Von Anton Schlecker sind keine aktuellen Aufnahmen im Umlauf. Dieses zeigt ihn am 25. Februar 1999 im Landgericht Ulm. Foto: dpa

Am Montag beginnt vor dem Stuttgarter Landgericht der Prozess gegen den Schlecker-Gründer Anton Schlecker. Das Gericht wirft dem Patriarchen vor, die Insolvenz der Drogeriemarktkette geahnt und Geld beiseitegeschafft zu haben.

Stuttgart - Das Anwesen von Anton Schlecker (72) in Ehingen (Alb-Donau-Kreis) ist von hohen weißen Mauern umgeben. Nur hier in seiner Villa trifft der Gründer des einstigen Drogerieimperiums Freunde. In sein Büro gelangte er früher stets über einen Aufzug, so dass kein Fremder ihm zufällig begegnen konnte. Auf einer öffentlichen Veranstaltung wurde er seit Jahren nicht gesehen: Anton Schlecker hat sich für ein abgeschirmtes Leben entschieden.

Am Montag aber geht es für Schlecker aus dem Ehinger Idyll mitten ins Blitzlichtgewitter. Dann beginnt vorm Stuttgarter Landgericht der Prozess gegen den einstigen Firmenchef. Es ist der Auftakt einer Serie von Gerichtsterminen, bei denen er persönlich anwesend sein muss.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft beschuldigt Anton Schlecker, vor der Insolvenz der Drogeriemarktkette im Januar 2012 Gelder beiseitegeschafft und sie so der Insolvenzmasse entzogen zu haben. Insgesamt beläuft sich der Betrag nach Recherchen dieser Zeitung auf rund 20 Millionen Euro. Bislang hat das Gericht 26 Verhandlungstage anberaumt. Am Prozessauftakt wird zum ersten Mal überhaupt die Position des Drogeriekönigs zu den Anschuldigungen zu hören sein. Dafür hat Schlecker die Anwälte Maximilian Heiss und Norbert Scharf aus München mandatiert. Der renommierte Strafrechtler Scharf von der Kanzlei Grub Brugger hat bereits zahlreiche prominente Mandanten vertreten, darunter den Ex-Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und den ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Rolf E. Breuer. Zuletzt hat sich Hans Dieter Pötsch, der Aufsichtsratsvorsitzende von Volkswagen, wegen der sogenannten Dieselthematik an Scharf gewandt.

Schlecker haftet mit seinem Privatvermögen

Von anderen Fällen unterscheidet sich der Schlecker-Prozess darin, dass die Juristen auch das Privatleben des Angeklagten genau sezieren werden: Wann hat er welchen seiner Enkel beschenkt? Welchen Urlaub hat er seinen Kindern bezahlt, und wohin ging die Reise? Welches Gehalt zahlte er seiner Frau? Fragen wie diese beschäftigen das Gericht, da Schlecker sein Imperium in der Rechtsform des eingetragenen Kaufmanns geführt hat.

Anders als etwa der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) haftet ein eingetragener Kaufmann mit seinem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten seiner Firma. Schafft er bei drohender Insolvenz vorsätzlich Geld aus dem Firmen- oder seinem Privatvermögen beiseite, entzieht er es dem Zugriff der Gläubiger. Das ist nicht erlaubt. Juristen sprechen hier von vorsätzlichem Bankrott.

Schlecker wird vorgeworfen, er habe sein Geld vor allem durch überteuerte Verträge mit Firmen seiner Kinder und durch Schenkungen an die Familienmitglieder übertragen. So soll er der Logistikfirma LDG seiner Kinder Lars und Meike Schlecker Logistikdienstleistungen, die diese Firma für die Drogeriemarktkette Schlecker erbracht hat, nach Stundensätzen bezahlt haben, obwohl die Abrechnung nach erbrachter Leistung für Schlecker günstiger gewesen wäre. Zudem seien die vereinbarten Stundensätze nicht auf marktüblichem Niveau gewesen und sogar mitten in der Krise noch erhöht worden. Durch einen solchen Vertrag hat Schlecker dem Unternehmen seiner Kinder 2011 offenbar insgesamt elf Millionen Euro übertragen. Beim summenmäßig zweitgrößten Einzelpunkt handelt es sich ebenfalls um einen überteuerten Vertrag mit der Firma LDG von Lars und Meike Schlecker. Dieses Mal geht es aber um einen Vertrag zwischen Schlecker Home Shopping – der Tochter für das Internetgeschäft – und der Logistikfirma LDG. Durch überhöhte Stundensätze seien auch hier von 2010 bis 2012 weitere 3,5 Millionen Euro übertragen worden, heißt es. Bei den restlichen laut Anklage beiseitegeschafften Beträgen soll es um Geschenke an Familienmitglieder gehen – in der Regel liegen sie bei unter einer Million Euro. So habe er etwa im März 2011 seinen vier Enkelkindern je 200 000 Euro geschenkt. Daneben soll Anton Schlecker in den Bilanzen der Geschäftsjahre 2009 und 2010 die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seines Unternehmens nicht richtig angegeben haben. So soll er in diesen Jahren stille Beteiligungen seiner Kinder und Darlehen von Firmen der Kinder zum Eigenkapital hinzugerechnet haben. Dadurch sei die tatsächliche Misere, in der das Unternehmen steckte, erst später aufgefallen. Hätte er richtig bilanziert, wäre das Eigenkapital nach Ansicht der Ankläger bereits im Geschäftsjahr 2010 negativ gewesen, berichten Insider.

Auch seine Frau und die Kinder sind im Visier der Justiz

Darum richtet sich die Anklage auch gegen die beiden Wirtschaftsprüfer, die in den betreffenden Geschäftsjahren den Jahresabschluss testiert haben. Auch Anton Schleckers Frau Christa und die gemeinsamen Kinder Lars und Meike sind im Visier der Justiz. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, dabei geholfen zu haben, das Geld beiseitezuschaffen.

Darüber hinaus haben die Schleckers Informationen des Magazins „Der Spiegel“ zufolge Ärger mit den Finanzbehörden. Demnach droht das Finanzamt Ehingen mit Steuernachforderungen auf Kapitalerträge von rund 68 Millionen Euro von Meike und Lars Schlecker. Auf Nachfrage äußerten sich die Finanzbehörden mit Verweis auf das Steuergeheimnis jedoch nicht.

1975 hatte der gelernte Metzgermeister in Kirchheim/Teck seinen ersten Drogeriemarkt aufgemacht. Schlecker verfolgte als einer der ersten Händler das Discountprinzip und war damit erfolgreich. Bis 2007 wuchs das Filialnetz auf 14 000 Läden in 17 Ländern. Von 2008 an aber verzeichnete Schlecker drastische Einbrüche.