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Die eiskalte Mathe-Klausur sorgt weiter für heiße Diskussionen an der Uni Stuttgart.

Stuttgart - Für heiße Diskussionen sorgt an der Uni Stuttgart eine Mathematik-Klausur, an der von etwa 3000 Studenten etwa 300 nicht teilnehmen konnten. Für die Kommilitonen, die vor einem abgeschlossenen Hörsaalgebäude fast zwei Stunden in klirrender Kälte warten mussten, wird die Prüfung als bestanden gewertet.

Dem vergangenen Samstag hatten an der Universität Stuttgart mehr als 2000 Studierende verschiedener ingenieurwissenschaftlicher Fächer entgegengefiebert. Um 9 Uhr sollte für sie die Klausur "Höhere Mathematik I" beginnen, die als Zulassungsvoraussetzung für die Anfang September stattfindende Modulprüfung "Höhere Mathematik I/II" dient.

Während in elf Hörsälen, die über die Uni-Standorte in der Stadtmitte und auf dem Campus Vaihingen verteilt waren, die Klausur pünktlich begann, gab es vor dem Unigebäude Azenbergstraße 12 Probleme. Der Zugang zum Hörsaal M12.01 blieb verschlossen.

"Eine Verkettung unglücklicher Umstände"

Eine Sprecherin der Universität nennt nach mehreren Krisensitzungen am Montag als Grund "eine Verkettung unglücklicher Umstände". Keine Sabotage sei im Spiel gewesen. "Es fehlte schlicht der richtige Schlüssel am Schlüsselbund eines Mitarbeiters." Auch ein Ersatzschlüssel eines kurzfristig herbeigerufenen Mitarbeiters passte nicht zum Türschloss.

Während dieser hektischen Suche mussten die Studenten bei klirrender Kälte im Freien warten. "Es war brachial kalt", berichtet einer der wartenden Studenten von minus 13 Grad Celsius. "Einigen war die Temperatur eindeutig zu kalt, sie kollabierten", schildert ein anderer Student die Situation. Wegen Unterkühlung musste eine Studentin sogar mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht werden. Andere Wartende behalfen sich nach einer längeren Wartezeit auf ihre Weise. "Wir haben dann Whisky getrunken", erinnert sich ein Anrufer.

Als schließlich der richtige Schlüssel doch noch auftauchte, verhalte unter den durchgefrorenen Studenten das Angebot, die Klausur jetzt doch noch zu schreiben, ungehört. Ein Mathematik-Tutor verkündet schließlich nach Telefonaten mit Verantwortlichen des Instituts, für alle Studenten, die in der Kälte gewartet hätten, werde die Klausur als bestanden gewertet. Der zuständige Mathematikprofessor Markus Stroppel bestätigt dieses Vorgehen kurz darauf auf der Internetseite des Instituts.

"Freifahrtschein" für einige Studenten

Über dieser Regelung wird seither kontrovers diskutiert. "Wenn es am Samstag 35 Grad plus gehabt hätte, hätte Stroppel den Studenten dann auch den Schein geschenkt, weil sie schwitzen mussten?", fragt ein Student in einem Diskussionsforum Höhere Mathematik auf Facebook und gibt die Antwort gleich selbst: "Ich habe auch geschwitzt am Samstag."

Ähnlich ist die Haltung von Moritz Schäfer. Der Student beschreibt in einer E-Mail an diese Zeitung den "unmöglichen Zustand", dass einige die Klausur bestehen, ohne sie geschrieben zu haben. Gleichzeitig aber bekämen die Studenten des Campus Vaihingen die Prüfung benotet. "Da diese Klausur auf einem deutlich zu hohen Niveau angesetzt wurde, besteht wahrscheinlich ein großer Prozentteil der Vaihinger Studenten diese Klausur nicht, während ihre Kommilitonen sozusagen einen Freifahrtschein bekommen", schreibt Schäfer.

In einer Stellungnahme bedauert die Universitätsleitung am Montagabend die Umstände der Matheklausur. "Wir möchten uns bei allen Beteiligten dafür entschuldigen, den Studierenden, die in der eisigen Kälte warten mussten, und den Mitarbeitern des Fachbereichs Mathematik", erklärt Universitätskanzlerin Bettina Buhlmann. "Wir werden dafür sorgen, dass sich dies nicht noch einmal wiederholt." Der Fachbereich Mathematik und die Universitätsleitung hätten die Entscheidung getroffen, dass die betroffenen Studierenden den entsprechenden Schein erhalten, ohne die Klausur schreiben zu müssen. Eine Schlechterstellung derjenigen Studierenden, die die Klausur ordnungsgemäß schreiben konnten, gegenüber den Studierenden, die am Schreiben der Klausur gehindert waren und denen das Ablegen der Scheinklausur erlassen wird, sei dabei nicht erkennbar.

Bei Klausuren an Universitäten gibt es immer wieder Pannen

Professor Stroppel war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Professor Martin Dressel, der Dekan der Fakultät Mathematik und Physik, erwartet nicht, dass Studenten, von denen erfahrungsgemäß etwa 30 Prozent an der Klausur scheitern, rechtliche Schritte wegen der Besserstellung ihren Kommilitonen in der Stadtmitte unternehmen. "Im Grunde sind diese Studenten sogar schlechter gestellt, weil sie ohne die Selbstkontrolle der ersten Klausur in die Hauptklausur gehen", sagt Dressel.

Bei Klausuren an Universitäten gibt es immer wieder Pannen. Schlagzeilen machte 2008 ein Test zum Thema "Technik des Rechnungswesens", dem sich an der Uni Hohenheim damals 800 Studenten unterzogen. Später verschwand aus einem abgeschlossenen Arbeitsraum spurlos einer von zwölf Kartons, in dem 113 Klausurarbeiten befanden. Als einzige plausible Erklärung für diesen Vorgang wurde schließlich Schlamperei ausgemacht. Offenbar hatte eine Putzfrau beim Leeren von Papierkörben die Prüfungsarbeiten entsorgt. Die Uni Hohenheim bestand damals zur Wahrung der absoluten Fairness darauf, dass alle 113 Studenten die Klausur noch einmal schreiben mussten.