Waldemar Elsässer liebt seinen Job in dem kleinen Laden Foto: Kathrin Wesely

Der Schwarzmarkt wird zehn: Der kleine aber gut sortierte Laden der Nikolauspflege ist der einzige Einzelhandel weit und breit. Hier kaufen sich die Lehrer und Schüler ihr Pausenbrot, Bauarbeiternehmen einen Kaffee, Anwohner besorgen noch rasch ein Pfund Kaffee und die Nachbarskinder ihre täglich Ration Naschwerk.

S-West - Waldemar Elsässer ist der Herr über Hunderte von Süßwaren – zumindest an 36 Stunden in der Woche. Er bestellt sie, sortiert sie ein und verkauft sie an die Kunden im Schwarzmarkt am Kräherwald. Der kleine aber gut sortierte Laden der Nikolauspflege ist der einzige Einzelhandel weit und breit. Hier kaufen sich die Lehrer und Schüler der Betty-Hirsch- und der nahe gelegenen Grundschule ihr Pausenbrot, Bauarbeiter und Passanten nehmen einen Kaffee, Anwohner besorgen noch rasch ein Pfund Kaffee oder Butter, und die Kinder aus der Nachbarschaft beschaffen sich hier ihre täglich Ration Naschwerk.

2000 Euro von den Radlern

Seit zehn Jahren existiert der Lehrbetrieb der Nikolauspflege, einer Spezialeinrichtung für blinde, sehbehinderte und mehrfachbehinderte Menschen. Dieser Tage feierten der Laden und seine Kunden das kleine Jubiläum mit einer Luftballonaktion und Kuchen. Auch ein paar Spender kamen vorbei: Vertreter der Charity Society, einem Verein, der sich dem stilvollen Radeln auf historischem Gefährt in Tweedanzügen und Schiebermützen wie aus den Roaring Twenties verschrieben hat. Das bei seinen Ausfahrten eingesammelte Startgeld lässt er sozialen Einrichtungen im Raum Stuttgart zukommen. In diesem Jahr erhält der Schwarzmarkt einen Scheck in Höhe von 2000 Euro.

Mit dem Geld wolle man die Einrichtung im Laden verschönern und Schilder in blindengerechter Punktschrift anschaffen, erklärt Rüdiger Nickel, Lehrer und Projektleiter des Schwarzmarktes. „Der Laden hat sich seit seinen Anfängen ganz schön verändert“, sagt Nickel, woran er nicht ganz schuldlos ist: Der Pädagoge mit gastronomischer Vorbildung hat immer schon davon geträumt, beide Bereiche zusammenzubringen. Das ist ihm mit dem Schwarzmarkt gelungen. Denn seit einem Jahr gibt es dank Spenden nicht bloß Stehtische im Innern, sondern eine Terrasse mit Cafébetrieb. Am Vormittag dient der Schwarzmarkt verschiedenen Schulen und dem Berufsbildungswerk Stuttgart der Nikolauspflege als öffentlicher Unterrichtsbetrieb. Die Auszubildenden aus dem hauswirtschaftlichen und kaufmännischen Bereich üben den Umgang mit den Kunden und mit Geld. Die Azubis lernen die vielfältigen Aufgaben eines Einzelhandelsunternehmens kennen – vom Bestellen und Ordnen der Waren bis zur Lebensmittelhygiene. Sie backen Apfeltaschen, Croissants und Streuselschnecken auf, organisieren den Rücklauf von Zeitschriften und erfassen Rechnungen. Manchmal arbeiten Praktikanten auch aus der psychiatrischen Einrichtung des Rudolf-Sophien-Stifts mit.

Es gibt fast alles

An den Nachmittagen wird der Betrieb von Mitarbeitern der Werkstatt für behinderte Menschen der Nikolauspflege Limeshof übernommen. Gemäß dem Motto: „Fordern und Fördern“ arbeiten dort Werkstattmitarbeiter weitgehend selbstständig. Waldemar Elsässer steht bereits seit fünf Jahren im Laden. Er liebt seinen Job so sehr, dass er dafür die tägliche Anreise von seiner Wohnung in Göppingen in Kauf nimmt. „Ich arbeite einfach gerne unter Menschen, der Kontakt mit den Kunden macht mir Spaß“, sagt der 24-Jährige. Seine Sehschwäche behindere ihn bei seiner Arbeit nicht allzu sehr, weil er gut in die Nähe sehe. „Ich habe zum Beispiel kein Problem, Geldscheine zu erkennen.“ Andere benötigen einen Cashtester.

Elsässer ist auch für die Warenbestellung zuständig. Etwa 300 Artikel gehören zum Sortiment – darunter viele haltbare Grundnahrungsmittel. Das meiste stammt aus dem fairen Handel und aus der Region. Die aufzubackenden Teiglinge liefert die Bäckerei Zachert aus Leonberg, den Kaffee die Rösterei Fröhlich im Westen, berichtet Elsässer. „Es gibt fast alles“, sagt Elsässer ein bisschen stolz. Auch Zigaretten? „Leider nein“, bedauert der Kaufmann. „Wir sind doch ein Schulladen.“