Wolfgang und Sieglinde Binninger (Mitte) kaufen gern in der Killesberger Höhe ein. Managerin Birgit Greuter ist mit der Entwicklung zufrieden. Foto: Rebecca Anna Fritzsche, Eva Funke

Das Einkaufszentrum Killesberger Höhe erfüllt aus Sicht der meisten Mieter und Kunden die Erwartungen.

Stuttgart - Wenn Edgar Selge in Stuttgart ist, kauft der Schauspieler (vielen bekannt als Tauber im Polizeiruf 110) bei Saedeh Razavinia ein: in Zitrone eingelegte Oliven, Frischkäse, in Mango eingelegte Artischocken – Antipasti, nach Razavinias Rezepten persisch gewürzt. „Toll, dass es so ein Feinkostgeschäft gibt. Das Mythos ist ein ganz besonderer Laden“, schwärmt der 68-Jährige, der demnächst in dem Stück „Des Tages lange Reise in die Nacht“ im Schauspielhaus gastiert und dort auch der Richter Adam in Kleists zerbrochenem Krug und Peer Gynt in Ibsens gleichnamigem Drama war. Razavinia hingegen ist nicht so begeistert. Sie hat zwar Stammkunden, doch der Zulauf aus anderen Quartieren sei gering und die Mieten relativ hoch, klagt sie.

Das Modegeschäft La Chemise hat ein Jahr nach Eröffnung des Zentrums aufgegeben, dann kam das Aus des Möbelhändlers Fleiner, und jetzt sind das Restaurant Scholz am Park samt der dazugehörigen Eisdiele und dem Blumenladen insolvent. Geht das Konzept eines Stadtquartiers mit 110 Wohnungen und 25 Geschäften auf 12 000 Quadratmeter doch nicht auf?

Die Centermanagerin Birgit Greuter schüttelt energisch den Kopf. „Fleiner kam aus Stuttgart-West an den Killesberg, hatte hier oben die doppelte Kundenfrequenz. Die Insolvenz hatte nichts mit dem Standort, sondern mit internen Problemen zu tun“, sagt sie. Zu Scholz will sie sich nicht äußern. Nur soviel: „Am Standort liegt auch das nicht.“ Außerdem habe eine Kundenbefragungen ergeben, dass Bürger sehr zufrieden sind. „Es gibt alles, und wir decken alle Preisklassen ab“, so Greuter. In der Tat: Es gibt je zwei Lebensmitteldiscounter und Bankfilialen, Bio- und Feinkost, Kiosk, Buchladen, Optiker, Bäcker, Friseur, Apotheke und Ärztehaus.

Kundenbefragung fällt positiv aus

„Ein total ausgewogenes Angebot. Wir wohnen gleich um die Ecke und kaufen hier sehr gern ein. Außerdem machen wir den Yogakurs im Fitness-Studio mit“, bestätigen Wolfgang und Sieglinde Binninger das Ergebnis der Kundenbefragung. Er ist 64 und Lehrer, sie 60 und Kommunikationsexpertin. Als etwas „langweilig“ beurteilt dagegen ein Kunstprofessor aus den USA das Areal. Zum Einkaufen sei es aber „okay“. Gudrun Jarcke kauft hingegen auch gern in der Killesberger Höhe ein. „Ich brauche weder Bus noch Taxi, sondern kann mit meinem Rollator vom Augustinum zu Fuß herkommen“, sagt die 82-Jährige, die wie viele ihrer Mitbewohner im Seniorenzentrum zum Einkaufen her kommt

Und wie zufrieden sind die Mieter abgesehen von Saedeh Razvinia? „So zufrieden, dass wir im Frühjahr nochmals investieren und umbauen“, sagt Mattias Mußler vom gleichnamigen Kosmetikgeschäft. Er gehört zu den Mietern der ersten Stunde, ist im November 2012 eingezogen. „Die Fertigstellung hatte sich verzögert. Wir mussten auf einer Baustelle einziehen und haben ein sehr schweres erstes Jahr hinter uns“, gesteht er. Alles vorbei. „Wir sind froh, dass wir durchgehalten haben und bereuen keinen Tag“ erklärt Mußler. Der Zahnarzt Maik Bodendorf plant ebenfalls zu expandieren. Zu ihm kommen immer mehr Patienten. Viele verbinden den Zahnarztbesuch mit einem Einkauf. Und die Firma Architare hat den Namen Fleiner gekauft und bietet unter dem Namen Fleiner Möbel by architare auf 2500 Quadratmetern hochwertige Einrichtung an. Nach ein paar Monaten Anlaufzeit hat sich die Killesberger Höhe für uns zum perfekten Standort entwickelt“, sagt Lisa Rathke von Fleiner Möbel by architare und stellt einen wachsenden Kundenzulauf fest.

Mit weiterem Zuwachs rechnet auch die Centermanagerin. Rund 25 000 Einwohner leben im Einzugsbereich des Areals. Weil in den kommenden Jahren weiter gebaut werden soll, wird deren Zahl wachsen. Derzeit werden im Monat rund 15 000 Kunden gezählt. „Das sind aber nur die Autofahrer. Bahnkunden und Fußgänger sind nicht dabei“, sagt Greuter und fordert, dass die Bahn statt im 20-Minuten Takt wieder wie zu Messezeiten alle zehn Minuten fährt. „Sollen aus Auto- Bahnfahrer werden, muss die öfter fahren.“ In Kürze wird die Württembergische Lebensversicherung als Eigentümerin des Areals wohl auch die letzte frei Ladenfläche vermieten. „Es gibt Verhandlungen“, so Greuter und schweigt über die Höhe der Mietpreise. Die seien je nach Lage unterschiedlich.

Und Saedeh Razavinia? Wer wie Edgar Selge Kunde bei ihr ist, kann nur hoffen, dass auch sie durchhält, bis sich die Raffinesse ihrer Antipasti rumgesprochen hat.