Masseurin Juan leitet mit Peter Beer ein Thai-Massage-Studio in Gärtringen. Foto: Leif Piechowski

Thai-Massage-Studios eröffnen überall im Großraum Stuttgart. Doch die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt und Qualifikationen können kaum überprüft werden. Seriöse Anbieter kämpfen gegen Vorurteile und für eine fundierte Ausbildung der Masseure.

Thai-Massage-Studios eröffnen überall im Großraum Stuttgart. Doch die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt und Qualifikationen können kaum überprüft werden. Seriöse Anbieter kämpfen gegen Vorurteile und für eine fundierte Ausbildung der Masseure.

Stuttgart - Sanfte Klänge empfangen den Besucher im Massage Tempel in Gärtringen. Der Eingangsbereich ist dekoriert mit einem bunten Sammelsurium an typisch thailändischen Souvenirs von Elefantenstatuen bis Buddha-Figuren. Dazwischen hängen Zertifikate der Masseurinnen. Nachdem in einem Gespräch eventuelle Beschwerden, Krankheiten oder eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden, macht sich die Chefin des Hauses, die ihren komplizierten thailändischen Namen zu Juan abgekürzt hat, ans Werk.

Sie beginnt die thailändische Massage bei den Füßen, nach und nach arbeitet sie sich an den Energieströmen des Körpers entlang. Dabei wendet sie Akupressur – also eine Druckmassagetechnik – an, im Wechsel mit geführten Dehn- und Streckübungen. „Für den Einstieg empfehlen wir eine sanfte Aromaöl-Massage statt der traditionellen Thai-Massage“, sagt Juan. Sie betreibt das Massage-Studio gemeinsam mit Peter Beer, der im Vorstand des deutschlandweiten Thai-Spa-Verbands ist. Als er den Massage Tempel vor neun Jahren gründete, war er einer der Pioniere in Deutschland. „Die Leute standen vor dem Fenster, aber haben sich nicht getraut, hereinzukommen“, sagt er. Zudem habe das Studio anfangs eine Kundschaft angezogen, die sich unter einer Thai-Massage ein erotisches Abenteuer vorstellte. Mit Vorurteilen dieser Art wird Beer heute kaum noch konfrontiert. Inzwischen gibt es zahlreiche Thai-Massagen-Anbieter in Stuttgart.

Wie viele es genau sind, lässt sich nicht sagen, da die Studios zusammen mit anderen Anbietern beim Gewerbeamt unter dem Stichwort Wellness-Massagen geführt werden. Damit sind Anbieter gemeint, die nicht unter die Bezeichnung Gesundheitsfachberuf fallen. Betreiber von Wellness-Massagestudios müssen sich im Gegensatz zu medizinischen Massagen als Gewerbe anmelden. Beim Amt für öffentliche Ordnung, Gewerbe- und Gaststättenrecht waren im Jahr 2013 nur 47 Studios dieser Art gemeldet. Im Jahr 2009 waren es 43 gemeldete Betriebe – auf den ersten Blick also kein nennenswerter Anstieg. „Es ist aber davon auszugehen, dass es sehr viel mehr Anbieter gibt“, sagt Benno Bartosch vom Ordnungsamt. Es sei kein Geheimnis, dass beim Amt die Kapazitäten fehlen, um dies zu kontrollieren. Ebenso wenig wird die Qualifikation der Masseurinnen geprüft.

„Grundsätzlich gilt, dass nur staatlich anerkannte Physiotherapeuten und Masseure Massagen mit therapeutischem Hintergrund auf Basis einer ärztlichen Verordnung durchführen dürfen“, sagt Michael N. Preibsch, Vorstandsvorsitzender vom Deutschen Verband für Physiotherapie. Bei einer Thai-Massage handele es sich daher immer um eine Wellness-Massage im Selbstzahlerbereich, die nicht vom Arzt verordnet werden kann und deren therapeutische Wirkung nicht wissenschaftlich bestätigt ist. Jedoch: „In Thailand wurde die Massage bereits vor 3000 Jahren entwickelt und bis heute in den Familien weitergetragen, weil es dort keine vergleichbare ärztliche Versorgung gibt“, erzählt Peter Beer. Man nutzte die Thai-Massage im Herkunftsland daher zur gesundheitlichen.

In Deutschland gibt es schätzungsweise rund 1500 Thai-Massage-Anbieter, sagt Gerhard Groß, Experte für Thai-Massagen beim Deutschen Wellness-Verband. Qualitätsüberprüfungen gebe es nicht. Deshalb versuchen sich die qualitativ hochwertigen Studios von den schwarzen Schafen abzugrenzen. Der Thai-Spa-Verband hat daher gemeinsam mit dem Thailändischen Gesundheits-, Arbeits- und Wirtschaftsministerium und deutschen Institutionen Qualitätsstandards für die Betriebe und das Personal entwickelt, die den hohen Ansprüchen in Deutschland genügen. Das Projekt basiert aber auf der freiwilligen Teilnahme der mitwirkenden Betriebe. „Eine fundierte Ausbildung ist entscheidend. Ich selbst habe mich in Thailand unter fachärztlicher Beratung ausbilden lassen“, sagt auch Gerhard Groß. Grundkenntnisse der menschlichen Anatomie seien zwingend nötig, um fachgerecht massieren zu können.

„Richtig angewendet haben Thai-Massagen einen muskelentspannenden Effekt und können deswegen Beschwerden zumindest kurzfristig lindern“, sagt Preibsch vom Verband für Physiotherapie. Bei konkreten Beschwerden empfehle er aber, einen Physiotherapeuten aufzusuchen. Wenn es dagegen nur um Entspannung gehe, reiche eine Thai-Massage. Er warnt jedoch: „Diese sind sehr intensiv und gehen in die Tiefe der Muskulatur. Deswegen sollten alle Personen mit Grunderkrankungen wie zum Beispiel Osteoporose und Bandscheibenbeschwerden aber auch Patienten, die blutverdünnende Medikamente einnehmen, vorher ihren Arzt befragen.“

Daher fragen die Masseurinnen in den Studios von Peter Beer und Gerhard Groß auch immer wieder die Beschwerden ihrer Kunden ab. Schließlich will niemand einen Schaden riskieren. Gerhard Groß sieht eine weitere Gefahr: „Die thailändischen Masseurinnen müssen beachten, dass sie Deutsche nicht auf die gleiche Art massieren können wie Thailänder.“ Denn diese seien meist beweglicher als Westeuropäer. Zwar könne die Thai-Massage durchaus kräftiger als andere Wellness-Massagen sein, unangenehme Schmerzen solle jedoch niemand erdulden müssen. Im Gegenteil: „Regelmäßig angewandt und nicht nur bei Beschwerden führen sie zu einem besseren und gesunden Körpergefühl“, sagt Peter Beer.