Die Räder, die sich bei der Polizei sammeln, kommen zunächst in den virtuellen Fahrradkeller, anschließend in den Schuppen, erklärt Martin Schautz (oben links). Foto: Kathrin Wesely

Im Stadtbezirk werden jede Menge Fahrräder geklaut – Tendenz steigend. Zugleich stapeln sich herrenlose Velos beim Polizeirevier 3 an der Gutenbergstraße, nach denen keiner je fragt. Sie werden nach ein paar Monaten öffentlich versteigert.

S-West - Im Westen wurden im vergangenen Jahr 140 Fahrraddiebstähle angezeigt. Meist erfolglos: Die Polizei kann lediglich zehn Prozent der Raddiebstähle aufklären. Zugleich aber stapeln sich im Polizeirevier 3 an der Gutenbergstraße herrenlose Velos. Und fast nie kommt ein Besitzer vorbei, um nach seinem Rad zu fragen. Ein Paradox, über dessen Gründe die Polizei lediglich mutmaßen kann.

Um die 50 Räder stehen derzeit in dem schönen alten, etwas verwitterten Schuppen aus Fachwerk und Ziegel, alle mit Zettel versehen, die unter anderem Auskunft geben über den Fundort. Ihr durchschnittlicher Wert dürfte bei 100 Euro liegen, schätzt Martin Schautz von der zur Führungsgruppe des Reviers. „Allerdings“, schränkt der Polizeihauptkommissar ein, „die ganz teuren High-End-Produkte sind nicht dabei.“

Die meisten Räder haben Polizeibeamte eingesammelt, denen auf ihren Streifen schon seit einem Jahr oder länger ein offenbar ungenutztes Rad aufgefallen ist. „Wir bekommen aber auch Anrufe von Leuten, bei denen ein Fahrrad lange Zeit unbenutzt herumsteht oder die sich daran stören, dass es in ihrem Hof abgestellt ist oder an ihren Gartenzaun angeschlossen.“

Im Polizeirevier 3 werden die Räder registriert und in den virtuellen Fahrradkeller gesperrt. Die Datensammlung über Fundräder wird von allen Stuttgarter Revieren gefüttert. Zugriff darauf haben auch Polizeireviere außerhalb Stuttgarts. Die Aufklärungsrate ist mit zehn Prozent dennoch äußerst dürftig. „Es gibt kaum Ermittlungsansätze“, sagt Schautz. Im Grunde sei die Rahmennummer der einzige Anhaltspunkt. Wird ein Velo aufgefunden, gleichen die Beamten dessen Nummer mit denjenigen in den Diebstahlanzeigen ab. Nach ihrer Erfassung werden die Räder in den Schuppen geschoben.

Räder bleiben einen Monat im Polizeischuppen

Etwa einen Monat lang bleiben sie dort stehen. „Länger geht nicht. Unser Platz ist ziemlich begrenzt“, so Schautz. Bevor die Räder ins Fundamt wandern und irgendwann versteigert werden, muss der Veröffentlichungspflicht genüge getan werden: Von jedem Rad pinnt vier Wochen lang ein Steckbrief samt Foto am Aushangbrett im Amtsgericht. Meldet sich niemand, wechselt das Rad meistbietend den Besitzer. Die nächste Versteigerung findet im Herbst statt. Der Termin wird in den nächsten Wochen im Internet unter www.stuttgart.de/fundsachen bekannt gegeben.

Auf dem Polizeirevier sucht man nach Erklärungen dafür, warum sich niemand für die Räder im Schuppen interessiert. Ein Grund dafür könnte die räumliche Entfernung sein, meint der Polizeihauptkommissar Schautz: „Wenn ein Fahrrad in Sindelfingen gestohlen wurde, kommt der Besitzer nicht auf die Idee, bei uns im Westen nachzufragen.“ Auch sei es mühsam, alle Reviere in einem größeren Umkreis abzuklappern. Ist ein Fahrrad sehr wertvoll, könne die Erklärung, weshalb der Besitzer nicht bei der Polizei nachfragt, auch lauten, dass er es versichert hat und seine Versicherung ohnehin für den Verlust aufkommt. Bei der Polizei erwägt man seit einiger Zeit, Steckbriefe von aufgefundenen Rädern auf Facebook zu veröffentlichen. Doch die Sache ist zweischneidig: Es ist nicht ganz einfach, den Nachweis zu erbringen, dass einem ein bestimmtes Fahrrad gehört. Nicht jeder bewahrt die Quittung über Jahre auf oder notiert sich die Rahmennummer. Ohne diesen Nachweis aber kann die Polizei schlechterdings ein Velo herausgeben. „Das könnte zu Frust bei den Besitzern führen, der sich in bösen Kommentaren entlädt“, sagt Martin Schautz. „Wir wollen ja mit der Veröffentlichung nicht in einen Shitstorm auf Facebook reinlaufen.“