Das Sommerfest und andere Events locken regelmäßig Tausende in die City – und bringen den Anwohnern Lärm. Foto: Michael Steinert

Im Sommer fühlen sich viele Bewohner gestört – durch die Außengastronomie und Veranstaltungen.

S-Mitte - Kaum ein Tag vergeht, an dem bei Veronika Kienzle, der Bezirksvorsteherin des Stadtbezirks Mitte, nicht Post von verärgerten Anwohnern auf dem Tisch landet. Häufig geht es um die laut Kienzle „seit Jahren zunehmende Lärmbelästigung“ der Bewohner im Zentrum der Landeshauptstadt.

„Gerade heute morgen hat sich wieder eine Bürgerin beschwert“, sagt Kienzle und trägt vor, worüber sich die Frau ärgert: Lärm in der unmittelbaren Nachbarschaft ihrer Wohnung „bis morgens um fünf Uhr“. Sie sei bewusst in die Innenstadt gezogen, so schreibt die Frau, und leide nun unter der Vergnügungsszene. Sie sei selbst jung und wolle Spaß haben – irgendwann müsse aber auch Schluss sein. Daher will sie wissen: „Wann gedenkt die Stadt, etwas gegen die ständige Belästigung zu tun?“

Drei bis vier solcher Beschwerden erhält Kienzle jede Woche, „in krassen Zeiten auch mal doppelt so viele“, sagt sie und hat größtes Verständnis für die Innenstädter, „denn die sind wirklich stark belastet“. Der Grund liegt für sie auf der Hand. Einerseits böten Cafés und Restaurants immer mehr Plätze draußen an und hätten zudem länger als früher geöffnet, andererseits fänden immer mehr Veranstaltungen in der City statt. „Ich habe kürzlich beim Aufräumen eine Liste mit der Veranstaltungsübersicht aus dem Jahr 2004 gefunden – die Zahl hat sich seither deutlich erhöht, die Situation für die Bewohner verschlechtert“, sagt Kienzle. Sie mahnt, die 23 000 Bewohner des Bezirks Mitte mit ihren Sorgen ernst zu nehmen und bedauert, „dass die Stadt zu wenig tut, um Abhilfe zu schaffen“. Vor allem Umweltbürgermeister Matthias Hahn sieht sie in der Pflicht. Dass es nicht einmal gelinge, am Josef-Hirn-Platz, in Nachbarschaft zur Polizei und zum Amt für öffentliche Ordnung, zu gegebener Zeit für Ruhe zu sorgen, sei bezeichnend.

Lärmquelle Schlossplatz und die Umgebung

Laut Kienzle gibt es neben dem Josef-Hirn-Platz eine ganze Reihe von Brennpunkten (siehe „Lärm in der City“), die direkt von benachbarten Lärmquellen betroffen sind. Aber auch wenn auf der Einkaufsmeile Königstraße, auf dem Schloßplatz, im Ehrenhof des neuen Schlosses oder auf dem Marktplatz viel geboten ist und die Orte kräftig mittels Lautsprechern beschallt werden, erreichen Kienzle Klagen sogar aus dem Stitzenburgviertel. „Das schallt alles bis in die Halbhöhenlage“, und dort, so weiß Kienzle, könnten die Anwohner an Extremwochenenden oft nicht einmal die Fenster offen lassen. Denn was an den Veranstaltungsorten oft gut klingt, komme in den höher gelegenen Wohngebieten nicht selten verzerrt an. „Das ist dann eine richtige Kakophonie – vor allem wenn mehrere Bühnen gegeneinander anspielen, wie beim Sommerfest.“

Laut Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart, achte man darauf, dass maximal zehn lärmintensive Veranstaltungen pro Jahr stattfinden. Bei Kulturveranstaltungen sei das Ende auf 22 Uhr festgelegt – mit Zugaben auf 22.30 Uhr. Lediglich bei Veranstaltungen wie dem Bohnenviertel- oder dem Sommerfest gebe es Ausnahmen. Bei Großveranstaltungen mit vielen Besuchern werde eine Lärmprognose von den Veranstaltern gefordert – bei ehrenamtlich organisierten Events werde darauf aber verzichtet. „Die Stadt geht hier mit Augenmaß vor“, sagt Matis.

Auch der Auf- und Abbau von Festen geschieht nicht geräuschlos

Das sieht Kienzle anders und ist wenig darüber erbaut, dass Bürgermeister Hahn auf Angebote von diversen Anwohnern nicht eingegangen ist, die auf ihren Terrassen oder Balkonen Messgeräte für eine längere Messreihe zur Ermittlung des Lärmpegels installieren lassen wollen.

Aber nicht nur die Veranstaltungen selbst sind laut Kienzle ein Problem. Auch der Auf- und Abbau geschehe oft nicht geräuschlos. Überhaupt sei es inzwischen für viele unerträglich, dass die City „ständig bespielt wird – teilweise sogar parallel und in mehreren Schichten“, fasst sie die Beschwerden von Citybewohnern zusammen.

Laut Matis habe die Stadt in den vergangenen Jahren aber „nur eine Handvoll Beschwerden registriert“ – dies sei auch das Ergebnis einer engen Abstimmung mit den Veranstaltern und der Polizei. Denn Stuttgart brauche eine attraktive Innenstadt mit Feiern und Szeneleben, unter Berücksichtigung des Ruhebedürfnisses der Anwohner: Dies sei unter einen Hut zu bringen – „was uns auch ganz gut gelingt“, sagt Matis.

Lärm in der City

Brennpunkte
Besonders Bewohner an der Theodor-Heuss-Straße, im Hospitalviertel, am Markt-, Schloss- und Josef-Hirn-Platz sowie im Leonhardsviertel sind im Frühjahr, Sommer und Herbst stark durch Lärm belastet, der durch Gastronomie oder Open-air-Events entsteht.

Genehmigung
Gastronomische Betriebe mit genehmigter Außenbewirtschaftung dürfen ihre Gäste während der Freischanksaison von 1. März bis 31. Oktober in der Regel bis 23 Uhr bewirten, eine Beschallung der Außenfläche ist gemeinhin nicht gestattet. Bei Open-air-Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen sind die Schlusszeiten teilweise später.

Begleiterscheinung
Zum Verdruss der Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle geht die Lärmbelästigung meist auch mit einer oft heftigen Verunreinigung der Veranstaltungsorte einher.