Das Haus an der Scharnhauser Straße ist nach Ansicht des Schulleiters „in einem Topzustand“. Foto: Sägesser

Ein Gutachter hat einen höchst zerstörerischen Schimmel im Schulgebäude der Gartenbauschule an der Scharnhauser Straße in Plieningen festgestellt. Die Schulleitung glaubt das allerdings erst dann, wenn Beweise vorliegen.

Plieningen - Rudolf Eichin könnte die Beine hochlegen, er ist 66 Jahre alt und damit im Rentenalter. Aber er hat verlängert und wird noch anderthalb Jahre arbeiten – „um zu verhindern, dass man hier Tabula rasa macht“, sagt er. Mit „hier“ meint er die Gartenbauschule und die Landwirtschaftliche Schule, und mit „Tabula rasa“, dass sich die Situation für die Schulen weiter verschlechtert.

Um die räumliche Zerrissenheit geht es nicht

Während der Leiter der beiden beruflichen Schulen über seine Sorgen spricht, steht er im EDV-Raum am Standort Scharnhauser Straße, nebenan in der Werkstatt binden die Floristenpraktikanten Gestecke. Außer den Floristen werden in den fünf Räumen des Gebäudes Friedhofs- und Staudengärtner unterrichtet. Es hat ein paar Minuten gedauert, bis Eichin den richtigen Schlüssel für den EDV-Raum gefunden hat. Kein Wunder, er schleppt zwei Schlüsselbünde mit sich herum – für alle sechs Standorte der Schulen in Plieningen. Die Schlüsselbunde sprechen Bände. Doch um die räumliche Zerrissenheit soll es diesmal nicht gehen. Das Thema, um das es stattdessen geht, ist nicht minder unangenehm: der echte Hausschwamm, der sich laut Stadt im Gebäude an der Scharnhauser Straße ausbreitet (siehe auch Info am Ende des Textes).

Für Eichin ist allerdings überhaupt nicht gesagt, dass dieser Hauschwamm in den Mauern der Schule wuchert. „Es gibt noch keinen Beweis“, sagt er. „Die Räume sind alle in einem Topzustand.“ Mal abgesehen davon, dass für ihn die Optik des Gebäudes gegen den Schimmelbefall spricht, sieht er einen grundsätzlichen Widerspruch. Einerseits investiere die Stadt Stuttgart dauernd in das Haus aus den 1830er-Jahren, andererseits hieß es beispielsweise bereits vor wenigen Jahren, das Gebäude sei baufällig. „Alles wird neu gemacht, und gleichzeitig sind wir kurz vor dem Einstürzen“, sagt Eichin.

Seit dem Jahr 2007 hat die Stadt Stuttgart alles in allem 115 000 Euro in das Schulhaus an der Plieninger Scharnhauser Straße gesteckt. Für Instandhaltungs- und Schönheitsreparaturen, wie Karin Korn sagt, die Leiterin des Schulverwaltungsamts. 2008 hatte ein Gutachten den Sanierungsbedarf auf rund eine Million Euro beziffert.

Der Pilz sei im Erdgeschoss festgestellt worden

Zu dem, was gemacht werden müsste, zählt Umfangreiches wie ein moderner Brandschutz, aber auch Kleinigkeiten wie zum Beispiel, dass die Treppengeländer erhöht werden sollen. Im vergangenen Jahr ist ein Tüv-Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass sich die Kosten für die sicherheitsrelevanten Maßnahmen auf eine halbe Million belaufen. Und da ist der Hausschwamm nicht eingerechnet.

Das Gutachten wegen des Hausschwamms ist noch nicht fertig. Was Korn schon sagen kann: „Es sieht nicht gut aus.“ Im Herbst 2014 sei der Pilz an einer Stelle im Erdgeschoss festgestellt worden, seither seien zwei Räume gesperrt. Vermutlich dringt bei Regen Feuchtigkeit ins Gebäude ein, so dürfte der Schwamm entstanden sein. Laut Korn analysieren die Experten derzeit, „wie weit der Befall fortgeschritten ist“. Vor wenigen Tagen seien Proben am Fachwerk genommen worden, „es scheint irgendetwas etwas mit der Fassade zu sein“, sagt sie. Nun wird eingerüstet.

Die Verwaltung müsse zunächst abwarten, was das Gutachten ergebe, sagt Korn. Denn davon hänge letztlich die Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Gebäude ab. Heißt: Es könnte sein, dass der Schimmel die Kosten sprengt. Was dann werden soll, will erst mal keiner laut aussprechen. Weder die Stadt noch die Schule.

Der Neubau ist bisher nur ein Gedankengebäude

Eichin ist seit 23 Jahren Schulleiter in Hohenheim, er hat einiges erlebt, wie er berichtet. Zum Beispiel, „dass alles, was ich von der Stadt wollte, abgeschmettert worden ist“. Stets mit dem Hinweis, dass die Gartenbauschule und die Landwirtschaftliche Schule einen Neubau bekommen sollen. Bei diesem Argument kann Eichin nur noch milde lächeln. Der Neubau, der neben dem Bezirksrathaus an der Garbe entstehen soll, ist seit Jahren nicht mehr als ein Gedankengebäude. Weil sich Stadt und Land – die die Schulen gemeinsam tragen – nicht einigen können.

Bis er nicht schwarz auf weiß sieht, dass das Schulgebäude vom Schimmel zerfressen ist, wird er sich zusammen mit seinen Kollegen gegen alles wehren, was für die beiden Schulen das Ende an der Scharnhauser Straße bedeuten würde. Das ist einer der Gründe, weshalb er seinen Ruhestand einstweilen verschoben hat. „Mir geht es nur um die Sache“, sagt Rudolf Eichin. „Warum soll man etwas, was gut ist, schlechtmachen?“

Infos zum Hausschwamm:

Der Echte Hausschwamm ist ein holzzerstörender, höchst aggressiver Pilz, der auch durch Mauerwerk wuchert. Befallenes Holz wird morsch. Bei der Durchwucherung von Mauerwerk kann Fugenmörtel weich werden. Gute Wachstumsbedingungen findet er bei einer Holzfeuchtigkeit von 35 bis 60 Prozent. Befallene Balken können, ihre Tragfähigkeit innerhalb von einem Jahr verlieren. Nach dem BGB gilt der Hausschwamm als schwerer Baumangel. Um ihm Herr zu werden, ist es in aller Regel nötig, die Holzkonstruktion auszutauschen. Indes gibt es keine stichhaltigen Hinweise, dass er für die menschliche Gesundheit gefährlich ist.