„Mir war klar, dass nach der Atom-Einigung das Interesse groß sein wird “: Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid hat es eilig mit seiner Reise in den Iran Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Baden-Württemberg ist das erste Bundesland, das nach dem Atom-Deal mit einer Delegation im Iran vertreten ist. Wirtschaftsminister Nils Schmid will Chancen für Firmen ausloten.

Stuttgart - Herr Schmid, in einigen Tagen reisen Sie mit einer Delegation in den Iran. Was versprechen Sie sich von dem Trip?
Ich verspreche mir davon, dass wir an die guten Wirtschaftsbeziehungen aus der Zeit vor den Sanktionen anknüpfen können. Wir wollen Informationen über den geplanten Ausbau des Iran als Industriestandort gewinnen. Uns ist wichtig, welche Art von Wirtschaftsbeziehungen und auch Investitionsmöglichkeiten sich dabei für baden-württembergische Firmen ergeben. Vor allem aber wollen wir kleineren und mittleren Unternehmen die Möglichkeit zur Kontaktpflege und zur Markterkundung geben.
Waren Sie schon mal dort?
Nein, noch nie. Wir sind das erste Bundesland das nach der Atom-Einigung mit einer Delegation in den Iran reist. Und ich bin auch der erste baden-württembergische Wirtschaftsminister seit 25 Jahren, der dorthin fliegt.
Und warum haben Sie es so eilig?
Mir war klar, dass nach der Atom-Einigung das Interesse groß sein wird. Nicht nur von den baden-württembergischen Firmen. Als Deutschlands industrie- und exportstärkstes Land hat Baden-Württemberg natürlich ein besonders großes Interesse daran, seinen Unternehmen frühzeitig die Möglichkeit einer solchen Reise zu geben. Wir überlassen das Feld nicht anderen, schließlich geht es hier um Arbeitsplätze in Baden-Württemberg.
Wie schwer wird es für die baden-württembergischen Firmen mit ihren teuren Produkten, sich den Markt neu zu erschließen in einer Zeit, in der alle ein Interesse daran haben?
Die iranischen Firmen warten geradezu darauf, wieder deutsche Qualitätsprodukte kaufen zu können. Sie haben nämlich während der Sanktionen Erfahrungen mit Produkten aus anderen Ländern gemacht. Aus China zum Beispiel. Die Iraner werden Qualität aus Baden-Württemberg jetzt wieder viel mehr haben wollen als vor dem Embargo.
Das heißt? Wann wird Baden-Württemberg bei den Exporten zur alten Stärke zurück finden?
Ich rechne mit einer Verdopplung der Exporte innerhalb von zwei Jahren. Die iranische Volkswirtschaft hat einen enormen Erneuerungs- und Modernisierungsbedarf. Das betrifft vor allem den Bereich der Öl- und Gasförderung. Hier sind unsere Maschinen und Anlagen gefragt. Aber nicht nur. Im Vergleich mit anderen Ländern des Nahen Ostens hat der Iran eine breite Industriestruktur. Dazu zählt auch eine starke Automobilproduktion.
Welche Hürden sehen Sie noch für Exporte und Investitionen?
Das wichtigste Hemmnis ist im Moment die Abkopplung der iranischen Finanzwirtschaft vom internationalen Bankenverkehr. Aufgrund der Sanktionen ist ein direkter Geldverkehr mit den iranischen Banken nicht möglich. Auch ist der Iran seit 2012 vom internationalen System des Finanzdienstleisters SWIFT abgekoppelt. Das macht bis jetzt Geschäfte mit dem Iran nahezu unmöglich.
Wann soll dies aufgehoben werden?
Die Abkopplung vom SWIFT-System soll im Laufe des Jahres 2016 aufgehoben werden. Das ist mit eine der wichtigsten Lockerungen bei der Aufhebung der Sanktionen. Wir brauchen möglichst rasch einen Zugang des Irans zum Zahlungsverkehr. Darum werden wir auf der Reise auch Gespräche mit Banken führen.
Der Iran fordert, dass mehr deutsches Kapital in den Iran fließt. Wie interessant ist das Land als Investitionsstandort?
Vor der Verschärfung der Sanktionen waren bereits hunderte Firmen mit einem Standort vor Ort vertreten. Der Iran hat einen großen und wachsenden Binnenmarkt. Dort leben fast 80 Millionen Menschen. Rund 70 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 25 Jahre. Darum ist der Iran als Absatzmarkt interessant. Bevor wir den Iran als Drehscheibe für den gesamten Mittleren Osten betrachten können, müssen aber noch einige Bedingungen erfüllt werden. Die Region ist geprägt von instabilen oder sogar kriegsähnlichen Zuständen. In solchen Ländern kann man keine Geschäfte machen.
Welche Rolle spielt für Exportgeschäfte und Gemeinschaftsunternehmungen vor Ort, dass im Iran viele Firmen in Staatsbesitz sind?
Für die baden-württembergischen Unternehmen ist es wichtig, dass sie im Iran Gesellschaften gründen können, die mehrheitlich oder sogar ganz in deutscher Hand liegen. Das gilt vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen. Man will halt Herr im eigenen Haus sein – und den Zugriff auf die Vermögenswerte vor Ort behalten. Dass sich bedeutende Teile der iranischen Wirtschaft in Staatshand befinden, ist in der Region nichts Ungewöhnliches. Umso wichtiger ist allerdings die politische Begleitung unserer Mittelständler in diese Länder. Darum werden wir auf der Delegationsreise nicht nur Firmenkontakte pflegen, sondern auch politische Gespräche mit den Vertretern verschiedener Ministerien führen. Wir wollen uns bei den zuständigen Stellen über die Bedingungen von Investitionen informieren und wollen klarmachen, welche Beiträge baden-württembergische Unternehmen zur iranischen Volkswirtschaft leisten können.
Werden Sie bei diesen Gesprächen ausschließlich wirtschaftliche Themen ansprechen?
Der Schwerpunkt liegt auf dem Wiederaufbau der wirtschaftlichen Kontakte. Ich bin aber überzeugt, dass gerade bei Ländern wie dem Iran der Grundsatz von Egon Bahr gilt: Wandel durch Annäherung. Beim Iran geht es darum, überhaupt erst mal wieder wirtschaftliche, politische und kulturelle Kontakte zu knüpfen. Deshalb hat auch die Städtepartnerschaft zwischen Freiburg und Isfahan unter den neuen Bedingungen einen großen Wert. Gerade wenn es Differenzen gibt, ist es wichtig, dass man überhaupt erst mal wieder miteinander spricht.
Sind Sie dafür kritisiert worden, dass Sie so früh in den Iran reisen?
Nein. Die Wirtschaft begrüßt das sehr. Das zeigt die große Resonanz auf die Reise. Neben den wichtigen Wirtschaftsverbänden werden Vertreter von 36 Firmen mitfahren. Obwohl wir die Zahl der Plätze aufgestockt haben, können wir nicht alle mitnehmen, die Interesse an der Reise gehabt hätten.