Klare Anweisungen: Schiedsrichterin Johanna Granzow-Emden Foto: Baumann

Die 18-jährige Schiedsrichterin Johanna Granzow-Emden von den Stuttgarter Kickers teilt ihre Leidenschaft für das Pfeifen mit ihrem Freund. Mit ihm ein Spiel zu leiten, kommt für die selbstbewusste Jurastudentin aber nicht in Frage.

Stuttgart - Simon Hofmann muss nicht lange überlegen, um eine seiner hoffnungsvollsten Nachwuchskräfte zu charakterisieren. „Johanna hat viel Talent und eine schnelle Auffassungsgabe“, sagt Hofmann, stellvertretender Obmann beim Schiedsrichterausschuss Stuttgart und zuständig für die Talentförderung. Bei der Hochgelobten handelt es sich um Johanna Granzow-Emden, die Hofmann als Assistentin an der Linie in der Verbandsliga unterstützt. Als Schiedsrichterin ist sie in der Kreisliga A bei den Männern, bei den Frauen bis zur Verbandsliga und zudem im Jugendfußball im Einsatz.

Und Johanna Granzow-Emden ist eine bemerkenswerte junge Frau. Mit 18 Jahren studiert sie bereits im dritten Semester Jura an der Universität Tübingen, hat in der Schule mal locker eine Klasse übersprungen, spielt Querflöte und Kontrabass. Bei allem was sie tut war und ist das Multitalent von einem positiven Ehrgeiz getrieben. Nur mit dem Fußballspielen hat es nicht so geklappt. „Mein Vater ist Pfarrer, wir sind oft umgezogen, und drum hab ich irgendwann den Anschluss verloren“, erzählt Johanna. Sie sitzt in einem Stuttgarter Café und rührt in ihrer heißen Schokolade. Das Interesse für den Fußball hat sie aber immer begleitet und als ihr Bruder Martin Schiedsrichter wurde, ist sie einfach mal mitgegangen.

Johanna hat schnell gemerkt, dass das Pfeifen etwas ist, wofür sie trainieren und lernen kann, ohne dass es sich wie Arbeit anfühlt. Für sie ist es auch völlig normal, wenn Männer nach ihrer Pfeife tanzen. „Wenn ich konsequent meine Linie durchziehe, werde ich von den Männern als Spielleiterin akzeptiert“, sagt die Studentin. Und sie hat beobachtet, dass die Spieler anders mit ihr umgehen als mit den männlichen Kollegen. „Statt ausfällig zu werden schlucken sie bei mir vieles runter“, sagt die Studentin. Und inzwischen hat sie gelernt die Sprüche der Zuschauer einfach zu ignorieren.

Die junge Unparteiische gibt sich selbstkritisch

Vor allem die ersten Minuten in einer Partie sind wichtig, da gilt es keine Angriffsfläche zu bieten. Doch die junge Unparteiische gibt sich auch selbstkritisch. „Mit der Kommunikation auf dem Platz klappt es gut, aber mein Stellungsspiel muss ich noch deutlich verbessern“, sagt Johanna. Da mache es sich dann doch bemerkbar, dass sie nicht selbst Fußball gespielt hat.

Halbe Sachen gibt es bei ihr nicht. Sie steckt ins Pfeifen derzeit mehr Zeit und Arbeit als in andere Leidenschaften. Darunter leidet ihre Musik, aber zum Glück nicht die Beziehung zu ihrem Freund Lukas Graeser-Herbstreuth, der ebenfalls Schiedsrichter ist. Über ihr pfeifendes Hobby haben sich die beiden auch kennengelernt. „Das ist schon super, weil da auch das Verständnis da ist, wenn der Partner am Wochenende im Einsatz ist“, sagt Johanna Granzow-Emden. Nur gemeinsam ein Spiel zu leiten – er als Schiri und sie an der Linie – das ist nicht ihr Ding. „Ich bin es in der Beziehung ja auch nicht gewohnt, mich unterzuordnen und könnte das dann nicht trennen“, sagt Johanna.

Doch Fachsimpeln kann auch anstrengend sein. Wenn im Fernsehen ein Länderspiel oder Champions League läuft und noch ein weiterer Schiedsrichterkumpel mitschaut und jeder Pfiff unters Mikroskop gelegt wird, dann flüchtet die 18-Jährige auch mal in die Küche. „So richtig neutral kann man ein Spiel eigentlich gar nicht mehr anschauen“, sagt Johanna. Nur wenn Bibiana Steinhaus pfeift schaut sie besonders genau hin. Johanna ist nicht blond und mit ihren 1,60 Metern rund 20 Zentimeter kleiner als ihr großes Vorbild. Aber die Karriere der inzwischen 36-jährigen Unparteiischen macht auch der Nachwuchsschiedsrichterin Mut, ihren Weg weiter zu gehen. Deutschlands populärste Schiedsrichterin hat es in der Bundesliga zumindest an die Linie geschafft und zählt weltweit zu den besten Frauen an der Pfeife.

Melissa Joos pfeift zweite Liga

Johanna Granzow-Emden hat in Melissa Joos auch ein sehr positives Beispiel in der Schiedsrichtergruppe Stuttgart. Melissa Joos kümmert sich dort nicht nur um die weiblichen Kolleginnen, sie hat mittlerweile auch den Sprung in die zweite Liga der Frauen geschafft und pfeift bei den Männern in der Landesliga. „Von ihr werden wir optimal unterstützt und gefördert“, sagt Johanna. Der Schiedsrichterjob hat auch gewisse Schnittstellen mit ihrem Studienschwerpunkt. Johanna Granzow-Emden interessiert sich vor allem für Strafrecht und hat auch noch einen Job als studentische Hilfskraft am Institut für Kriminologie. Simon Hoffman ist so oder so überzeugt, dass sie ihren Weg gehen wird. Auf und neben dem Platz: „Sie hat trotz Studium sehr schnell sehr viel erreicht und hat deshalb eine tolle Perspektive.“