Sonderermittler Robert Mueller untersucht die Russland-Affäre seit Monaten. Foto: GETTY IMAGES NORTH AMERICA

Die Russland-Affäre konnte Trump nie abschütteln. Jetzt folgen den Untersuchungen erste Anklagen - Sonderermittler Mueller meint es ernst. Warnzeichen auch für den Präsidenten, denn das dürfte es noch lange nicht gewesen sein.

Wahington - Es sollte eine große Woche für Donald Trump werden, eine der wichtigsten seiner bisherigen Amtszeit. Die Republikaner wollen Einzelheiten der geplanten Steuerreform enthüllen, die Trump schon seit langem als historisch feiert, und die er unbedingt rasch durch den Kongress bringen muss, um endlich ein größeres Vorhaben abzuschließen. Am Freitag geht er auf seine bislang längste Auslandsreise. Aber darüber spricht in Washington gerade niemand. Stattdessen geht es wieder nur um Russland.

Sonderermittler Robert Mueller untersucht diese Affäre seit Monaten, nun präsentierte er die ersten Anklagen, und sie schlugen gewaltige Wellen. In Erwartung von Muellers Schritt haben Trump und sein Lager sich schon seit Tagen auf Gegenfeuer verlegt: Nicht nur hätten die Demokraten eine Zusammenarbeit Trumps mit Russland zur Manipulation der Wahl erfunden. Auch beim Zeitpunkt der Anklage-Verkündung hätten sie ihre Hände im Spiel gehabt, um die Agenda des Präsidenten empfindlich zu stören.

Erstmals Trump-Getreue angeklagt

Erstmals sind in Trumps einstigem Wahlkampfmanager Paul Manafort und dessen früherem Geschäftspartner Richard Gates zwei Trump-Getreue angeklagt. Sie werden finanzieller Vergehen beschuldigt und sind unter Hausarrest. Außerdem soll mit George Papadopoulos ein Trump-Berater vorsätzlich Falschaussagen in der Russland-Affäre gemacht haben. Letzteres kam zunächst fast nebenbei, hat aber womöglich das größere Gewicht.

Die Anklagen vom Montag sagen zwar nichts über die Stichhaltigkeit der Vorwürfe und Verdachtsmomente im Zentrum von Muellers Untersuchungen. Dennoch ist der Schritt des Ermittlers eine mehr als schlechte Nachricht für Trump. Die „Washington Post“ beschrieb minuziös, wie zunehmend fassungslos Trump auf die Entwicklungen des Montags reagiert habe: „Ein politischer Sturm, den er nicht kontrollieren konnte.“

Die Wolken über Trump verdunkeln sich

In ihren Reaktionen stellten Trumps Anwälte und seine Sprecherin konsequent darauf ab, dass die Anklagen nichts mit dem Präsidenten, seinem Team oder dem Weißen Haus zu tun hätten. „Es gibt KEINE ZUSAMMENARBEIT (mit den Russen)“, twitterte Trump als erste Reaktion, am Dienstag legte er nach.

Dennoch verdichten die jüngsten Entwicklungen die dunkle Wolke, die seit Trumps Antritt über ihm seinem Zirkel hängt. Von Manafort über Trumps Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn, seinen früheren Wahlkampfberater Carter Page und Trumps Langzeitfreund Roger Stone bis hin zu Trumps Schwiegersohn Jared Kushner: Sie alle sind im Zuge der Ermittlungen Muellers auf die eine oder andere Weise ins Visier geraten.

Papadopoulos – erst ein exzellenter Junge, dann ein Lügner

Muellers Anklagen zeigen, dass die Ermittler Zugriff auf lange zurückliegende Steuererklärungen und Finanzunterlagen haben, auf E-Mails und anderes. Das kann Trumps Umfeld nicht wirklich beruhigen.

Deswegen dürfte die Anklage gegen Berater Papadopoulos das Weiße Haus fast noch mehr erschüttern als die gegen Manafort. Trump bemühte sich am Dienstag nach Kräften, den Ex-Berater als unwichtig, niedere Charge und weithin unwissend darzustellen. Nur: Zum einen gibt es da ein Foto, das Trump und den jungen Mann (30) am 31. März 2016 an einem gemeinsamen Tisch zeigen. Trumps Team hat es selber verbreitet. Überschrift: „Make America Great Again!“ Der „Washington Post“ hatte Trump gesagt, Papadopoulos sei ein exzellenter Junge. Nun nennt er ihn einen Lügner.

Papadopoulos hat sich schuldig bekannt, die Russland-Ermittlungen behindert zu haben. Ihm waren von einem Professor Tausende Mails versprochen worden, die Clinton schaden sollten - Mails im Besitz Russlands, und zwar ausdrücklich nachdem Papadopoulos begonnen hatte, für Trump zu arbeiten. Belegt ist auch, dass Papadopoulos darüber mit Trumps Team kommunizierte. Eine „Hexenjagd“, als die Trump die ganze Russland-Untersuchung seit Monaten zu diffamieren versucht, sieht wohl doch anders aus.

Trump feuerte FBI-Chef James Comey, dann kam Sonderermittler Mueller

Was Papadopoulos zugegeben hat, reicht viel näher an den Kern von Muellers Untersuchungen heran als die Anklage gegen Manafort. Und es belegt und verstärkt bei vielen den Eindruck, dass in diesem Wahlkampf irgendetwas vor sich gegangen sein muss. Zu dem Eindruck „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer“, hat Trump selber beigetragen: Er feuerte FBI-Chef James Comey. Wie er später sagte, spielten dessen Russland-Ermittlungen durchaus eine Rolle. Was danach folgte, war Mueller. Der Sonderermittler.

Mehr denn je hängen dessen Untersuchungen, über Monate still und konsequent vorangetrieben, wie ein Damoklesschwert über Trump - auch wenn es bisher keine konkreten Hinweise dazu gibt, inwieweit sie sich auch direkt auf den Präsidenten beziehen. Allerdings war Manafort immerhin monatelang Trumps Wahlkampfchef. Dass er Insider-Kenntnisse hat, die das Trump-Lager lieber nicht an der großen Glocke sähe, scheint plausibel. So war er dabei, als sich Kushner im Sommer 2016 mit einer russischen Anwältin traf - in der Hoffnung, Schmutz über Hillary Clinton auszugraben, Wahlkampfgegnerin seines Schwiegervaters.

Trump weiß spätestens jetzt, dass Mueller entschlossen und furchtlos ist. Die Russland-Affäre wird den Präsidenten noch lang verfolgen, auch wenn das Weiße Haus sie gern sehr bald abgeschlossen sähe. Vermutlich ragt sie mit all ihren begleitenden politischen Erosions- und Lähmungserscheinungen bis in das Jahr 2018 hinein. Im November sind Kongresswahlen.