Eines der seltenen Fotos von Anton Schlecker, der sich nun vor dem Landgericht Stuttgart verantworten muss. Foto: dpa

Im März startet der Prozess gegen den ehemaligen Drogeriemarktkönig Anton Schlecker. Vor Gericht muss der 72-Jährige, der die Öffentlichkeit scheut, persönlich erscheinen.

Stuttgart - Von Anton Schlecker existieren seit Jahrzehnten keine aktuellen Fotos. Den einstigen Drogeriemarktkönig drängte es nicht ins Rampenlicht. Seit der Entführung seiner beiden Kinder Lars und Meike Mitte der 80er Jahre igelte sich der Firmenpatriarch geradezu ein. Selbst in seinem Firmenimperium kannten ihn die meisten nicht. Wenn sich der 72-Jährige im März nächsten Jahres in einem öffentlichen Verfahren vor Gericht in Stuttgart verantworten muss, dürfte ihm das ein Graus sein.

Das Interesse an der Aufarbeitung der spektakulären Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker ist riesengroß. Es zeigt die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Ausnahmeunternehmers, der 1965 im elterlichen Betrieb als Metzgermeister startete, zwei Jahre später sein erstes SB-Warenhaus in Ehingen eröffnete und seine Chance kommen sah, als die Preisbindung für Drogerieartikel 1974 wegfiel. Ein Jahr später eröffnete Schlecker seinen ersten Drogeriemarkt. Sein Prinzip ist erfolgreich: Mit möglichst wenig Personal und möglichst wenig Aufwand auf wenig Quadratmetern Drogerieartikel wie Zahnpasta und Windeln verkaufen. Im Jahr 2007 verfügt Schlecker über mehr als 14 400 Geschäfte in 17 Ländern, in denen 50 000 Menschen arbeiteten.

Um die Jahrtausendwende verlässt Schlecker das Glück

Schleckerläden sind nicht nur spartanisch ausgestattet, sie verfügen die meiste Zeit nicht einmal über einen Telefonanschluss. Ins Gerede kommt Schlecker Anfang der 90er Jahre, als schwere Vorwürfe gegen ihn von Gewerkschaften und Medien erhoben werden: Er zahle unter Tarif, betreibe Scheinarbeitsverhältnisse, behindere Betriebsratswahlen und schikaniere Mitarbeiter. 1998 werden Anton Schlecker und seine Frau Christa auf Bewährung verurteilt, weil sie über Jahre hinweg Mitarbeitern eine tarifliche Bezahlung vorgetäuscht haben.

Um die Jahrtausendwende verlässt ihn das Glück. Die Umsätze stagnieren und die Ergebnisse sind rückläufig. Alles Erkenntnisse, die die Staatsanwaltschaft nach intensiven Ermittlungen zu Tage fördert. Die Konkurrenz, dm, Müller und Rossmann, macht Boden gut. Und sie weiß die Kundenwünsche in freundlicherem Ambiente besser zu befriedigen. Am Ende sollten die Kinder Lars und Meike mehr Einfluss im Unternehmen bekommen. Sie treiben den Umbau des Filialnetzes voran. Hunderte Filialen sollen schließen, andere zu hochwertigeren Drogeriemärkten ausgebaut werden. Auch in Sachen Mitarbeiterrechte und Bezahlung wird ein neuer Kurs eingeschlagen. Doch für ein Umsteuern reicht am Ende die Zeit nicht mehr. Im Januar 2012 muss Schlecker Insolvenz anmelden. Zehntausende stehen plötzlich auf der Straße.

Vollen Einblick in die wirtschaftliche Lage haben erst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegeben. Schlecker führte sein Firmenimperium als eingetragener Kaufmann (e.K.). Dank dieser Rechtsform konnte er vieles geheimhalten, bei der Kreditvergabe hatte er zudem bessere Karten. Die Kehrseite der Medaille: Er haftete mit seinem gesamten Privatvermögen für alle Schulden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt jahrelang

Schon früh kommt der Verdacht auf, Schlecker könne im Angesicht der drohenden Pleite Vermögen beiseite geschafft haben. Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf, im April 2016 erhebt sie Anklage gegen Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts. 13 Straftaten soll Schlecker begangen haben. Bei den Vorwürfen geht es etwa um großzügige Geldgeschenke in Höhe von 800 000 Euro an die Enkel zu Zeiten, als die Firma Millionenverluste machte. Seinen Kindern werfen die Strafverfolger Untreue vor. Welche der Anklagepunkte das Gericht zugelassen hat, ist noch unklar. Einiges hat die Familie wieder gut gemacht. 2013 hat sie 10,1 Millionen Euro an den Insolvenzverwalter überwiesen.

Schlecker, der einstige Drogeriemarktkönig, hat sich seit der Insolvenz nie öffentlich zu Wort gemeldet. Das hat er seinen Kindern überlassen. „Es ist nichts mehr da“, sagte Meike Schlecker Ende Januar 2012 und kurz darauf: „Vom Sportwagen bis zur schönen Uhr hat er alles als Teil der Insolvenzmasse abgeben müssen.“ Was davon zu halten ist, darüber wird die 11. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart urteilen.