Männer bevorzugen die Kofferfarben Schwarz und Grau, braun ist weniger gefragt. Foto: Lg/Max Kovalenko

Mit welchem Gepäck verreist der Bundesbürger? Wie auf einem Laufsteg sind die Favoriten am Gepäckband im Flughafen auszumachen. Denn Koffer sind Statussymbole.

Stuttgart - Der Reisende von Welt zeigt Koffer. Früher, als die Welt noch nicht jedem offenstand, waren viele bunte Aufkleber von Traumzielen und legendären Herbergen auf Koffern und Taschen aus bestem Leder das Aushängeschild. Erst recht ließen – und lassen heute noch – die Initialen einer französischen Luxusmanufaktur die Erwartung des Hotelpersonals auf Trinkgeld steigen. Diese exquisiten Modelle sind auf den Gepäckbändern der Airports jedoch kaum zu finden, weil sie viel zu kostbar für den dort üblichen brachialen Umgang sind. „Mit Gepäck wird häufig wenig sorgsam umgegangen, wenn man es aus der Hand gibt“, weiß Andreas Thommel, Geschäftsführer bei Breuninger und zuständig für Reisegepäck.

Das fürchten die Reisenden, die sich lässig ihren silbernen Leichtmetallkoffer mit Rillen vom Band angeln, allerdings überhaupt nicht, wie Doris Rudolph von Lederwaren Acker verrät. Im Gegenteil: Beulen und Dellen in der Alu-Haut würden heute als das gelten, was einmal die bunten Etiketten waren. Jede Macke eine Trophäe mit der Aussage: „Ich bin ein Vielflieger. Immer unterwegs zu wichtigen Meetings.“ Und das Gepäck ist natürlich von Rimowa.

„Rimowa hat es geschafft, ein Statussymbol zu werden“, bestätigt Christoph Achenbach von Lederwaren Acker. Trotz stolzer Preise von 380 bis annähernd 1000 Euro je nach Serie, Größe und Ausstattung ist die Firma inzwischen zum Marktführer avanciert. „Noch vor den Marken Samsonite und Tumi“, wie Andreas Thommel von Breuninger und Gisela Gottwald vom Kaufhof übereinstimmend bestätigen. „Deswegen“, so Achenbach, „hat jetzt der französische Luxuskonzern LVMH (Louis Vuitton, Moet Chandon und Hermes) Rimowa zu 80 Prozent übernommen.“ Aber die Aluserie werde weiter komplett am Firmensitz in Köln gefertigt, führt Achenbach aus.

Preispannen zwischen 70 und 1100 Euro

Hinter dem Namen Rimowa verbirgt sich eine 119 Jahre alte Manufaktur, die 1898 von Paul Morszeck in Köln gegründet wurde. Den Grundstock für das Label legte sein Sohn Richard Morszeck 1931 mit der Bezeichnung Rimowa (Richard Morszeck Warenzeichen) und mit einer umwälzenden Idee und Neuigkeit: Inspiriert vom ersten Ganzmetallflugzeug der Welt, der Junkers F 13, brachte er 1937 einen Überseekoffer aus Leichtmetall auf den Markt und begeisterte damit, wie es in den Firmenannalen heißt, den internationalen Jetset. Das Rillendesign der legendären „Tante Ju“ bekam das silbern glänzende Gepäck allerdings erst 1950, als das Flugzeug aus den Dessauer Junkerswerken nur noch Museumsrang hatte.

Man muss für einen Koffer nicht unbedingt den Gegenwert einer Urlaubswoche auf Mallorca ausgeben. Die Preisspanne ihres Sortiments beziffert Gisela Gottwald von 70 bis 1100 Euro. Auf was kommt es dem Kunden beim Kofferkauf vordringlich an? Auf möglichst wenig Eigengewicht natürlich, heißt es bei den führenden Händlern. Denn Gepäckträger sind ausgestorben. Vor allem aber habe, so Achenbach, das Diktat der Airlines den Markt verändert: 22 Kilo Gewicht sind, wenn man Glück hat, maximal ohne Mehrkosten zulässig, meistens aber nur 20 Kilo und bei manchen Fluglinien sogar nur noch 15 Kilo. Die Maße 77,5 x 52 x 28 Zentimeter haben sich, hört man überall, daher als gängige Koffergröße durchgesetzt. Wie bleibt man beim Packen für den Urlaub in diesem Limit? Indem der Koffer schon ein Leichtgewicht ist. Die Alumodelle sind es nicht unbedingt, darum revolutionierte Dieter Morszeck, der Enkel des Gründers, anno 2000 den Markt mit der ersten Leichtgepäckserie aus Polycarbonat. Es geht noch leichter: Gisela Gottwald, selbst eine passionierte Reisende, zieht mit ihrem 100-Liter-Hartschalenkoffer von Samsonite aus Polypropylen um die Welt. „Er läuft wie Butter“, schwärmt die Besitzerin. Die Rollen müssten auf Flüsterniveau gedimmt werden, denn Kopfsteinpflaster ist nicht Trolley-kompatibel. Samsonite habe den Trick raus: „Die Räder werden bei jeder Umdrehung automatisch geschmiert“, so Gottwald.

Eletronic Tag ist die Zukunft des Reisens

Die Herren bevorzugen Schwarz und Grau – was am Gepäckband schon mal zu Verwechslungen führen kann. Gewitzte Reisende kennzeichnen ihr Gepäck mit einem bunten Koffergurt. Auf Retrolook setzt der Hersteller Bric’s; Zebramuster (kreiert für die TV-Sendung „Germany’s Next Topmodel“) oder poppige Palmenlandschaften entzücken junge Kundinnen. Und dann gibt es noch Gold. „Das ist genau wie Rot in Asien eine Glücksfarbe und wird daher gern von chinesischen Kunden gekauft“, berichtet Gisela Gottwald. Eine konsumfreudige Klientel, die angeblich pro Tag und Nase 513 Euro ausgibt und im großen Stil gezielt einkauft. Zum Beispiel Rimowa-Koffer.

Der Kölner Hersteller hat mit Electronic Tag schon den nächsten Schritt in die Zukunft des Reisens ohne Warteschlangen an den Flughäfen getan: mit Koffern, die man dank elektronischer Ausrüstung und über eine App per Smartphone von zu Hause aus einchecken kann. Schalter, an denen diese Koffer umstandslos abgegeben werden können, haben bisher allerdings nur die Flughäfen Frankfurt und München.

Gottlob rollt endlich auch der eigene Koffer an. Für ein prestigeträchtiges Statussymbol ist der leider schon zu alt. Aber immerhin hat er die berühmten Rillen.