Aus der Sammlung Gurlitt: Ernst Ludwig Kirchners „Zwei Akte Foto: Kunstmuseum Bern

„Sensation“, „Jahrhundertfund“ – kein Begriff schien 2012 zu groß, um die von Cornelius Gurlitt verwahrte Kunstsammlung seines Vaters Hildebrand Gurlitt zu beschreiben. Doch nicht erst heute gibt es eine notwendige andere Sicht, meint „Stuttgarter Nachrichten“-Autor Nikolai B. Forstbauer .

Stuttgart - An diesem Donnerstag startet die „Bestandsaufnahme Gurlitt“. So betiteln das Kunstmuseum Bern und die Bundeskunsthalle Bonn das gemeinsame Ausstellungsprojekt mit und über Arbeiten aus der Sammlung Gurlitt. Mit Spannung erwartet wird jedoch weniger das Panorama der Klassischen Moderne und des Deutschen Expressionismus’ als vielmehr das Panorama der Fragestellungen um die Werke der Sammlung.

Eine deutsche Geschichte

Fast 60 Jahre ist alles gutgegangen. Fast 60 Jahre hütete Cornelius Gurlitt, 2014 im Alter von 81 Jahren gestorben, ein Kunstlager. Sein 1956 gestorbener Vater hatte es angelegt – Hildebrand Gurlitt. Anerkannter Kunsthändler zunächst, von den Nationalsozialisten wegen einer jüdischen Abstammungslinie verfemt und dann doch einer von vier „Verwertern“ der ganz offiziell im Auftrag Hitler-Deutschlands aus Museen und Sammlungen geraubten Kunstwerke. Eine deutsche Geschichte.

Sammlung nicht verheimlicht

Hildebrand Gurlitt hatte seinen Kunstbestand nicht verleugnet. Im Gegenteil: Er konnte ihn sich nach dreijähriger Beschlagnahmung 1948 zurückholen. Wie viel hat Cornelius Gurlitt seit den 1960er Jahren verkauft? Lange Zeit zu wenig wurde diese Frage im Umgang mit dem von der Steuerfahndung entdeckten und von der Staatsanwaltschaft Augsburg öffentlich gemachten „Münchner Kunstfund“ diskutiert. Mehr als 1400 Werke sind gezählt. Wie viel es einmal waren, ist nicht nur eine Frage möglicher Wiedergutmachung. Nicht weniger spannend ist, dass jeder Kunstverkauf Kennerkreise braucht und Themenkreise zieht.

Kunstlager in der Wohnung

Eine Sensation? Das war und ist der Fall Cornelius Gurlitt nicht. Dazu war die Sammlung Gurlitt – in weiten Teilen durch die geltende Rechtsprechung des Jahres 1938 über staatlich konfiszierte Kunst legitimiert – zu bekannt. Und doch ist das Wissen um einen Kunstbestand im Irgendwo etwas ganz anderes als die Realität eines Zimmers in einer Privatwohnung als zentralem Kunstlager.