Mitten auf dem vollen Bahnsteig soll der 27-Jährige zugeschlagen haben. Foto: Bundespolizei

Gut eine Woche nach der Prügelattacke an der S-Bahn-Haltestelle Schwabstraße hat die Bundespolizei den Mann identifiziert, der zugeschlagen haben soll. Eine Zeugin gab den entscheidenden Hinweis.

Stuttgart - Eine Zeugin hat den entscheidenden Hinweis gegeben: Dank eines Anrufes kann die Bundespolizei gut eine Woche nach einem Aufsehen erregenden Zwischenfall an der S-Bahnhaltestelle Schwabstraße einen Fahndungserfolg vermelden. Sie hat den Mann ermittelt, der dort einen Fahrgast niedergeschlagen haben soll.

Der Fall war vor allem daher spektakulär, weil keiner der Umstehenden auf dem vollen Bahnsteig in das Geschehen eingriff oder Hilfe rief. Durch den Hinweis der Zeugin kam auch zu Tage, dass der Fall nun noch eine neue Dimension bekommen hat. Der Mann hat nicht zum ersten Mal so zugeschlagen. Wenige Tage zuvor, am 19. Mai, war er an der Stadtbahnhaltstelle Stadtbibliothek ebenfalls brutal auf einen Passanten losgegangen, teilt die Bundespolizei mit.

Zeugin fällt der kleine weiße Hund auf

Die Schilderung der Fälle ähnelt sich sehr. Beide Male, am Donnerstag und am Samstag der vorvergangenen Woche, soll der 27 Jahre alte Mann aus Bietigheim-Bissingen plötzlich und für Unbeteiligte recht unvermittelt auf ihm bis dahin fremde Männer eingeschlagen haben. In beiden Fällen ließ er auch von den Opfern nicht ab, nachdem er sie bereits zu Fall gebracht hatte, und trat noch auf die am Boden liegenden Männer ein.

Die Frau, die den entscheidenden Hinweis gab, erinnerte sich vor allem wegen des kleinen weißen Hundes – eines West Highland Terriers – an den Angreifer, so der Sprecher der Bundespolizei. Dieser Hund soll wohl in beiden Fällen ausschlaggebend für die Aggressivität des Mannes gewesen sein: „Es ging immer irgendwie um den Hund. Was genau jedoch in den zwei Fällen geschehen war, wissen wir noch nicht“, so der Polizeisprecher Jonas Große. Andere Zeugen hatten der Polizei wegen des Hundes typische Aufenthaltsorte des Mannes mitgeteilt.

Täter ist für die Polizei kein Unbekannter

Während das 27-jährige Opfer von der Schwabstraße sich nach der Attacke, bei der keiner der etwa 30 auf dem Bahnsteig wartenden Personen eingriff, alleine zum Bundespolizeirevier am Hauptbahnhof schleppen musste, hatte das 43 Jahre alte Opfer an der Stadtbibliothek Glück. Zufällig war dort ein Beamter der Landespolizei privat unterwegs, der einschritt und den Mann festhielt, bis eine alarmierte Streife kam und ihn festnahm. Wie auch in der Schwabstraße wurde an der Bücherei das Geschehen von Überwachungskameras festgehalten. In beiden Fällen sicherte die Polizei hinterher das Material als Beweismittel.

Nachdem die Bundespolizei durch die Zeugin auf den Übergriff, der bei der Landespolizei aktenkundig war, aufmerksam wurde, nahmen die Ermittler Kontakt auf. Die Polizisten der Streife, welche den Angreifer im ersten Fall festgenommen hatte, identifizierte den 27 Jahr alten Mann aus Bietigheim-Bissingen. Er ist für die Polizei kein Unbekannter: Unter anderem wegen Diebstahls und Beleidigung war er in der Vergangenheit mehrfach aufgefallen. Gewalttaten wie die ihm nun vorgehaltenen Angriffe waren bisher laut Polizei nicht dabei. Die Personalien waren nach der Identifizierung bekannt, da der Mann nach dem Angriff an der Stadtbibliothek erkennungsdienstlich erfasst und angezeigt worden war. Aufgrund der zahlreichen Hinweise, die nach der Berichterstattung über den Fall eingegangen waren, hatte die Polizei trotz der Videoaufnahmen von der Schwabstraße auf eine öffentliche Fahndung mit Foto des Mannes verzichtet. „Die Hinweise haben nun ja auch ausgereicht“, sagt der Polizeisprecher Große dazu.

Pressestaatsanwalt warnt vor falschem Rückschluss

Der Mann wurde nun zur Vernehmung vorgeladen. Ihm werden zwei Fälle der gefährlichen Körperverletzung zur Last gelegt. Festgenommen wurde er nicht, auch entschied die Staatsanwaltschaft gegen eine Untersuchungshaft. „Dafür müssen klare Voraussetzungen erfüllt sein, welche die Strafprozessordnung regelt“, sagte Jan Holzner, Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Zunächst müsse ein sogenannter dringender Tatverdacht vorliegen. Das sei im vorliegenden Fall gegeben. Es müssten aber noch weitere Kriterien erfüllt sein. Dazu zähle, ob beim Verdächtigen Fluchtgefahr bestehe. Diese sei schon mal nicht so hoch, wenn der Verdächtige wie im vorliegenden Falle einen festen Wohnsitz in Deutschland vorweisen könne. Auch die Verdunklungsgefahr oder die Beeinflussung möglicher Zeugen würde bei dieser Beurteilung in Betracht gezogen. Die Untersuchungshaft sei in erster Linie dazu da, das Verfahren zu sichern. Sie sei keinesfalls als vorgezogene Strafe anzusehen.

Der Pressestaatsanwalt warnt vor einem falschen Rückschluss: Oft herrsche die Meinung vor, jemand, der nicht in Untersuchungshaft gehe, komme ungestraft davon. „Das ist natürlich nicht so. Das Verfahren läuft ja trotzdem an“, betont Holzner. Der Mann, der an den beiden Haltestellen zugeschlagen haben soll, müsse ziemlich sicher mit einer Anklage rechnen, wenn sich der Tatverdacht bestätige, erläutert der Sprecher der Ermittlungsbehörde.