über 30 Jahren gründete Lehn, Physiklehrer am Störck-Gymnasium in Bad Saulgau, eine Arbeitsgruppe für experimentierfreudige Jugendliche. Bald schon kamen freitagnachmittags und samstags auch Interessierte aus anderen Schulen und Regionen, um sich auf Wettbewerbe wie Jugend forscht, Mathematikolympiaden oder Chemie- und Physikweltmeisterschaften vorzubereiten. Die Erfolge blieben nicht aus – zahlreiche Preise gingen nach Bad Saulgau.

Aus dem Traum, ein Jugendforschungszentrum einzurichten, wurde im Jahr 2000 Wirklichkeit. 2005 bekamen die Forscher von der Stadt dann ein eigenes Haus – mit Übernachtungsmöglichkeiten. Die Idee fand auch andernorts Gefallen, heute gibt es acht Standorte.

Ohne Unterstützung geht nichts

Das Kultusministerium, das mehr Schüler für die sogenannten Mint-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – begeistern will, fördert das Großprojekt mit 6,5 Lehrerstellen. Zwischen 250 000 und 300 000 Euro tragen Unternehmen, Stiftungen und Spender jährlich bei. Dazu kommen viele Ehrenamtliche: Lehrer und ehemalige Kollegen, frühere Schüler, die inzwischen in unterschiedlichsten Berufen arbeiten, Mitarbeiter aus Hochschulen und Unternehmen, denen das Schülerforschungszentrum am Herzen liegt. Etwa 500 Schülerinnen und Schüler experimentieren regelmäßig in den Einrichtungen.

Eine Unterstützerin ist Elisabeth Pleuler-Bauer. Die ehemalige Mathematik- und Physiklehrerin und Schulleiterin engagiert sich seit Jahrzehnten für die jungen Forscher – und Forscherinnen. Mit passenden Themen könne man auch bei Mädchen Interesse an Physik wecken, sagt sie. „Beim Thema Reifendruck schalten viele ab. Wenn es aber um den Blutdruck geht, werden sie neugierig.“

Das Forschungszentrum hat auch Tobias Becks Leben beeinflusst. In den 90er Jahren besuchte er in Ulm Lehns Kurse, studierte dann Physik und absolvierte eine Ausbildung zum Journalisten und wurde schließlich Lehrer in Ochsenhausen. Vor eineinhalb Jahren übernahm er von Lehn die Geschäftsführung des SFZ Südwürttemberg. Er arbeitet weiterhin zehn Stunden wöchentlich an der Schule, „um den Kontakt zur Schulwelt nicht zu verlieren“.

Spannende Begegnungen

Sie seien mit einiger Skepsis nach Abu Dhabi geflogen, erzählt der 38-Jährige – in ein Land, dessen Reichtum auf dem Ölhandel beruhe. Er habe aber den Eindruck, dass dort ein großes Umdenken im Gange sei und viel getan werde, um erneuerbare und klimafreundliche Energien zu nutzen. Unter den anderen Preisträgern seien auch riesige Unternehmen, die sich Energiesparen und Klimaschutz auf die Fahne geschrieben hätten. Bei einer Messe trafen sie auch deutsche Unternehmen, die daran arbeiten.

Der Abschied nach fünf Tagen fiel den dreien nicht leicht. „Es war spannend, Menschen aus anderen Kulturen, mit anderen Gewohnheiten und Denkweisen kennenzulernen und sich über wichtige Themen auszutauschen“, sagt Julian Haasis. „Man freundet sich mit Menschen an, die man sonst nie treffen würde“, schwärmt Jonas Wörner. SFZ-Chef Tobias Beck hat schon neue Pläne. „Vielleicht ist unser Energienetzwerk auch für Schulen in anderen Ländern interessant. Geben Sie uns etwas Zeit.“