Die Hanns-Martin-Schleyer-Preisverleihung mit Preisträger Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (links) und Staatspräsident a.D. Valéry Giscard d’Estaing (rechts). Foto: Peter Petsch

Alt-Kanzler Helmut Schmidt hat am Freitagabend gerührt den Hanns-Martin-Schleyer-Preis in Stuttgart entgegengenommen. Frankreichs früherer Staatspräsident und Schmidts langjähriger Weggefährte, Valéry Giscard d’Estaing, hielt die Laudatio.

Stuttgart - Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt ist am Freitag mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis geehrt worden. Sichtlich gerührt nahm der Sozialdemokrat im Rollstuhl die Auszeichnung entgegen.

„Mir ist sehr klar, dass ich am Tode Hanns Martin Schleyers mitschuldig bin“, sagt der 94-Jährige bei der Preisverleihung in Stuttgart leise. Schließlich habe die Regierung damals ja auch auf das Austauschangebot der RAF eingehen können. „Theoretisch“, sagt Schmidt – und damit alles.

Umso mehr verbeuge er sich vor der Entscheidung, ihm diesen Preis anzutragen. Es ist sehr still in dem großen Saal, als Schmidt sagt: „Es rührt mich heute zutiefst, dass die Familie Schleyer öffentlich ihren Respekt gegenüber meiner damaligen Haltung zum Ausdruck bringt.“

Der Sozialdemokrat war Regierungschef, als der damalige Arbeitgeberpräsident Schleyer 1977 von der Roten-Armee-Fraktion (RAF) entführt und ermordet wurde. Schmidt hatte sich damals geweigert, Schleyer gegen gefangene Terroristen auszutauschen – in seiner Entscheidung unterstützt vom Bundesverfassungsgericht, vor das Schleyers Witwe Waltrude und die vier Söhne Schleyers gezogen waren. Sie hatten Schmidt seinerzeit vorgeworfen, das Leben Hanns Martin Schleyers für die Staatsräson geopfert zu haben – und in Karlsruhe vergeblich Klage eingereicht, weil sie das Grundrecht auf Leben des Ehemanns und Vaters höher als alle anderen Grundwerte stellten. „Ich habe die Klage sehr gut verstehen können“, sagt Schmidt an diesem Freitagabend.

„Hervorragende Verdienste um die Festigung und Förderung der Grundlagen eines freiheitlichen Gemeinwesens“

Zeitgeschichte: Gleich mehrfach erheben sich die rund 250 Gäste im Weißen Saal des Neuen Schlosses. Zum ersten Mal, als Schmidt in den Saal rollt, dann bei der Preisverleihung durch Baden-Württembergs stellvertretenden Ministerpräsidenten Nils Schmid, schließlich nach Schmidts bewegenden Dankesworten.

Valéry Giscard d’Estaing, Frankreichs früherer Staatspräsident und Schmidts langjähriger europäischer Weggefährte, hält die Laudatio – humorvoll und auf Deutsch. Der Franzose sei einer derjenigen gewesen, „die uns tatkräftige und moralische Hilfe bei der wochenlangen verdeckten Suche nach der Geisel (. . .) gewährten“, so Schmidt.

In der Begründung des Jury-Vorsitzenden Wilfried Porth (in der Jury sitzt auch Schleyers ältester Sohn Hanns Eberhard) heißt es: „Eine besondere Herausforderung für unseren Rechtsstaat wie auch für Bundeskanzler Helmut Schmidt war das Jahr 1977. Die Unausweichlichkeit, entscheiden zu müssen, forderte besonders von ihm persönlich in kaum vorstellbarem Maße Abwägung, Gewissensprüfung und Mut.“ Schmidt wurde für „hervorragende Verdienste um die Festigung und Förderung der Grundlagen eines freiheitlichen Gemeinwesens“ geehrt.

Wie Helmut Maucher (85). Für den ehemaligen Nestlé-Chef und gebürtigen Allgäuer, Kosmopoliten wie Heimatverbundenen, bedeute unternehmerische Freiheit in der sozialen Marktwirtschaft zugleich Wettbewerb und Leistung, zudem aber auch ethische und soziale Verantwortung, so die Jury.