Stolze Besitzer eines künstlich limitierten Produkts: Luca (links) und Mattis. Foto: Haar

Wegen der Marke Palace campieren rund 50 Jungs am Hans-im-Glück-Brunnen vor dem Szene-Laden Arrow & Beast. Am Ende lohnen sich die Strapazen aber nur für zwölf Jugendliche. Die heiße Ware ist streng limitiert – und wird so noch reizvoller.

Stuttgart - Es gehört eine gehörige Portion Selbstironie dazu, wenn man nach 19 Stunden immer noch (über sich) lachen kann. Mattis Heisler (17) hat diese Fähigkeit. Nach einer Zugfahrt von Freiburg und einer halbdurchwachten Nacht am Hans-im-Glück-Brunnen bei ungemütlichen 15 Grad Celsius ist ihm die gute Laune nicht vergangen. Auch sein Kumpel aus Pforzheim, Luca Juvende (15), hat den Humor nicht verloren. Beide wissen: Eigentlich ist es völlig irrational nur wegen eines Kleidungsstückes solche Strapazen auf sich zunehmen. Aber das Stück der Marke Palace wiegt alles auf. Der Besitzerstolz wird Müdigkeit, Kälte und Mühsal wegzaubern. „Palace ist eine Kultmarke in der Skater-Szene“, erklären die beiden unisono. Daher entstehe jedes Mal so ein Hype, wenn neue Produkte auf den Markt kommen.

Wer sich, wie das Label Palace, erst mal Kultstatus erarbeitet hat, kann sich so ziemlich alles erlauben. Solche Marken können in der Preisfindung sehr kreativ sein, sie können das Produkt künstlich verknappen und sie können auch die Zahl der Vertriebspartner limitieren. All das erhöht die Begehrlichkeit nach einer Textilie oder einem Schuh enorm.

Nur noch ein Laden in Berlin bekommt die limitierte Kollektion

In diesem Fall gehört der Skater-Laden Arrow und Beast zu dem erlauchten Kreis, der zwei Palace-Händler in Deutschland. „Nur wir und ein Laden in Berlin bekommen die limitierten Teile“, erklärt ein Verkäufer. Der Stuttgarter Laden hat nur zwölf Stücke bekommen und hat dies in den sozialen Netzwerken am Donnerstagabend angekündigt. Die Folge ist am Freitag am Hans im Glück Brunnen sichtbar. Zwei Stunden vor Ladenöffnung hat sich die Zahl der Jugendlichen auf 52 erhöht. Bedeutet: 40 gehen leer aus. Damit zur Ladenöffnung dennoch gesittet zugeht, führt Luca eine Liste, die die Reihenfolge des Eintreffens dokumentiert. „Wer ziemlich am Ende steht, wird nichts mehr oder nichts in seiner Größe bekommen“, weiß Luca. Aber selbst das hält die Jugendlichen nicht davon ab, eine Nacht vor der Ladentür zu campieren. „Auch wenn es nicht passt, kauft man“, erklärt Mattis, „denn man kann es im Internet ja weiterverkaufen.“ Ein besonderer Palace-Hoodie, der im Laden etwa 120 Euro kostet, kann im Internet um die 300 Euro bringen.

In London ist der Hype noch größer

Im Vergleich zu England oder den USA seien die Verhältnisse in Deutschland aber noch sehr überschaubar. „Wenn in London oder New York neue Teile auf den Markt kommen“, weiß Mattis, „campieren bis zu 1500 Leute vor dem Laden. Und das noch länger vorher, als wir es tun.“

Was steckt hinter Hype um die Skaterklamotten? Experten wie Abseits-Chef Winni Klenk nennen eine Reihe von Gründen. Natürlich stecken kreative Stylisten hinter dem New Yorker Label. Und es schadet nicht, wenn Promis wie Jay Z, Rihanna und A$AP Rocky die Klamotten für sich entdecken. Aber wie so oft bei solchen Phänomenen ist das Glück oder die Gabe, den Nerv der Zeit zu treffen. Der Skater-Look vermittelt Freiheit und ein Stück Rebellion. Wer die Klamotten mit dem Dreieck trägt, folgt zwar einem Modetrend, aber er fühlt sich als Kämpfer gegen den Mainstream. Diese Gegensätzlichkeit scheint auch hier zu funktionieren.

Mattis, Luca und die übrigen Palace-Pilger fühlen sich als Besitzer dieser heißen Ware unglaublich gut und glücklich. Und doch scheinen sie auch die Absurdität dieser Marketing-Masche zu durschauen. Denn beide können darüber lachen – und natürlich auch über sich selbst.