Mary Roos und Wolfgang Trepper Foto: Veranstalter

Kabarettist Wolfgang Trepper und Sängerin Mary Roos haben im Theaterhaus Schlagergeschichte Revue passieren lassen. Dass Trepper Musikantenstadl und Konsorten für gewöhnlich verspottet, macht die Show „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“ so erfolgreich.

Stuttgart - „Begrüßen Sie mit mir eine Frau, die Sie sonst für Eintrittsgeld nur noch bei ‚Körperwelten‘ sehen können: Mary Roos!“ Wer so angekündigt wird, muss mächtig Laune haben. Kabarettist Wolfgang Trepper kennt da nichts. Schon seit Jahren zerreißt er öffentlich Musikantenstadl und Konsorten. Und jetzt das: „Ich soll den Pausenaffen für Mary Roos machen? Das können Sie gar nicht bezahlen!“, habe er dem Management entgegnet. Das hätte aber nur gelacht.

So steht er also am Mittwoch im Theaterhaus. Schlagerikone Mary Roos betritt die Bühne und beginnt mit dem selbstironischen, von Frank Ramond getexteten Song: „Wie lange wollen Sie das noch machen?“ Das Schlager- und Volksmusikgenre kennt viele Paare: Marianne und Michael, Cindy und Bert, Helene Fischer und Florian Silbereisen. Die Wildecker Herzbuben. Hoffmann und Hoffmann. Mit derlei Kombinationen sind Roos und Trepper allerdings kaum zu vergleichen. Vor allem, weil Trepper zum Glück nicht singt während der gemeinsamen Show „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“.

„Mary Roos kannte das Tote Meer, als es noch krank war“

Dass Nutten und Koks im Schlager essenziell sind – geschenkt. Woher aber weht der Erdbeerwind? Trepper klärt auf: Heino. Der 77-jährige Sonnenbrillenträger behauptet, ihm seien zu jedem Auftritt Nutten, Koks und frische Erdbeeren, die Dreifaltigkeit des Humtatas, vertraglich zugesichert. Der Duisburger Kabarettist lässt aber nicht nur die Geschichte des Schlagers Revue passieren. Zuvörderst verspottet er Mary Roos. Ihre Fans bekommen bei diesem Programm mitunter womöglich Schnappatmung. Selbst wenn die Sängerin einen Meter neben ihm sitzt, beide auf Stühlen unter gedimmtem, orange-rotem Stehlampenlicht, zieht der Mann gnadenlos über die 67-Jährige her: „Mary Roos ist wirklich schon sehr alt – die kannte das Tote Meer, als es noch krank war.“

Ein wenig beneide er sie indes schon: „Die hat ‘ne Bibel mit allen Originalunterschriften.“ Zudem hatte Trepper eigens eine Flasche Jägermeister zwischen den beiden platziert: „Weil ich weiß, dass Sie ein massives Alkoholproblem haben.“

Klar: Man nimmt das den beiden nicht ab. Mary Roos‘ pseudoschlagfertige Einzeiler wie „Schöne Grüße vom Niveau – Sie sehen sich ja nicht so oft!“ kommen schon arg gestelzt daher. Dafür lässt sie aber Insider-Anekdoten vom Stapel, die Fans interessieren dürften. Wer hätte beispielsweise geahnt, dass Bernhard Brink auf den Touren der Hitparade allabendlich wechselnde Tagesabschnittsgefährtinnen in die Hotelzimmer geschleppt hat?

Hits von „Liebeskummer lohnt sich nicht“ bis „Schuld war nur der Bossa nova“

Bei Roos wechselt lediglich die Garderobe. Natürlich stets quittiert von Trepper: „Den Fummel wollen Sie ja nicht anlassen!“ Unterstützt von einer Live-Band (Gitarre, Bass, Keyboard, Schlagzeug) tiriliert sich die Sängerin chronologisch durch die Schlagergeschichte: Menschen in den Sechzigern mussten etwa Titel wie „Liebeskummer lohnt sich nicht“ und „Schuld war nur der Bossa Nova“ ertragen. Im Folgejahrzehnt reüssierte Roos mit „Nur die Liebe lässt uns leben“, wobei frenetisch mitgeklatscht wird. Szenetypisch selbstredend auf jedes Viertel des 4/4-Takts. Den Gesang fasst Trepper treffend zusammen: „Sehr schön, aber man muss es dann auch nicht überbewerten.“ Zu „Ich bin stark nur mit dir“ (Melodie: „You’re my heart, you’re my soul“) aus den 80ern holt Roos den Fan Dietmar nach oben, der zum Publikumsliebling avanciert. Er kann die Hände kaum von den Hüften der Dame lassen. Der Kabarettkollege muss ihn mittels eines gerstenhaltigen Kaltgetränks loslösen.

Wer sich an derlei Liedern nicht erfreut, beobachtet einfach Trepper. Der sitzt derweil in der Ecke, schüttelt den Kopf und kippt einen Kurzen nach dem anderen. Zu Testzwecken stimmt er auch mal den Hit der 74er-Nationalmannschaft an: „Fußball ist unser Leben“. Als das Publikum auch noch einsteigt, unterbricht er jäh: „Seid ihr bekloppt oder was?!“ Die Show lebt von seinem Witz.

Postkarten? Sind so etwas wie ausgedruckte SMS

Um alle Scherze genießen zu können, ist freilich eine gewisse Kontextkenntnis - will sagen: ein gewisses Alter - von Vorteil. Die sogenannten Postkarten beispielsweise sind laut Trepper so etwas wie ausgedruckte SMS. Wer aber seine Schlagerabneigung in geschliffenen, pointierten Sätzen zum Ausdruck gebracht wissen will, erlebt dank des Kabarettisten auch als vergleichsweise niedrigbetagter Mensch einen gelungenen Abend. Und wer an der Musik gar Gefallen findet, der besucht „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“ vermutlich wieder. Es gibt nämlich bereits die ersten Termine für 2017.